Ich

Innerer Monolog zum Thema Selbsterkenntnis

von  IngeWrobel


Noch trage ich die ungelebten Träume in das Morgen,

und breche mit der Stunde Ton, der ungebührlich klang.
Ich zweifle an dem Heute, weil das Gestern nicht gelang,

und möchte mir vom Übermorgen die Minuten borgen.

 

Ich hör‘ mein eignes Jammern über längst vergossne Tränen,

entferne alte Asche, die der Wind bereits verweht.

Ich klamm‘re mich an Leben, das schon lang nicht mehr besteht

und lache über Greise, die sich in der Kindheit wähnen.

 

Noch lass‘ ich mich verwirren von bestechenden Diktionen

und schiele nach dem Status, der mir selbst noch nicht gebührt.  

Ich bin – von fremdem Glanz geblendet – allzu schnell verführt

und flüchte mich gedanklich  in abstruseste Fiktionen.

 

Ich bin so losgelöst, dass ich in Wahrheit nicht erkenne:

Ich kann die von mir selbst gesteckten Ziele nie erreichen,

und gehe zur Befriedigung, wenn‘s sein muss, über Leichen

und staune, dass ich dennoch nie den Tod beim Namen nenne.

 

Wenn ich mein ganzes Leben lang mich noch so sehr verbiege,

mach mich zum Anwalt eines nie gelebten Lebens,

weiß ich doch insgeheim, dass mein Bemühen stets vergebens,

so lang ich nicht den innren Schweinehund besiege.

 

 

 ©  2008-02-14 (Wir) – Neufassung 16.01.2024 





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Kommentare zu diesem Text


 Redux (17.01.24, 12:04)
Ein handwerklich hervorragendes Gedicht. Und ich bin überzeugt,  dass sich jeder Mensch so oder so wiederfindet. Gut ab, Inge!
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