Die Kaiserliche Konkubine

Geschichte zum Thema Abenteuer

von  Elisabeth

Dieser Text ist Teil der Serie  Leuvenhooks Abenteuer im Sonsyst

Für die Dragon und ihre Besatzung war das kein Tag wie jeder andere. Das erste Mal war ein Zivilist auf der Brücke! Und die Männer scharten sich um die Frau, anstatt an ihren Kontrollpulten für den Digitalfunk, die Steuerungsdüsen und den Hauptantrieb zu sitzen. Die freudig erregte Stimme des sonst so ruhigen Kapitäns der Dragon konnte man bis auf den Gang hinaus hören, wo der Rest der Mannschaft in der offenen Tür zur Brücke stand und die Hälse reckte, um so viel wie möglich mitzubekommen.

CPO Leuvenhook betrachtete die Szene aus einigen Metern Entfernung mit mühsam zur Schau getragenem Gleichmut. Da er noch eine Sendung in der Feldpost-Verteilerzentrale Luna-Port hatte abholen müssen, war nicht er es gewesen, der die Frau an Bord willkommen geheißen hatte. Er konnte sich nur damit trösten, daß ihm über kurz oder lang jeder Passagier für die Transferdoks Rede und Antwort stehen mußte - denn ein RSN-Kurier war schließlich kein ordinäres Passagierschiff.

"Wie nieeelich!" hörte man den Cheffunker rufen - untermalt von einem hohen Kieksen, das keiner menschlichen Kehle entstammen konnte.

Das Kieksen wurde zu einem Krähen und das Krähen übergangslos zu herzzerreißendem Geschrei. Die Leute an der Brückentür wichen beiseite und ließen MSM Mallah, für den Mutterschaftsurlaub außer Dienst gestellter Zweiter Funker der Dragon, passieren. Sie war etwas runder, als Leuvenhook sie in Erinnerung hatte - und in den Armen trug sie ein kleines, strampelndes Bündel, die Quelle des ohrenbetäubenden Geschreis, das zweifellos das gesamte Hauptdeck der Dragon erfüllte. Wahrscheinlich hatte sie es nur dem Interesse an diesem kleinen Schreihals zu verdanken, daß sie in das Allerheiligste der Dragon vorgelassen worden war.

Ohne ein Wort der Begrüßung, ja ohne auch nur den Blick von dem Kind zu wenden, ging Mallah eiligen Schrittes an Leuvenhook vorbei, den Flur entlang in den 'Postbox'.

Leuvenhook war etwas pikiert, von seiner Kollegin a.D. ignoriert zu werden, aber da ihn seine Pflichten ohnehin in die Funkkabine führten - und Mallah ihn in der Enge der 'Postbox' sicher nicht übersehen konnte - gab es für sie eine weitere Chance, ihn nach dem halben Jahr Abwesenheit von Bord angemessen zu begrüßen.

Mallah hatte in den wenigen Augenblicken Vorsprung bereits die spärliche Ausstattung des Raumes für ihre Zwecke genutzt. Die Schublade unter dem Brett vor dem Lastrefu war herausgezogen, das RTG mit dem Rücken nach oben aufgeschlagen darübergelegt, mit einer gepolsterten Plasticauflage teilweise abgedeckt und nun wurde der Säugling noch auf diesen improvisierten Wickeltisch gelegt.

In dem Moment verstummte das Geschrei so plötzlich, als hätte man es abgestellt. Zuerst reckte sich das Kind, dann bog es den Rücken weit durch, und schließlich half es durch Strampeln, die nassen Windeln loszuwerden. Dabei sah es sich mit weit aufgerissenen Augen um. Nur kurz waren seine Mutter und Leuvenhook von Interesse, denn ein 'ping' des Lastrefu veranlaßte es, den Kopf weit in den Nacken zu legen, um die blinkenden Lichter hinter sich zu sehen.

Als Mallah ihre neugierige Tochter wickelte, erzählte sie von ihrem Mann, der auf einer Ringorsta als Verhüttungs-Ingenieur arbeitete, den letzten Wochen der Schwangerschaft allein auf Terra und den ersten Monaten nach der Geburt, von den Großeltern des Kindes und ihrer Absicht, ihrem Mann nun einen Überraschungsbesuch abzustatten. Dann nahm sie das frisch gewickelte Kind auf einen Arm, rollte die Unterlage zusammen und setzte sie sich auf den Dienststuhl, bevor der verdutzte Leuvenhook protestieren konnte. Die zusammengerollte Unterlage auf dem Oberschenkel, legte sie den Unterarm darauf ab, auf dem das Kind lag, machte mit der anderen Hand ihre Brust frei und begann, das Kind zu stillen.

Leuvenhook dachte zuerst, er sähe nicht richtig, dann zog er zur Ablenkung schnell das Auftragsbuch hervor, um die Entgegennahme der Kaiserlichen Konkubine zu verzeichnen. Der Geruch der Milch erfüllte die ganze Funkkabine.

Während Leuvenhook sorgfältig alle Zellen der Zeile ausfüllte, verdrehte Mallah den Kopf, um auch einen Blick in das Auftragsbuch zu erhaschen. "Lebender Organismus in StaKi?" las sie mit, während Leuvenhook in das neben der improvisierten Wickelfläche aufgeschlagene Auftragsbuch schrieb. "Sind die Dinger nicht wahnsinnig teuer? Wer leistet sich denn sowas?"

"Der Marquis de Saint Julie. Es ist ein Geschenk für einen der Frontgeneräle... Otto von Alten... mark." Leuvenhook mußte für den Namen auf den Begleitpapieren der Kaiserlichen Konkubine spicken. "Deswegen werden wir außerplanmäßig den Raumkreuzer des Generals anfliegen, der irgendwo im Orbit um den Mars sein muß."

Nach einer guten Weile war Mallahs 'Brüstling' - wie sie ihre Tochter nannte - gesättigt und eingeschlafen. Nach Ausfüllen der Transferdoks unterhielten sich Mallah und Leuvenhook darüber, welchen Wandel der heraufziehende Krieg für die Aufgaben eines Verbindungsoffiziers mit sich brachte - und wie teuer reguläre Linienflüge geworden waren. Mallah erzählte, daß es ihr durch ihre guten Kontakte zur Flugplanung der RSN gelungen war, die Mitfahrgelegenheit an Bord der Dragon zu ergattern.

*


Einige Stunden später pfiff es aus der Gegensprechanlage, der Raumkreuzer Gloria Imperatoris sei jetzt in Flextu-Reichweite. Leuvenhook schnappte sich den Quittungsblock und eilte in den Laderaum, um mit der StaKi an Bord des Kreuzers zu gehen. Die Luxus-StaKi hatte natürlich eine Schwebeeinheit, die das problemlose Navigieren durch den Flextu erlaubte. Leuvenhook, der der chromglänzenden Kiste durch die gelbe Plasticröhre folgte, fand, daß das Klebeband mit dem Feldpost-Logo ausgesprochen fehl am Platze wirkte.

Während seines Ganges memorierte Leuvenhook noch einmal den Grußtext, den er auftragsgemäß persönlich vortragen mußte, hoffte aber im Stillen, daß man ihn gar nicht bis zum General vorlassen würde.

Leuvenhooks Hoffnung wurde jedoch enttäuscht. Nach einem Blick auf die Begleitpapiere geleitete man ihn sofort in die Kommandozentrale. Dort saßen der General und seine Stabsoffiziere um einen Geländetisch, schoben Figürchen in imperialen Raumanzügen hin und her und diskutierten darüber, welche Einheit als wievielte Angriffswelle gegen die marsianischen Rebellen zu schicken sei. Leuvenhooks Eintritt wurde zunächst nur durch ein kurzes Aufblicken des Generals quittiert, aber als der Adjutant einige Worte in von Altenmarks Ohr flüsterte, gebot der seinen Offizieren eine Pause, in der sie ihre Pläne noch einmal überdenken sollten und winkte Leuvenhook zu sich.

Leuvenhook gehorchte, ging in Gedanken noch einmal den Text der Grußbotschaft durch, und salutierte dann vor General Otto von Altenmark.

"Seine Exzellenz, der Marquis de Saint Julie, oberster Militärberater und Stratege Seiner Majestät, sendet Euch die herzlichsten Glückwünsche zu Eurem fünfundzwanzigjährigen Dienstjubiläum", deklamierte Leuvenhook feierlich. "Und zugleich sendet er Euch die Kaiserliche Konkubine aus seinem Rosengarten, da Ihr sie bei Eurem letzten Besuch so bewundert habt." Mit der Fernsteuerung lenkte Leuvenhook die StaKi, die er neben der Tür abgestellt hatte, an den Offizieren vorbei und um den rotbesandeten Geländetisch herum, bis sich die gut einen Meter zwanzig hohe Kiste ebenfalls vor dem General befand. Dann senkte er sie ab und löste die Verriegelung des Rollos vor dem Sichtfenster, so daß der in Stasis befindliche Rosenstock mit den gelbweißen Blüten sichtbar wurde.

"Mit den besten Wünschen." Leuvenhook verneigte sich und trat die ihm angemessen scheinenden zwei Schritte zurück.

*


Der General hatte sich über das Geburtstagsgeschenk offenbar tatsächlich gefreut, denn er gewährte Leuvenhook die Gnade eines eigenhändigen Händedruckes und ein nicht unfreundliches "Guter Mann!", bevor er ihn wieder an Bord der Dragon entließ.

* * *




Anmerkung von Elisabeth:

Diese Geschichte habe ich 2000 geschrieben.

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Kommentare zu diesem Text


 Rosalinde (21.10.23, 13:48)
Liebe Elisabeth,

beim Lesen hatte ich den Eindruck, dass du sehr gut Bescheid weißt, wie so ein Raumschiff ausgestattet ist. Leider bin ich derart über die technischen Detail gestolpert, dass ich ganz vergessen habe, worum es bei deiner Geschichte überhaupt geht. 

Überleg mal, ob du nicht doch einige Details der Technik einfach nicht erwähnst oder sie so benamst, dass man sich als unbedarfter Leser z. B. unter einem StaKi was vorstellen kann. Da ich mir grundsätzlich keine Weltraumfilme ansehe, weil mit zuviel Technik überlastet und generell Spinne ist, worunter dann die eigentliche Geschichte leidet, und da ich bemerke, dass du ebenfalls die Technik zum Mitspieler machst, entlässt du mich völlig ratlos aus der Geschichte, was die Handlung angeht. Der Text scheint mir außerdem Ausschnitt eines größeren Werkes zu sein? Wer hat zum Beispiel das Baby gemacht, einer der Anwesenden? Oder ist es sogar ein synthetisches Baby? Bei Science fiction weiß man das ja nie so genau. Und welche Rolle spielt in dem Text die kaiserliche Konkubine? Was ist der Leuwenhook für einer?

Das einzige, wozu ich mich äußern kann, ist das Sprachliche, das mir sehr zutreffend erscheint, wie man eben auf einem Weltraumschiff so kommuniziert. Genau weiß ich das natürlich nicht, aber so könnte es sein. Stelle ich mir einfach mal vor.

Vielleicht solltest du besser den menschlichen Faktor in den Mittelpunkt der Geschichte statt des technischen stellen? Es ist nämlich nicht nur das Technische, was mich an der Geschichte so irritiert hat, sondern vor allem, dass es keine Hinweise auf die Personen und ihre Stellung zueinander gibt. Und wenn, dann fehlt die Vorgeschichte. 

Aber das ist Science fiction, und da kann ich nicht mitreden. Wenn aber dies ein selbstständiger Text ist, dann musst du auch die technische Seite des Metrums Geschichte unbedingt beachten. Und das ist es, was mir hier zu fehlen scheint. Aber ich kann mich natürlich irren, es ist alles da, und ich sehe es vor lauter StaKI u. a. nicht. 

Lieben Gruß, Rosalinde

Kommentar geändert am 21.10.2023 um 13:52 Uhr

 Elisabeth meinte dazu am 21.10.23 um 23:30:
Hallo, liebe Rosalinde,

ganz herzlichen Dank für Deinen Kommentar.

Ja, schuldig im Sinne der Anklage. Aber ich versuche mal, ein bißchen Licht in das Dunkel zu bringen:

1. Die Abkürzungen für die technischen Geräte sind nicht allgemein 'Science Fiction'-Abkürzungen, sondern viel schlimmer: meine Abkürzungen in der von mir erfundenen Sprache Newsprec, die die offizielle Amtssprache in meiner Science Fiction-Welt ist. Es gibt dazu auch ein Lexikon, das ich auf meiner Webseite bei den Geschichte immer mit verlinke, um das Problem des Unverständnisses gar nicht erst aufkommen zu lassen. Hier fehlt es nun.

2. Die Technik ist gar nicht wichtig - das ist arkanes Gefasel, für das Hintergrundrauschen, damit es sich nach Weltraum oder so anfühlt. Das machen meines Erachtens fast alle Science Fiction-Autoren, Filme und Serien.

Die StaKi (Stasis-Kiste) ist einfach eine Kiste, so eine Art Kühlschrank. Der Lastrefu (Langstreckenfunk) ist das Funkgerät und allgemein funktioniert für mich ein Raumschiff wie ein Schiff oder eher wie ein U-Boot, weil es ja nichts mit raus an Deck ist, während der Fahrt. Denn woher soll ich denn wissen, wie ein Raumschiff wirklich funktioniert? Nur aus Romanen und dem Fernsehen. Daß ich dann weiß, wie es auf dem Raumschiff aussieht und zugeht ist klar, ich habs ja erfunden und mache die Gesetze - und die Hygienevorschriften.

3. Die Raumschiffbesatzung besteht aus Seriencharakteren. Ich habe inzwischen zehn Geschichten geschrieben, die an Bord dieses Raumschiffes spielen. Eine andere ist auch hier auf kv - 'Turbulenzen' -  in der man Leuvenhook, den (Hilfs-)Funker und Verbindungsoffizier (im Prinzip einen besseren Post- und Paketboten) mehr oder weniger privat und im Urlaub kennenlernt. Die anderen Mannschaftsmitglieder kommen darin nicht vor.

Inhaltlich: Das Baby kommt nur in dieser Geschichte vor, der Vater ist Verhüttungsingenieur auf einem Asteroiden, die Mutter mit Kind auf dem Weg zu ihm. Eigentlich arbeitet die Mutter als Kollegin von Leuvenhook in der Funkkabine und ist aktuell im Mutterschutz und privat an Bord (mit Tochter). Also kein synthetisches Baby.

Die Kaiserliche Konkubine ist ein Rosenstock, der per Post an den Empfänger geht, in dem schwebenden Kühlschrank, damit er gut ankommt. Natürlich spiele ich hierbei mit der Erwartungshaltung des Lesers. Eine Kaiserliche Konkubine ist weiblich, da ist ein weiblicher Charakter auf der Brücke, könnte ja... ne, isses aber nicht, das ist die Kollegin von Leuvenhook, die Mallah heißt.
Dann die Frage, was ist in dem Kühlschrank: eine Frau? Der Name 'Kaiserliche Konkubine' läßt ja nicht von sich aus auf eine Rose schließen. Das löst sich am Ende der Geschichte auf, wenn das Rollo hochgefahren wird.

Die Kaiserliche Konkubine dient hier also nur als der Kit, die ganze Geschichte zusammenzuhalten und die Erwartungshaltung des Lesers ein bißchen in die Irre zu führen.

Und ansonsten haben wir Leute: die Kollegen in der Funkkabine, die plötzlich durch das Kind und seine Bedürfnisse in eine fast peinliche Situation kommen, auch wenn der Mutter das völlig egal ist, das Kind geht halt immer vor.

Dann die Überreichung des Geschenkes von einem hohen Militär an einen General, durch den der Bote für einen Moment in den Fokus der Mächtigen gerät, was ihm auch eher unangenehm ist - aber immerhin ist er auf der Arbeit und bleibt auch ganz professionell.

Gedacht sind die Geschichten eigentlich so, daß sie auch außerhalb der Serie allein für sich stehen können - aber da habe ich wohl falsch gedacht.

Was den Bau der Geschichte betrifft: da ist nicht viel Geschichte im eigentlichen Sinne. Es sind Szenen eines (Berufs-)Alltages, diesmal bestimmt von einem Passagier mit Baby und der Lieferung einer Rose namens 'Kaiserliche Konkubine'. So ein bißchen wie in einer Vorabendserie, die auf der Arbeit von Leuten spielt. Es darf in der Staffel keine größeren Änderungen geben, also stirbt keiner, aber immer passiert irgend eine Kleinigkeit, die einige der Charaktere beschäftigt und in jeder Folge läuft einmal der Mann mit dem Spleen durch eine Szene und die Frau, die sich immer telefonisch beschwert, kommt auch jedesmal vor.

Andere (vor allem anderer Autoren) Science Fiction Geschichten haben mehr Handlung, aber wenn man die Technik einfach ausblendet, verpaßt man nichts wirklich Wichtiges. Wenn irgendwas Technisches tatsächlich für eine Geschichte wichtig ist, gibt es immer eine Szene, in der zum Beispiel die Ingenieurin dem Krankenpfleger in einfachen Worten erklärt, warum dies oder jenes gefährlich ist.

Ich hoffe, damit konnte ich Dir weiterhelfen.

Noch einmal herzlichen Dank, daß Du die Geschichte gelesen hast und noch einmal meine Entschuldigung, daß ich auch noch Hürden errichtet habe, ohne es zu merken.

Ganz liebe Grüße von Elisabeth / Bettina
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