Das Glück in Prag

Kurzprosa zum Thema Erinnerung

von  BeBa

Welch ein Glück, und das weit weg von zuhause, hier in Prag. Weißt du, es war so ein Abend, an dem ich da saß in meinem Sessel, dazu ein, zwei Flaschen Wein, trocken, vermutlich Merlot. Da lief dann diese Doku über Prag und mir kam die Erinnerung, dass du dort aufgewachsen bist. Und ich habe doch richtig viel Zeit jetzt. Also den Koffer gepackt, los zum Bahnhof und schon fuhr der Zug ab. Mit mir. Nach Prag.

Welch ein Glück, dass ich am Abend diese Kneipe fand, mir bei zwei Halben Urquell die Schweinshaxe mit Kraut schmecken ließ und ich dann, der Kellner hatte den Teller bereits abgeräumt, doch noch sitzen blieb mit ein paar weiteren Halben und Becherovka.

Welch ein Glück, dass es mir nicht leichtfiel, mich aus meinem Stuhl zu erheben und der Kellner mir schon zu Hilfe kam. Ich kippte zurück, einmal noch sitzen, und der Kellner lächelte, er verstand mich, als würden wir uns seit Ewigkeiten kennen. Hören Sie, sind wir uns nicht schon irgendwo begegnet?

Welch ein Glück, dass ich noch einmal in den Stuhl zurückfiel, mir diesen Moment nahm, der Kellner sich stattdessen um einen anderen Tisch kümmerte.

Welch ein Glück, dass ich, als die Tür aufging, dich sofort erkannte, dir zuwinkte und du zu mir an meinen Tisch kamst. Bier wolltest du nicht, auch keinen Becherovka. Haben wir uns umarmt, irgendwie begrüßt? Wir saßen uns gegenüber, wir saßen nur so da. Nichts haben wir gesagt, was wäre auch passend gewesen? Urquell, Becherovka, du und ich. In dieser Stille, irgendwo in Prag.

Welch ein Glück, Papa, dass du mir in diesen Sekunden, Minuten oder Stunden so viel näher warst als damals, als du noch gelebt hast.


Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 AchterZwerg (07.10.23, 09:27)
Ein wunderbarer, überraschende Schluss!

Ach ja, Prag ... auch ich verbinde nur das Allerschönste mit dieser so quicklebendigen Stadt. :) 

Liebe Grüße
der8.

 lugarex meinte dazu am 07.10.23 um 10:23:
das ist MEINE STADT!

 BeBa antwortete darauf am 07.10.23 um 10:34:
Danke dir, 8er. Ja, die Stadt ist für mich etwas ganz Besonderes. 

Lugarex, meine auch, seitdem ich einmal da war. 

Wenn der Text auch Fiktion ist, so liegen meine Wurzeln tatsächlich zu 50% dort. 

LG euch und ein schönes Wochenende,
BeBa

 Rosalinde schrieb daraufhin am 07.10.23 um 17:55:
BeBa, ja, Prag ist eine schöne Stadt, besonders von oben, von Smichov, wie sie da im Tal liegt. 

Der Schluss deines durchaus realistischen Textes ist ein Bruch. Voll bis Unterkante Oberlippe, hat dein Ich Visionen gehabt. Naja, macht vielleicht jeder mal durch. 

Nun ist es aber so, dass man die Vision mit dem Traum gleichsetzen kann. Obwohl er dir die Vision abnimmt,
fühlt sich der Leser aber durch diesen Schluss doch ein
wenig an der Nase herumgeführt. Jedenfalls ging es mir so. 

Gruß, Rosalinde

 BeBa äußerte darauf am 07.10.23 um 22:19:
Moin Rosalinde,

so wie du habe ich den Text noch gar nicht gesehen. Ich glaube, ich weiß, was du meinst. Aber für mich ist dieser Schluss durchaus ok, aber jeder sieht und liest es anders.

Dane dir für den anderen Blickwinkel.

LG
BeBa

Antwort geändert am 07.10.2023 um 22:20 Uhr
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram