Frühstücksfernsehen und tiefe Sorge

Glosse zum Thema Welten

von  eiskimo

Frühstücksfernsehen, das sieht bei meiner Frau und mir so aus, dass wir beim Frühstück über Fernsehen reden - meist über das, was wir am Vorabend gesehen haben.

Zum Beispiel „Der Bergdoktor“. Neben der medizinischen Weiterbildung, die Dr. Martin Gruber uns da jeden Donnerstagabend hautnah injiziert, hat uns heute die Frage umgetrieben, ob dieses ZDF-Format die Gesellschaft nicht weiter spaltet – noch weiter spaltet, als gerade zu beobachten.

Wo sind beim „Wilden Kaiser“ die unterbezahlten polnischen Saisonkräfte? Wieso hat das  Krankenhaus Elmenau keine Ärzte, Schwestern oder Pfleger mit Migrationshintergrund? Weiß sind da nicht nur die Kittel, es ist dort auch penetrante Leitkultur! Preisfrage: Welche Farbe hat wohl die omnipräsente Gruber-Milch?

Ich mache mir bei dieser so monokulturellen Welt ernsthafte Sorgen, zumal auch die Wohnverhältnisse aller Haupt- und Nebendarsteller konsequent das deutsche Idealbild von lichtdurchflutetem Luxus vorführen, von den Premium-Autos made in Germany, die unsere Helden von Alm zu Alm transportieren, noch ganz zu schweigen.

Nein, dieses Format ist politisch hochgradig unkorrekt. Es will eine deutsch sozialisierte Zuschauer-Gemeinde in seiner folkloristisch klargespülten Heimat-Fixierung bestätigen, und das in offenem Affront zur multi-kulturellen Realität. Millionen Zugewanderte im Lande können gar nicht anders als sich ausgegrenzt fühlen.

Was müsste das ZDF tun?  Ganz einfach, da waren uns heute meine Frau und ich spontan einig: Der nächste „Bergdoktor“ muss in Anatolien spielen. Oder wenigstens in den Karpaten. Medizinische Rundumversorgung, wie sie Dr. Gruber so charmant vorführt, die ist kein deutsches Privileg. Wohltäter, die auf Knopfdruck Krankenhausbetten reservieren und auch mal selber schnell am OP-Tisch aushelfen, die gibt es garantiert auch in uns unbekannten Bergwelten. Dorthin möchten wir integriert werden. Und statt der Gruber-Milch nähmen wir auch Ziege oder Schaf.




Anmerkung von eiskimo:

Betrachtet man unter diesem Blickwinkel die im Fernsehen ausgestrahlte Werbung, dann ist dort die real existierende "mixité" längst vorhanden. Bei Fußballübertragungen sind die Deutschen gar schon eine Minderheit.

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Kommentare zu diesem Text


 Agnetia (08.03.24, 11:11)
ich finde die Talk-Shwos viel schlimmer, in denen eine Kriegshysterie verbreitet wird, wie wir sie seit Hitler nicht hatten.

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 25.03.24 um 12:37:
Liebe Agnetia, was hat das mit dem Thema des Textes zu tun?

 AZU20 (08.03.24, 17:58)
Ziege oder Schaf? Ich nicht. LG

 Regina (09.03.24, 07:12)
Ich ziehe mir diesen ganzen Mist nicht mehr rein. Gruß Gina

 eiskimo antwortete darauf am 09.03.24 um 08:43:
@Agnetia und Regina

Der "Mist" ist sehr erfolgreich, ein absoluter Quotenbringer. Das muss man sich nicht angucken, klar. Aber welches Bild der Gesellschaft wird da transportiert? Eine Idealvorstellung? Heimat??
Und polieren die Macher dieser Serie das bewusst so zurecht?
LG
Eiskimo

 Regina schrieb daraufhin am 09.03.24 um 11:27:
Das kann gut sein, dass über solche Sendungen ein bestimmtes Weltbild vermittelt werden soll.
kipper (34) äußerte darauf am 09.03.24 um 11:40:
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kipper (34) ergänzte dazu am 09.03.24 um 11:40:
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 eiskimo meinte dazu am 09.03.24 um 13:04:
Ich stimme Dir weitgehend zu. Was ich mich frage: Sind das wirklich ungelernte Pfuscher, die solche Formate feinpolieren, oder hat die Besetzung mit nur  "Vorzeige-Deutschen" Methode.
Die "Lindenstraße" war in der Frage ja diametral entgegengesetzt orientiert.
Grüße aus dem Altersheim
Eiskimo
kipper (34) meinte dazu am 09.03.24 um 15:48:
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 Quoth (24.03.24, 11:04)
@eiskimo: Die Lindenstraße (1985-2018) war für ein im Durchschnitt viel jüngeres Publikum konzipiert und wurde sicherlich auch beendet, weil dieses Publikum an die Streaming-Dienste verloren ging. Außerdem wurde sie vom "roten" WDR produziert. Ich kenne unter meinen Kindern und deren Freunden keine, die noch das Fernsehprogramm einschalten; in der wöchentlich unserer Lokalzeitung beigelegten Fernsehprogrammzeitschrift wimmelt es von Schmerzmittel-, Treppenlift- und Kreuzfahrtwerbung ... Die "saubere" Welt der ZDF-Unterhaltung ist professionell so gestaltet und soll so sein, das sinkende Schiff des linearen Fernsehens kämpft um die letzten Ratten, die es noch nicht verlassen sollen!

 Judas meinte dazu am 24.03.24 um 11:46:
Gute Beobachtung. Ist mir auch schon aufgefallen, wie die Fernsehprogrammzeitschriften sich geändert haben - nicht nur das Fernsehen - es ist klar, wer das überhaupt noch konsumiert und auf die jenigen wird dann eben das Programm zugeschnitten.
Fernsehen kann man echt nicht mehr schauen. Maximal noch so 'ne Tier- oder Zoodoku.

 Judas (24.03.24, 11:44)
Auf Netflix gibt's zZ die Schweizer Drama-Serie "Neumatt". Die ist allein deshalb schon so sehenswert, weil sie auf den ersten Blick wie eine dieser Heimatserien (Sohn, erfolgreich in der großen Stadt, muss zurück in's Heimatdorf und den Familienbauernhof retten) aussieht aber eben all das NICHT ist und diese "polierte Heimat" komplett verzerrt.

 eiskimo meinte dazu am 24.03.24 um 15:50:
Guter Tipp, Danke!
Wir sind hier über die Mediathek mehr auf skandinavische Serien abonniert, den "Bergdoktor" gucken wir als Comic....

 Judas meinte dazu am 25.03.24 um 11:08:
Ohja, sowieso. Das kann unfassbar amüsant sein. Freund von mir macht Regie für "Dahoam ist dahoam", der kann auch Sachen erzählen... :D

Antwort geändert am 25.03.2024 um 11:09 Uhr
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