Kadmium bringt Enten um

Kurzgeschichte zum Thema Umwelt/Ökologie

von  Koreapeitsche

 

Der Familienvater hatte als Biologieprofessor einen Lehrstuhl für Zoologie an der Universität. Er hatte eine bildhübsche Tochter, die jedoch mit einem jungen Drogenabhängigen zusammen war, was den Familienvater nicht weiter störte, zumal er wusste, dass der Freund der Tochter nur leichte Drogen nahm, die Tochter hingegen keine. Beruflich beschäftigte er sich mit den Lebensräumen von Tieren an der Ostseeküste, und er forschte zur Reaktion von tierischen Organismen auf Industriegifte. Der Zoologe wohnte gar nicht mal weit vom Wasser, vielleicht nur 10 Minuten mit dem Auto entfernt. Schließlich trugen Anwohner eines Industriebetriebs Informationen an ihn heran, dass zwei kleine isolierte Gewässer nahe dem Badestrand durch Industrieabfälle kontaminiert seien. Die zwei Gewässer befanden sich zwar auf dem Industrieareal, galten jedoch als Biotop für regionale Tiere, vor allem für Enten und andere Wasservögel. Zudem bestand der begründete Verdacht, dass über Rohrsysteme die zwei Gewässer mit dem Meer verbunden seien. Vielleicht gingen die Rohre sogar bis in die Fahrrinne der großen Schiffe. Das Thema interessierte den Zoologieprofessor, und er wollte dran bleiben. Als er jedoch erfuhr, dass in den beiden Gewässern jahrelang Industrieabfälle versenkt wurden, vor allem Schwermetallabfälle aus einer alten Gießerei, entschied er sich dazu, dort Messwerte zu nehmen.  Er wusste, dass es Probleme geben würde, wenn er direkt bei der Firma um Erlaubnis fragte, denn es war zu vermuten, dass die sein Anliegen abblocken würden. Also ging er den Weg über die Politik und fragte zunächst im Landesumweltministerium. Von dort erhielt er Antwort, dass er bei der Stadtverwaltung im Umweltamt um Erlaubnis fragen solle und sich dabei auf das Umweltministerium berufen könne. Das tat er auch, und voila, er erhielt die Erlaubnis auf dem Industriegelände an besagten zwei Gewässern Wasserproben zu nehmen. Er arrangierte einen Termin mit der Firmenführung und stellte seinen Probenkoffer mit verplombbaren Probengläsern zusammen. Zu dem Termin war tatsächlich schönes Wetter angesagt. Er meldete sich an der Hauptpforte des Industriebetriebs, wo der Pförtner bereits über den Besuch informiert war. Ein Mitarbeiter vom Werkschutz führte ihn zu den zwei Gewässern und blieb während der Wasserentnahme in seiner Nähe. Der Professor brauchte insgesamt eine knappe Stunde, um seine Arbeit abzuschließen. Er nahm Proben an unterschiedlichen Stellen an beiden Gewässern in unterschiedlichen Wassertiefen. Er zog die Wasserproben direkt in verplombten Probengefäßen, die er in seinem Probenkoffer fest einsetzen konnte. Der Mitarbeiter führte ihn zurück zur Pforte und verabschiedete sich von ihm. Daraufhin fuhr der Zoologe direkt ins Labor an seinem Institut und übergab die Proben den Mitarbeitern. Es ging nur um die Schwermetalle. Basische und Acetat-Konzepte wurden nur am Rande untersucht, denn die entscheidenden Gifte waren für den Professor die Schwermetalle, denn sie lassen sich im Organismus nicht mehr abbauen und reichern sich sogar im Lebenszyklus an.

Nach einer Woche standen die Messwerte fest. Das Wasser war schwermetallverseucht, vor allem mit Blei, Kadmium, Zink, Zinn, Quecksilber und Thallium, dazu eine weitere Substanz, die das Labor intern zunächst geheim hielt, die aber später dem Umweltamt mitgeteilt werden sollte. Schließlich wurden die Messwerte in einem Laborbericht zusammengefasst, um sie dem Umweltamt vorzulegen. Nach Fachexpertise des Professors müssten die Schwermetallabfälle komplett geborgen und als Altlasten gelagert werden. Doch es kam anders. Nachdem der Professor die Messwerte im Rathaus abgegeben hatte, verschwanden sie zunächst in einer Schublade. Niemand wurde beauftragt, eine Bergung der Gifte in Angriff zu nehmen, niemand informierte die Presse, um die Bevölkerung zu warnen, dass auf dem Industriegebiet etwas im Argen lag. Da schien jemand seinen Fuß vorzuhalten. Der Professor hatte bisher die Messwerte und deren Auswertung aus der eigenen Kasse finanzieren müssen und hoffte, aufgrund der Dringlichkeit das Geld bald ersetzt zu bekommen. Doch die Stadt ließ ihn allein, und auch auf mehrfache Nachfrage wurde die Lösung weiter auf die lange Bank geschoben. Das schlug dem Professor auf den Magen, er fragte beim Umweltministerium, doch die wälzten  die Verantwortlichkeit an das Umweltamt im Rathaus ab. Da wurde der Professor krank. Er musste Mitarbeiter entlassen und wurde depressiv. Darüber hinaus mussten die Wasserproben demnächst entsorgt werden. Der Stresslevel wurde immer größer, und es brach Streit am Institut aus, da es immerhin um ein verseuchtes Industrieareal ging, dass sich in der Nähe eines Badestrandes befand, an dem im Hochsommer auch Kinder spielten. Schließlich starb der Professor an einem Herzinfarkt.

Es gab ja immer noch Mitwisser, die von dem giftigen Bestandteilen wussten. Auch die rieben sich auf, und es wirkte, als seien die städtischen Mitarbeiter ein Teil des Industriebetriebs, so professionell wiegelten sie die Anfragen ab. Da kam ein neuer Professor an das Institut, der alle eingeweihten Mitarbeiter entließ und eine ganz neue Personaldecke schaffte. Inzwischen ist Gras über die Sache gewachsen. Die Messwerte wurden inzwischen vernichtet.



Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram