Messa voce

Kurzgeschichte zum Thema Ende

von  RainerMScholz

Dämmernd scheint durch die hohen Fenster das Licht; es riecht nach erloschenen Kerzen und dem Schweiß alter Leute; in den Bänken liegen zerlesene Gesangsbücher, ein vergessener Strickschal ist in eine Ecke geknäult; die seifigen, ausgetretenen Dielen knirschen hier und da in den Spanten, ohne dass jemand sie beträte. Im Kirchenschiff schaukelt das Kreuz.

Er hat den jungen Ministranten gesehen, der die Utensilien der letzten Eucharistie beseitigt, und er tritt behutsam, als schliche er auf leisen Pfoten, an ihn heran. Seine Hände recken sich zu diesen mageren Schulter und er möchte, er möchte so gerne, so gerne möchte er – lieben. Wie es die anderen tun. Wie von selbst umschlingen die Hände besitzergreifend diesen weißen schlanken Hals, der junge Mann scheint zu erschauern unter seinem Messdienergewand und erstarrt dann. Der Pater Diakon drückt seinen Körper gegen den des Jungen. Sein Glied wird steif. Er hebt das Messgewand und drückt seine scheinbar unwillkürliche Erektion an den Hintern seines Messdieners, er umgreift ihn ganz und gar. Da stöhnt es plötzlich krächzend und raucht dunklen Qualm und wie Hörner schießt es aus dessen Haupt, das sich nun um 180 Grad auf dem Halse dreht und den Pater anschaut mit echseniridischen Augen über spitzen Zähnen, zwischen denen es spricht:

Du steckst mir deinen Schwanz in den Arsch und tief verbleibt er im Mastdarm mir, bis er die Soße spritzt so weiß und klar; und dann umschließe ich deinen Pfahl und drehe mich und wirbele, ich drehe mich und wirbele um deine Leibesmitte, dass er abreißen mag für immer von deiner Hüfte; dann stoße zu Boden ich dich und öffne deinen verdorbenen Mund, der des sonntags lobt den Herrn lauthals und heimlich doch lästert seine Welt, zerklappe den Kiefer dir, dass hineinpasst, was ich entleere und scheiße aus meinem Anus: deinen Schwanz und meinen Kot, Pastor, Pater und Diakon des Einen, so wahr mir Gott helfe.

Entsetzt und lautlos schreiend starrt der Pater den Ministranten an, welcher nun, verlegen lächelnd, sich blond herumdreht, einen Kerzenständer in der Hand, um seinen bestürzten geistlichen Führer am Boden liegen zu sehen und begriffsstutzig seine Hilfe anzubieten. Doch dieser rennt und stürzt durch die marmornen Flure und Gänge, flieht zwischen den Säulen und Heiligen und Gemarterten aus Gips und Gold der Krypta zu, die Stufen hinab, und ward nie wieder gesehen.

Im Hintergrund flackert die Hostie im Tabernakel, das Fleisch des Herrn, ganz still und gelb und kupferfarben.



© Rainer M. Scholz



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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (28.12.23, 09:29)
Weihnachts-Ekel?

 RainerMScholz meinte dazu am 02.01.24 um 14:09:
Das Eierabreißen an Ostern kommt auch bald.
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