Sehnsucht und Unsicherheit

Es ist Freitag, ein Spätsommerabend mit dunklen Wolken am Himmel. Der Herbst kündigt sich mit stürmischen Böen an. Am Abend wird etwas geschehen, das man ein Ding der Unmöglichkeit nennt, weil es sich aus mehreren Zufällen ergibt, die im genau richtigen Moment zusammenwirken.
Gudrun, eine junge Frau, überwindet ihre Angst vor größeren Menschenansammlungen und beschließt auf das Winzerfest zu gehen. Mit einem Glas Weißherbst lässt sie sich an den Rand eines langen Tisches im großen Festzelt nieder. Eine alte Schulfreundin setzt sich nach einiger Zeit zu ihr und sie unterhalten sich über die Männer, die sie noch als Jungen aus ihrer Schulzeit kennen.
Jochen, einer von ihnen, steht jetzt zufällig hinter ihnen und lauscht überrascht dem Gespräch. Es wird auch über ihn geredet. Er glaubt bei Gudruns Erzählungen eine gewisse Bewunderung für ihn zu hören. Auch eine kleine Sympathie oder sogar Zuneigung. Aber es lauern auch Eisschichten darin, als wenn ein althergebrachter und starrer Standpunkt ihre Worte umhüllen.
Plötzlich spürt sie, dass jemand hinter ihnen steht, und dreht sich um. Jochen schaut schnell weg und nichts an seiner Haltung kann man als Verlockung deuten. Trotzdem fühlt Gudrun sich zu ihm hingezogen. So wie man bei besonders trübem Wetter den Drang spürt, die Wärme von etwas Vertrautem zu suchen.
Sie ruft etwas verhalten: „Hallo Jochen.“
Er mimt den Mann, der nichts gehört hat, und geht langsam an das andere Ende des Zeltes. Sie steht auf und folgt ihm. Er spürt das, bleibt stehen und sagt:
„Hallo Gudrun, schön dich mal wieder zu sehen.“
Nach dem Austausch von etwas Small-Talk bricht er das Gespräch plötzlich ab:
„Du, ich muss jetzt nachhause, da ich morgen früh ein wichtiges Fußball-Ligaspiel habe!“
„Ach schade“, meint sie, … „dann viel Erfolg.“
Auf dem Heimweg beschließt sie, sich am nächsten Morgen das Spiel anzuschauen, obwohl sie keine Anhängerin dieses Sports ist.