Von der Rolle

Short Story zum Thema Annäherung

von  uwesch

Dieser Text ist Teil der Serie  BEGEGNUNGEN (Erzählungen, Short Stories)

Nachdem er zwei Mahnschreiben bekommen hatte setzt er sich an den PC und will eine überfällige Überweisung erledigen. Plötzlich KLING, das E-Mail Programm meldet eine neue Nachricht – von der Frau, die er vor zwei Tagen über eine Kontaktanzeige kennengelernt hatte. Sie küssten sich gleich nach dem ersten Treffen beim Abschied auf den Mund.
Er hatte ihr vor einer Stunde gemailt, dass er sie nicht so recht lieben könne, kein Verlangen nach ihr spüre, sie nicht begehre. Das war sein Gefühl - heute.
Er bricht den Überweisungsakt ab und öffnet die Mail.
Sie schreibt:
„Ich bin sehr traurig. Bist du dir deiner Verantwortung bewusst? Ich lasse nicht mit mir rumspielen. Mein Gefühl einer zaghaft erwachenden Liebe zu dir ist zwar nicht abhängig von deiner Antwort, aber sehr abhängig ist davon mein Glücksgefühl. Also überlege dir genau was du mir schreibst“.
Im ersten Moment denkt er, dass sein Gefühl nichts anderes als eine Täuschungsanlage ist. Das kannte er schon seit langem, dass nichts so war wie er es empfand, er nichts so empfand wie es war. Er reagierte dann reflexartig, angstgesteuert etwas zu verlieren. Jetzt hämmert er in die vor ihm liegende Tastatur, die wie von Geisterhand bewegt den Bildschirm mit folgendem Text füllt:
„Hallo du, was soll das? Willst du, dass ich dir etwas vormache, Rollen spiele? Willst du das wirklich? Braucht es nicht Klarheit und Ehrlichkeit, Zeit und Vertrauen? Was ist los mit dir?“
Ab die Mail. Senden!

Er vergisst die Überweisung und flippert nervös mit seinem Lieblingsspiel, um sich zu entspannen.

KLING, die schnelle Antwort:
„Du weißt, dass ich als Schauspielerin ständig Rollen spiele. Doch in der wahren Liebe will ich das nicht. Du kannst doch mal was Nettes schreiben, für mich, mein Glücksgefühl. … Sag mal, kannst du überhaupt richtig lieben? Du bist ein Mann mit schwieriger Kindheit, wie du bei unserem Treffen sagtest. Willst du es lernen? Ich kann dir dabei helfen. Lass´ dich einfach drauf ein!“
Er antwortet sofort:
„Dein Kuss, der war wunderschön. Ich würde dich gern bald wiedersehen“.
„Ja, dann komm sofort, ich zeige dir die erste Lektion in Liebe. Die wird dir gefallen und Kraft geben zum Leben“.
„Ja, ich komme!“
Er schaltet den PC aus, rennt in die Garage, schwingt sich auf seine Enduro, gibt Gas, schreit in den Fahrtwind: „Ja, ja, ich will“, und rast in einen Straßengraben.

Als er am nächsten Nachmittag aus dem Koma erwacht, sitzt sie neben seinem Krankenbett, hält ihm die Hand und lächelt.
Beim Abschied sagt sie:
„Lektion Nummer 1: Man sieht nur mit dem Herzen gut“, und drückt ihm ein kleines Buch von Antoine de Saint-Exupéry in die Hand.



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Kommentare zu diesem Text

kipper (34)
(22.09.23, 08:46)
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 lugarex meinte dazu am 22.09.23 um 08:57:
...wie wäre es mit einem Stock, der man auch zum Prügel benutzen könnte? Oder gleich zwei Krücken, damit es besser geht? (Das Schlagen, meine ich, nicht das Gehen!)

 uwesch antwortete darauf am 22.09.23 um 10:01:
lugarex: Oje   Dank Dir für Kommi und Empfehlung.
LG Uwe

Kipper: Wo ist in dem Text etwas von einem 80-Jährigen die Rede? Kopfschüttel :ermm:

Antwort geändert am 22.09.2023 um 10:04 Uhr

 harzgebirgler (22.09.23, 10:21)
liebe macht selbst des herzens augen blind
falls es denn überhaupt je welche sind
quasi so wie hühneraugen
die zum sehen auch kaum taugen. :D lg vom harzer

 uwesch schrieb daraufhin am 22.09.23 um 11:44:
Doch Hühner finden auch mal Korn.
Dank Dir für Kommi und Empfehlungen. LG Uwe
kipper (34) äußerte darauf am 22.09.23 um 12:08:
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 Dieter_Rotmund (22.09.23, 13:06)
Täter-Opfer-Umkehr?

"Enduro"? Sagt man das heutzutage noch?

 uwesch ergänzte dazu am 22.09.23 um 14:15:
Die "Enduros" gibt es durchaus noch und hat ihre Liebhaber. Sie ist vor allem auch für längere Strecken tauglich. Somit auch auf dem Lande üblich.
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