Vom Denken und Fühlen in der Literatur

Erörterung zum Thema Reflexion

von  uwesch

Dieser Text ist Teil der Serie  Abenteuer Lesen und Schreiben

Wie verhält es sich mit der Rolle von Gefühl und Verstand in der Kunst und der Literatur?

Ist ein Text, zu dem ein Leser keine Empathie empfindet, automatisch “schlecht“ oder konnte das Gefühl persönlich nicht angesprochen werden, weil das Thema zu nahe ging oder der Verstand im Sinne einer Analyse nicht einbezogen wurde?
Die berühmte Harmonie- und Kompositionslehrerin Nadia Boulanger sagte einmal den schönen Satz: „Du musst die Struktur der Musik mit Emotionen füllen und die Emotionen analysieren.“
Die Erfahrung habe ich beim Musizieren und in der Malerei immer wieder gemacht. Das gilt sicher auch für das Schreiben. Wegen der nicht direkten Rückkopplungsbedingungen beim Malen und Schreiben ist die Auseinandersetzung mit Kunst- und Literaturinteressierten unbedingt notwendig. Berühmte Maler hatten ihre Gruppen, z.B. die Blauen Reiter und ihre Orte wie Berlin, Paris, Wien, Schriftsteller in Deutschland die Gruppe 47 (die sich alle vom herkömmlichen Kunst- und Literaturgeschehen abgrenzten und neue Wege gingen), in denen sie Austausch betrieben, sich gegenseitig inspirierten, stritten, und dann einen eigenen Stil entwickelten.
So verstehe ich Arbeit am Text. Man muss als Leser und Autor über Gefühle denken und über das Denken fühlen können. Ein erster Eindruck ist meist ein Instinkt – gefällt mir oder nicht (das Facebook-Prinzip) oder hat (k)eine schnelle Empfehlung zur Folge. Da darf man aber nicht stehenbleiben. Es sollten eine Analyse einsetzen, Bezüge hergestellt und Fragen gestellt werden. Leidenschaft und Disziplin sind keine Gegensätze, sondern Kontrapunkte, die nebeneinander bestehen, wenn ein guter Text herauskommen soll.
Wenn man von Anfang an nur strategisch-handwerklich beim Schreiben denkt oder nur emotional schreibt, verliert man unter Umständen die Zwischenfarben. Manchmal hängt ein Satz oder Absatz literarisch in der Luft. Erst in der Diskussion wird das begriffen und gegebenenfalls geändert.
Nur so ist Textarbeit fruchtbar für diejenigen, die sich dem inhaltlich stellen und Verstand und Gefühl gegeneinander abwägen und in Beziehung setzen.
Das Denken und Fühlen gehört für mich auch deshalb zusammen, weil jeder weiß, wenn er etwas Positives denkt, er sich besser fühlt – umgekehrt ist´s andersherum. Wenn ich mich gut fühle, dann blüht auch mein Gehirn auf. Im umgekehrten Fall rotiert das Gehirn in sich wiederholenden Schleifen. Wenn ich klar denke, kann ich Gefühle auch besser ausdrücken. In jedem anderen künstlerischen Gestalten gilt das ebenso, je nach Autor oder Künstler. Diese Prozesse finden ständig mal so mal so statt
Kreative Schreibprozesse laufen zunächst besser, wenn das Gehirn sich selbst überlassen und nach einem spontanen Akt erst dann dem Text eine Struktur gegeben und handwerklich durchgearbeitet wird, ein Grundsatz beim Creativ-Writing.



Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 franky (27.07.23, 09:04)
Hi lieber Uwe 

Einfach genial überlegt und geschrieben. 

Grüße von Franky

 uwesch meinte dazu am 27.07.23 um 10:44:
Freut mich franky, dass Du das so siehst.
Danke dir für Deine Belobigung und Empfehlungen.
LG Uwe

 harzgebirgler (27.07.23, 09:55)
das zur sprache zu bringen was sie anspricht
gelingt schreibern entweder oder auch nicht
vor allem nicht ohne entsprechende gabe
der fremd ist seit je alles bloße gehabe! lg vom harzer

 uwesch antwortete darauf am 27.07.23 um 10:45:
Gabe und Gehabe klaffen i.d.R. auseinander.
Dank dir für Deine Belobigungen und LG Uwe

Antwort geändert am 27.07.2023 um 10:46 Uhr

 EkkehartMittelberg (27.07.23, 11:28)
Hallo Uwe.
eine gute Synthese von Denken und Empfinden in der Literatur war und bleibt wichtig. Sie gelingt selten, weil meistens das eine auf Kosten des anderen geht.

LG
Ekki

 uwesch schrieb daraufhin am 27.07.23 um 13:26:
Ja, ist schwierig da ein Gleichgewicht zu finden.
Deshalb schreibst Du wohl lieber Aphorismen - gell  :)  Dank für Deine Empfehlung
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram