Taking Oneself Off #2

Essay zum Thema Tod

von  Graeculus

3. Die Müdigkeit

Kurt Tucholsky wollte Nationalismus und Militarismus überwinden, also die liberale Weimarer Republik verteidigen, und damit ist er spätestens im Moment der nationalsozialistischen Machtergreifung gescheitert. Wollte er nicht, wie sein Freund Carl von Ossietzky, im Konzentrationslager landen, dann blieb ihm nur das Exil. Er wählte Schweden. Aber der Kampf hatte alle seine Kräfte gekostet, und keine Hoffnung auf einen Erfolg hätte ihm die Batterien wieder aufladen können. Tucholsky war müde – nicht von einem auf den anderen Tag, dann hätte ein ergiebiger Schlaf Besserung versprochen, sondern als Bilanz der Mühen seines Lebens. Eindeutig sah er dies als Resultat einer längeren Entwicklung, denn er zeichnete dazu eine Treppe:


wNKrS5DfKszcAAAAABJRU5ErkJggg==


Und er schrieb: „‚O – Angst‘ ... nicht vor dem Ende. Das ist mir gleichgültig, wie alles, was um mich noch vorgeht, und zu dem ich keine Beziehung mehr habe. Der Grund zu kämpfen, die Brücke, das innere Glied, die raison d’être fehlt. Hat nicht verstanden. Wünscht Ihm alles, alles Gute - und soll verzeihen.“
Ihm? So sprach er seine Frau an – vielleicht auch dies ein Zeichen der Distanz, der verlorengegangenen raison d’être.


„I got new eyes / Everything looks far away”, singt Bob Dylan am Ende von „Highlands”. Die Müdigkeit am Ende auch eines kämpferischen Lebens läßt alles fern erscheinen. Schon ein Blick ließ Tucholsky seufzen: ein Blick auf den „Kalender auf dem Tisch, mit Neujahr, Hundstagen und Silvester, und das muß alles noch gelebt werden - welche Aufgabe!“



4. Das Verantwortungsbewußtsein gegenüber dem Mitmenschen

Die Schriftstellerin Virginia Woolf litt an Depressionen. Dagegen kämpfte sie an, soweit das einem depressiven Menschen möglich ist. Die therapeutischen Hilfsmittel sind noch heute, da sich Depressionen geradezu endemisch ausbreiten, beschränkt; damals waren sie es erst recht. Und selbstverständlich leiden auch die Angehörigen mit, gerade diejenigen, denen man in Liebe verbunden ist. Als sich bei Virginia Woolf ein neuer Schub ihrer Krankheit ankündigte, schrieb sie ihrem Mann einen Brief, der es verdient, vollständig zitiert zu werden, um deutlich zu machen, daß sie ihre Entscheidung weder aus Feigheit noch aus Verantwortungslosigkeit getroffen hat:

Liebster,
ich spüre genau, daß ich wieder wahnsinnig werde. Ich glaube, daß wir eine solch schreckliche Zeit nicht noch einmal durchmachen können. Und diesmal werde ich nicht wieder gesund werden. Ich höre Stimmen, und ich kann mich nicht konzentrieren. Darum tue ich, was mir in dieser Situation das Beste scheint. Du hast mir das größtmögliche Glück geschenkt. Du bist mir alles gewesen, was einem einer sein kann. Ich glaube nicht, daß zwei Menschen haben glücklicher sein können - bis die schreckliche Krankheit kam. Ich kann nicht länger dagegen ankämpfen. Ich weiß, daß ich Dir Dein Leben ruiniere und daß Du ohne mich würdest arbeiten können. Und ich weiß, Du wirst es tun. Du siehst, nicht einmal das kann ich richtig hinschreiben. Ich kann nicht lesen. Was ich sagen möchte, ist, daß ich alles Glück meines Lebens Dir verdanke. Du bist unglaublich geduldig mit mir und unglaublich gut zu mir gewesen. Das möchte ich sagen - jeder weiß es. Hätte mich jemand retten können, wärest Du es gewesen. Alles, außer der Gewißheit Deiner Güte, hat mich verlassen. Ich kann Dein Leben nicht länger ruinieren.
Ich glaube nicht, daß zwei Menschen glücklicher hätten sein können, als wir gewesen sind.


Die Liebe besiegt nicht alles, das ist nur ein Mythos. Sie besiegt den Tod nicht und auch nicht eine unerträgliche Krankheit. Daraus hat Virginia Woolf die Konsequenz gezogen. Wir sollten solche Menschen nicht nachträglich mit dem Schmutz wohlfeiler und überheblicher Vorwürfe bewerfen.

Wer nun, wie absehbar, hartnäckig behauptet, eine Depression sei heute doch gut behandelbar, der mag sich – abgesehen davon, daß das nicht in allen Fällen gilt – folgendes Ereignis vorstellen: Bei einer Frau wird ein inoperabler Hirntumor diagnostiziert. Dieser führt dazu, daß die Frau bösartig-aggressiv wird, auch gegenüber den Menschen, die sie liebt. Sie will das gar nicht, kann aber nicht anders. Sie wird zur Bedrohung für ihre Liebsten. In dem Fall, der mir bekannt ist, hat die Frau nach dem Scheitern der Schulmedizin mit zunehmender Verzweiflung Hilfe bei allen möglichen Scharlatanen (Misteltherapeuten, Wunderheilern, Handauflegern etc.) gesucht, die allesamt viel versprochen, viel Geld kassiert und überhaupt nicht geholfen haben. Sie hätte sich auch anders entscheiden können, diese Frau. Und wer wollte ihr das verübeln?



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Kommentare zu diesem Text

Schimmel (60)
(24.03.23, 01:20)
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 Graeculus meinte dazu am 24.03.23 um 15:09:
Ich muß mir diesen Améry mal besorgen, also sein Buch. Keine Ahnung, warum ich es mir nicht schon bei seinem Erscheinen gekauft habe; vielleicht stand damals gerade eine Großausgabe für andere Bücher an.
Schimmel (60) antwortete darauf am 24.03.23 um 16:37:
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 Graeculus schrieb daraufhin am 24.03.23 um 16:41:
Inzwischen habe ich ihn mir bestellt und bin gespannt. Danke jedenfalls, daß Du das Buch ins Gespräch gebracht hast.

 Verlo (24.03.23, 03:30)
Einen vergleichbaren Brief, wie ihn Virginia Woolf ihren Mann geschrieben hat, habe ich auch bekommen. Abschließend. 

Davor hat meine Freundin S. mehrmals ihre Gedanken ausgesprochen. 

Den Einwand, daß sie mein Leben nicht ruiniert, hat sie nicht akzeptiert.

Sie hat nicht nur Stimmen gehört, sondern täglich mit ihnen zusammengelebt. Von einer wurde sie übelst beschimpft und gezwungen, sich körperlich Schmerzen zuzufügen.

Niemand kann diese Stimmen besiegen. 

Niemand kann Depressionen besiegen.

 Graeculus äußerte darauf am 24.03.23 um 15:17:
In Grenzen sind sie schon therapierbar, diese Depressionen, am besten in einer Kombination von medikamentöser Behandlung und Psychotherapie. In Grenzen. Ich kenne Menschen, bei denen das gut anschlägt, und andere, bei denen es weniger gut wirkt. Heute - nicht zu Virginia Woolfs Zeit.
Aber selbst heute gibt es trostlose Fälle.

Daß es mit dem Hören von Stimmen verbunden sein kann (sehr verstörend!), habe ich bei Woolf erstmals erfahren. Du bestätigst es.

 Verlo ergänzte dazu am 24.03.23 um 15:58:
Graeculus, "besiegen" und "therapierbar" sind verschiedene Begriffe, die wohl oft synonym verwendet werden.

Davon abgesehen, bin ich inzwischen überzeugt, daß es bestimmte Grenzen gibt, die eine Seele nicht überschreiten kann, so wie nicht jeder einen Marathon unter einer bestimmten Zeit laufen kann, wie sehr er auch trainiert.

So wie niemand ein Versager ist, wenn er einen Marathon nicht unter einer bestimmten Zeit absolviert, so ist auch niemand ein Versager, wenn er bestimmte psychische Probleme nicht löscht: es gibt immer einen Punkt, an dem man nicht mehr besser werden kann.

 Graeculus meinte dazu am 24.03.23 um 16:17:
"Besiegen" hieße, daß die Depression verschwindet; "therapieren" bedeutet oft, dem Kranken ein erträgliches Leben zu ermöglichen. Das ist klarerweise nicht dasselbe.

Es gibt unlösbare Probleme im Leben, und zwar nicht wenige. In diesem Zusammenhang von Schuld zu sprechen, ist oft nicht angebracht. Unsere Problemlösungskapazitäten sind in der Tat begrenzt.

 Verlo meinte dazu am 24.03.23 um 16:31:
"Stimmen hören" – das kann vollkommen normal sein: wenn man morgens aufstehen muß, aber einen Stimme zu einem sagt "bleib doch liegen, melde dich einfach krank".

"Stimmen hören" kann aber auch sein: S. sagt "ich bin müde, ich lege mich hin", steht dann aber fünf Minuten später vor dir. 

Du fragst: Wolltest du dich nicht hinlegen?

S. antwortet: S. schläft, so kann ich mit dir sprechen, ohne daß sie uns stört. 

An der Stimme hörst du, daß es R. ist.

Oder S. steht fünf Minuten später in der Tür und sagt: "Du Scheiß Wichser, ich könnte dir so in die Eier treten ..."

An der Stimme hört du, daß es J. ist.

Usw. usf.

Depressionen sind da kein Problem: die werden einfach ausgelagert und dann wird über diesen Schwächling hergezogen: "Los bring dich schon um! Du traust dich ja wieder nicht, du Feigling! Immer nur große Sprüche!"

Nach meiner Erfahrung das "Stimmen hören" um so komplizierter, je intelligenter die betroffene Person ist.

Um diesen Code zu knacken, sind die meisten Psychologen und Psychiater ungeeignet, wie meine Freundin S. leider feststellen mußte.

 Verlo meinte dazu am 24.03.23 um 16:36:
Graeculus:

"Besiegen" hieße, daß die Depression verschwindet; 

Nein, Graeculus, das würde bedeuten, daß man seine Seele besiegen kann.

Aber niemand kann seine Seele beliegen. Maximal töten.

Entweder man bekommt heraus, was sie will, und gibt es ihr, oder man beißt sich die Zähne aus.

 Graeculus meinte dazu am 24.03.23 um 16:45:
Gut möglich, daß in diesem Sinne die Depression überhaupt nicht besiegbar ist - anders als Krebs. Mir kommt das oft so vor wie Alkoholismus: Man leidet nicht mehr darunter, weil man nicht mehr trinkt, aber man bleibt lebenslang anfällig.

Interessant finde ich die Frage des Verhältnisses zur seit dem Altertum bekannten Melancholie. Einige der klassischen Melnacholiker waren bestimmt im Grunde depressiv.

 Verlo meinte dazu am 24.03.23 um 17:07:
Krebs ist auch nicht besiegbar.

Krebs ist eine natürliche Reaktion des Körpers. So wie zB Magengeschwüre kommen und wieder verschwinden. Problematisch wird es nur, wenn es immer mehr werden.

Einfach mal wegschneiden, ist keine Lösung.

Ist so wie bei Depressionen oder Bluthochdruck oder ... Tabletten verschreiben.

Graeculus, ich empfehle niemanden, mit dem Alkohol aufzuhören, es sein denn, er muß aufhören.

Denn, wie du schreibst, wenn man nicht mehr trinkt, ist das Problem ja nicht gelöst. Man trinkt nur eben nicht mehr. Das hat viele Nachteile zur Folge.

Ich mußte leider mit dem Trinken aufhören, weil ich durch Alkohol mich nicht mehr besser, sondern schlechter gefühlt habe.

Daß Depressionen einen Krankheit der Neuzeit ist, glaube ich nicht.

 Graeculus meinte dazu am 24.03.23 um 23:35:
An Verlo:

1. Stimmen zu hören, ist anscheinend ein Phänomen, das ich nicht kenne und das auch in meinem Umkreis nicht vorgekommen ist. Gehört habe ich mal davon, mehr nicht.

2. Wenn eine Krebserkrankung innerhalb von sieben Jahren nach der Behandlung nicht zurückkehrt, gilt man als geheilt und hat, soweit ich weiß, wieder das gleiche Risiko wie andere Menschen. Inwieweit das kein Besiegen, keine Lösung sein soll, weiß ich nicht. Anscheinend spielst Du auf die Faktoren an, die zur Krebserkrankung geführt haben und die möglicherweise weiterwirken. Z.B. das Rauchen bei Lungenkrebs. Falls du etwas anderes meinst, müßtest du das deutlicher erklären.

3. Ich bin mir sicher, daß Alkoholikern außer der Entgiftung auch eine Psychotherapie angeboten wird, welche die Probleme, die zum Alkoholismus geführt haben, angeht. Hinter einer Sucht steht natürlich auch immer ein suchtaffiner Mensch.

Ich könnte jetzt schreiben, in welcher Weise ich mit Alkohol umgehe, aber 1. ist mir das zu privat und 2. gehört das nicht zum Thema Suizid. Denn gewiß werde ich nicht aus diesem Grunde Suizid begehen ... falls ich es denn einmal tue.

 Verlo meinte dazu am 25.03.23 um 03:07:
Graeculus:

1. Stimmen zu hören ... Gehört habe ich mal davon, mehr nicht.

Da hast du etwas verpaßt, Graeculus.

Aber, wie gesagt, es gibt es nahtlos: vom normalen, wie es jeder hat, bis zum Extremen mit eigenen Persönlichkeiten, die ihre Bedürfnisse einfordern.


Graeculus:

2. Wenn eine Krebserkrankung innerhalb von sieben Jahren ... Inwieweit das kein Besiegen, keine Lösung sein soll, weiß ich nicht. Anscheinend spielst Du auf die Faktoren an, die zur Krebserkrankung geführt haben und die möglicherweise weiterwirken. Z.B. das Rauchen bei Lungenkrebs. 

Nein, auf das Rauchen spiele ich nicht an. Falls Rauchen Lungenkrebs auslöst, müßten alle Raucher, die in einem gewissen Umfang geraucht haben, Lungenkrebs bekommen.

Das ist aber nicht der Fall.

Im Grunde weiß die Schulmedizin nicht, warum man Krebs bekommt. Sie weiß auch nicht, wie man ihn heilen kann.

Falls keine Vergiftungen vorliegen (Radioaktivität, Chemie usw), spielt die Psyche eine wesentliche Rolle bei der Krebserkrankung.

Ich weiß von einem Freund, der mehrmals Blutkrebs gehabt hat, welchen Einfluß seine Seele auf die Entstehung des Blutkrebes und sein Verschwinden hatte.

Die Schulmedizin weiß zwar nicht, wie diese "Wunderheilungen" oder "Spontanheilungen" funktionieren, aber die kann sie nachweisen: bei der letzten Untersuchung waren so viele Krebszellen im Blut, jetzt sind es keine.

In seinem Fall hat seine Seele zum Äußersten greifen müssen, damit er endlich zuhört, was sie ihm mitzuteilen hat. Als er endlich begriffe hatte und seine Seele überzeugt war, daß er nicht nur wieder schauspielert (so tut, als hätte er verstanden und würde sein Verhalten ändern), mußte seine Seele nicht mehr Aufmerksamkeit erzwingen und der Blutkrebs verschwand.

Das sind die Worte meines Freundes.

Vorher hat er alles, was möglich war, ausprobiert und als Privatpatient bei den besten Krebsspezialisten sehr viel Geld ausgegeben.

Als er sein Versprechen sich gegenüber brechen wollte, kam der Blutkrebs das erste Mal zurück. Er sagte damals: ich muß gar nicht zur Untersuchung, ich fühle, daß der Krebs wieder da ist.

Wenn man es genau nimmt, habe ich daran Anteil. Weil ich mit dem, wie er sich der Verantwortung entzogen hat, nicht einverstanden war.

Er sah nur die Möglichkeit, sein alten Leben wieder aufzunehmen. Was ich vorgeschlagen hatte, war für ihn nicht umsetzbar. Vielleicht sogar für niemanden in seiner Situation. 

Um sein altes Leben beenden zu können, hat er seinen Tod vorgetäuscht. So weit, so gut. Aber wenn an seinem Todestag Menschen Blumen vor seinem "ehemaligen" Haus abgelegt haben, hat er hinter der Gardine gestanden und sich lustig gemacht.

Ich habe ihm gesagt: Das geht nicht! Wenn du schon so feige bist, dann macht dich über die anderen nicht lustig.

Er sagte: I'm the Great Pretender.


Graeculus:

3. ... Alkoholikern ... Psychotherapie ... die Probleme, die zum Alkoholismus geführt haben, angeht.

Graeculus, du weißt, daß es für die Wirksamkeit von Psychotherapie keinen Beweis gibt?

Wenn man sich von der Alkoholsucht befreien will, muß man sich selbst darum kümmern.

Bei allen anderen Süchte wird das ebenso sein.


Graeculus:


Denn gewiß werde ich nicht aus diesem Grunde [Alkohol] Suizid begehen.

Da solltest du vorsichtig sein. Denn auch du weißt nicht, was auf dich zukommt.

Stell dir folgendes vor: irgendwann wird dir nach einem Schluck Wein so schlecht, daß du fühlst, die nächste Stunde nicht zu überleben.

Du überlebst dann doch, aber kannst keinen Wein mehr trinken. Nicht einmal einen Schluck.

Da sagst du dir: okay, geht nicht anders, aber ich kann ja am Wein riechen und daran denken, wie gut er schmeckt.

Geht auch nicht mehr. Selbst, wenn du nur am Wein riechst, wird dir so schlecht, daß du ...

Auch deine Frau kann keinen Wein mehr trinken, denn wenn bei der kleinsten Spur Wein in der Luft, wird die so schlecht, daß ...

 Graeculus meinte dazu am 25.03.23 um 15:10:
Bei der Entstehung von Krebs spielen verschiedene Faktoren eine Rolle, weshalb man nur sagen kann, daß z.B. Rauchen die Wahrscheinlichkeit für ein Lungenkarzinom erheblich vergrößert. Ohnehin ist ein Gutteil der wissenschaftlichen Aussagen von statistischer Art, d.h. sie werden durch Gegenbeispiele nicht widerlegt.

Spontanheilungen kommen bei einem speziellen Krebstyp relativ häufig vor, den Sarkomen (im Unterschied z.B. zu den Karzinomen oder Melanomen). Ob man inzwischen den Grund dafür kennt, weiß ich nicht. Also: bei Berichten über Spontanheilungen fragen, um welche Krebsart es sich handelt.

Als Dennis Diderot im Sterben lag, machte ihm seine Frau Vorhaltungen, weil er noch einen Apricot trinken wollte. Seine Antwort: „Aber was, zum Teufel, glaubst du, daß mir das jetzt noch schaden kann?“
Vielleicht werde auch ich in diese Situation kommen.

 Verlo meinte dazu am 25.03.23 um 15:18:
Graeculus:

Vielleicht werde auch ich in diese Situation kommen.

Da hast du dir einiges vorgenommen: Demenz von der Mutter, taub und blind vom Vater und nun auch noch Krebs. 

Daraus solltest du jetzt schon ein Gläschen trinken!

 Graeculus meinte dazu am 25.03.23 um 16:23:
Du magst das gern, solche persönlichen Spielchen, gelt? Ich nicht.
Vielleicht trinke ich ein Gläschen oder zwei, falls Dortmund in München gewinnt.
Taina (39)
(24.03.23, 06:12)
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 Graeculus meinte dazu am 24.03.23 um 15:22:
1. Ich habe von solchen Menschen geschrieben, nicht von diesen.
2. Wie Tucholskys Suizid im Völkischen Beobachter kommentiert worden ist, will ich gar nicht wissen.
3. Ich entstamme dem katholischen Milieu und weiß recht gut, wie da gegen "Selbstmörder" polemisiert wurde.
4. Was hier im Zuge der gegenwärtigen Welle um dieses Thema alles schon über diese Menschen zu lesen war (den Vergleich mit der Fahrerflucht hatte nicht einmal ich zuvor gelesen), sollte Deine Frage eigentlich beantworten.

 Graeculus meinte dazu am 24.03.23 um 15:25:
Ferner bitte ich Dich, meinen Essay als Gesamtheit zu lesen; er enthält vier typische Motive (Ausweglosigkeit, Scheitern des Lebensideals, Müdigkeit und Verantwortungsbewußtsein gegenüber Mitmenschen), die ich für achtenswert halte. Außerdem kommt es mir darauf an, die Betreffenden selber zu Wort kommen zu lassen, statt, wie es auch hier meist geschieht, nur über sie zu sprechen.
Taina (39) meinte dazu am 24.03.23 um 15:56:
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 Graeculus meinte dazu am 24.03.23 um 16:56:
Ad 1.:

Die Eheprobleme habe ich, zugegeben, ausgeblendet und mich auf die Zeugnisse zu seiner Müdigkeit beschränkt. Das hätte man anders machen können, wäre dann aber komplizierter geworden.

Ad 2.:

Ohne die Machtergreifung hätte er sich, so meine Annahme, nicht ungebracht. Er hätte nicht emigrieren müssen, sein Kampf für eine liberale Demokratie hätte weitergehen können, er hätte eine raison d’être gehabt.
Der Verlust der Leserschaft ist ja von den Exil-Autoren unterschiedlich verkraftet worden - wohl abhängig davon, ob sire ein internationales Publikum hatten oder nicht. Tucholsky war sehr auf deutsche Verhältnisse fokussiert (anders als Thomas Mann oderr Bertolt Brecht) ... also eher nicht gut für ihn.

Ad 3.:

Bei mir war es das Katholische; heute sind die christlichen Fundamentalisten (Evangelikale) wieder weltweit im Kommen. Da habe ich kaum Hoffnung.

Ad 4.:

Nein, es gibt, wenn Du genau liest, mehrere Kritiker meines Standpunktes. Schon hier findest Du einen weiteren, der unterstellt, Texte wie diese beförderten die Tendenz zum Suizid. Einige andere sind zwar anderer Meinung als ich, unterstellen mir jedoch nichts.
Taina (39) meinte dazu am 24.03.23 um 19:36:
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 Graeculus meinte dazu am 24.03.23 um 23:39:
Diese Antwort ist einfach: weil der Text nicht zu lang werden sollte. Es geht mir eigentlich um die genannten vier Typen, und wenn diese durch die Beispiele anschaulich und nachvollziehbar geworden sind, reicht mir das. Eine umfassende Darstellung ist mir nicht wichtig, und konsequent habe ich auch bei Hannibal darauf verzichtet zu erklären, was der Hintergrund seines Konfliktes mit Rom war, und entsprechend bei Cato.
Alles andere gerät einem leicht zu einer Biographie, wofür hier nicht der Ort ist.
Taina (39) meinte dazu am 24.03.23 um 23:53:
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 Graeculus meinte dazu am 25.03.23 um 00:41:
Er spricht diese Müdigkeit ja deutlich aus. Wessen war er müde? Da habe ich reduziert. Vielleicht sogar seiner selbst, seiner Unzulägnlichkeit.

Hätte ich ein anderes Beispiel wählen können? Vermutlich. Mir ist nur kein besseres eingefallen - auch unter dem Gesichtspunkt, daß ich Selbstzeugnisse davon verwenden wollte.

In Wladimir Majakowskijs Abschiedsgedicht klingt die Müdigkeit an, wird aber nicht so deutlich wie bei Tucholsky.
Taina (39)
(24.03.23, 06:12)
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 Redux (24.03.23, 06:16)
Scharfsinnig, interessant, beeindruckend,

 Graeculus meinte dazu am 24.03.23 um 15:26:
I'm trying to do the best that I can.

 AchterZwerg (24.03.23, 07:23)
Hallo Graec,
dein Text findet meine volle Zustimmung!
Wie ich schon einmal erwähnte: die Möglichkeit der Selbsttötung ist für mich eine der großen Freiheiten, die das Menschsein vom rein Kreatürlichen trennt.
Ich verüble sie niemandem (!).

Dein Essay wirkt sorgfältig ausgearbeitet und durch die Tucholsky-Einlage spannend und gut lesbar. :)

Schöne Grüße
der8.

 Regina meinte dazu am 24.03.23 um 12:16:
"eine der großen Freiheiten" ist es aber nicht, wenn der Suizid auf einer Psychose oder einer tiefen Depression beruht, Zwergilein.

 Dieter Wal meinte dazu am 24.03.23 um 14:44:
die Möglichkeit der Selbsttötung ist für mich eine der großen Freiheiten, die das Menschsein vom rein Kreatürlichen trennt.
@Zwergi:


Wer so schreibt, hat noch nie einen Erhängten abgeschnitten. Herzlichen Glückwunsch zu rabulistischen Phrasen, die man regelmäßig in "Der Schwarze Kanal" genießen konnte. Wenn Graeculus mit seinem Schreiben tatsächlich solchen Schwachsinn befeuert, liegt er völlig daneben. Das Problem liegt meines unmaßgeblichen Erachtens nicht darin, dass Depressive das Recht für sich beanspruchen, ihr Elend durch Suizid zu verkürzen, sondern dass sie ohne die Fähigkeit kognitiver Empathie andere Depressive ermutigen, es ihnen gleich zu tun.

Antwort geändert am 24.03.2023 um 14:47 Uhr

 Verlo meinte dazu am 24.03.23 um 15:00:
Dieter:

Wer so schreibt, hat noch nie einen Erhängten abgeschnitten.

Dieter, erzähl man, wie ist es, einen Erhängten abzuschneiden?

 Dieter Wal meinte dazu am 24.03.23 um 15:06:
@Verli: Da heute zu viele Putin-Trolle überfüttert wurden, ging mir Trollfutter leider aus. Versuche es später wieder.

 Graeculus meinte dazu am 24.03.23 um 15:29:
An Achter Zwerg:

Danke. Da erkenne ich mich als verstanden. Auch wenn mutmaßlich manche nichtmenschlichen Tiere zum Suizid fähig sind, etwa Delphine.

 Graeculus meinte dazu am 24.03.23 um 15:37:
An Dieter Wal:

Ekel, Abscheu und ähnliche Emotionen sind kein moralisches Argument - das schrieb schon Kant.

Ein Arzt - es war der beste, den ich in meinem Leben kennenlernen durfte - sagte mir einmal, er kenne solche Gefühle gar nicht im Umgang mit Patienten.
Eine frühere Nachbarin war Krankenschwester in einem sehr speziellen Bereich. Wenn medizinisches Personal zu einem Menschen kommt, der sich aufgehängt hat, dann müssen sie ihn herunterholen und wiederzubeleben versuchen. Oft ist aber die Sauerstoffversorgung des Gehirns schon so lange unterbrochen gewesen, daß sie dann zwar organisch weiterleben, jedoch ohne ein funktionsfähiges Gehirn. Auf einer speziellen Station vegetieren sie auf dem Niveau von Pflanzen vor sich hin. Dort arbeitete sie, die Nachbarin.
Ich weiß nicht, wofür oder wogegen das spricht, habe mich jedoch gefragt, ob es ihnen nicht besser gewesen wäre, man hätte ihnen ihren Willen gelassen.
Schimmel (60) meinte dazu am 24.03.23 um 19:09:
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 Regina meinte dazu am 24.03.23 um 19:12:
Was dieser Einwurf soll, ist mir unklar. Ich stelle da innere Zwänge fest in vielen Fällen und eben nicht die große Freiheit.

 Verlo meinte dazu am 24.03.23 um 19:29:
Dieter, du bist ein Großmaul: fordert man nach deinem großen Spruch, 


Dieter:

Wer so schreibt, hat noch nie einen Erhängten abgeschnitten.Wer so schreibt, hat noch nie einen Erhängten abgeschnitten.

zeig mal, wird man dumm beschimpft.


Dieter:

Putin-Trolle 

 Verlo meinte dazu am 24.03.23 um 19:49:
Schimmel:

Regina, ist dir bewusst, dass das Menschen sind und keine Außerirdischen?

Schimmel, du bist hier der Außerirdische.

Reginas Einwand ist berechtigt: in den meisten Fälle ist Suizid eine Notlösung.
Schimmel (60) meinte dazu am 24.03.23 um 20:22:
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 Verlo meinte dazu am 24.03.23 um 20:34:
Schimmel:

Regina:

Auch Menschen mit sogenannten psychischen Erkrankungen sind Individuen, die bis auf die Diagnose u.U. wenig bis gar nichts gemeinsam haben

Selbstmörder haben vor allen Dingen gemeinsam: sie sehen keinen anderen Weg mehr als sich selbst zu töten.

Die Unterschiede sind da zweitrangig.

 Dieter Wal meinte dazu am 24.03.23 um 21:03:
@Verli: Wenn's Dich stört, als Troll bezeichnet zu werden, einfach Trollen unterlassen.

 Graeculus meinte dazu am 24.03.23 um 23:43:
An Schimmel:

Regina spricht konsequent über Menschen statt mit ihnen. Sie muß nicht mit ihnen sprechen, weil sie ja schon alles weiß, was es da zu wissen gibt.

 Graeculus meinte dazu am 24.03.23 um 23:49:
An Verlo:


Selbstmörder haben vor allen Dingen gemeinsam: sie sehen keinen anderen Weg mehr als sich selbst zu töten.

Die Unterschiede sind da zweitrangig.

Ach Verlo, so einfach kannst du deine Ansicht, die der meinen komplett entgegengesetzt ist, nicht begründen.
Natürlich kommt es auf die Unterschiede an bei einem Suizid, und natürlich sind sie sehr individuell. Typen daraus zu machen, wie ich es tue (immerhin vier), kann nur ein Hilfsmittel sein, um überhaupt die Existenz von Unterschieden bewußt zu machen.
Manche Suizide sind ein Fehler, und manche sind richtig, nämlich vernünftig. Auch damit hängt es zusammen, wenn ein Psychiater einmal sagte: "Ein guter Abschiedsbrief ist mindestens vierzehn Tage alt." D.h. der Akt sollte überlegt sein und nicht aus einer momentanen Gefühlsaufwallung heraus geschehen. Wohl in diesem Sinne sind manche, die dann doch gerettet werden, darüber froh, während andere es gleich nochmal versuchen.

 Verlo meinte dazu am 25.03.23 um 03:27:
Graeculus, Buchliebhaber haben eins gemeinsam: sie lieben ihre Bücher und können ohne sie nicht leben.

Wie und warum sie das tun, spielt keine Rolle.

Selbstverständlich unterscheiden sich Buchliebhaber. Vermutlich ist jeder anders. Außer in diesem einen Punkt.

#

Selbstmörder, die gerettet werden, sind keine Selbstmörder. 

Das ist wie ein Buchliebhaber, der keine Bücher hat.

 Graeculus meinte dazu am 25.03.23 um 15:33:
Auf einen Suizid kommen zehn Suizidversuche, wobei ein erheblicher Teil von ihnen nicht ernstlich den Tod anstrebt, sondern ein Appell an die Mitmenschen oder der Versuch, sie zu bestrafen & zu beschämen, ist. Also eine Art Epressung.

Ohne Bücher wäre das Leben ein Irrtum. Wie sonst sollte ich mit all den faszinierenden Menschen kommunizieren, die zu weit weg oder schon tot sind?

 Regina meinte dazu am 25.03.23 um 17:07:

"Ohne Bücher wäre das Leben ein Irrtum. Wie sonst sollte ich mit all den faszinierenden Menschen kommunizieren, die zu weit weg oder schon tot sind?"
Antwort: Telepathisch oder übersinnlich.

 



 Regina meinte dazu am 25.03.23 um 17:11:
Meine ich ernst.

 Graeculus meinte dazu am 25.03.23 um 23:14:
Darunter kann ich mir nichts vorstellen. Platon, das menschliche Individuum Platon, ist tot, und was von ihm geblieben ist, steht in Form von Büchern vor mir.

Falls Du ernsthaft in der Lage sein solltest, mit verstorbenen Individuen zu kommunizieren - nun, dafür gibt es einen Test: Bitte den Tacitus, uns bzw. dir die verlorenen Passagen seiner "Annalen" zu diktieren. Die Forschung und auch ich wären dir sehr, sehr dankbar.

Da 95 % der antiken Texte für uns verloren sind, stünde da eine große Aufgabe vor Dir.

 Regina meinte dazu am 26.03.23 um 01:10:
Das würde aber etwas kosten.

 Graeculus meinte dazu am 26.03.23 um 16:36:
Das war jetzt ein Scherz, oder?
Immerhin nehme ich an, daß, wenn du die eine oder andere Kostprobe in taciteischem Latein vorlegen könntest, dafür Forschungsgelder mobilisiert werden könnten. Die Proben würden aber auf Herz und Nieren geprüft, das kann ich dir versichern.

 Regina meinte dazu am 26.03.23 um 22:14:
Im Prinzip halte ich das Sich-Hineinversetzen in die Emotionen und Gedanken auch entfernter und verstorbener Personen für möglich. Auf Madagaskar z.B. gab es einen Kult, einmal im Jahr verstorbene Verwandte zu befragen, die wurden dann auch exhumiert, der jetzt in der sog. "Familienaufstellung" wieder angewandt wird. Dabei übernehmen Vertreter die Rolle desjenigen, über den etwas herausgefunden werden soll. Okkulte Bewegungen haben im 19./anfang 20. Jhdt. auch mit ähnlichen Experimenten gearbeitet, es ist nicht ganz unproblematisch und kann für den Ausführenden gefährlich sein. Letzten Endes stammen die Mitteilungen Blavatskys/Steiners über Vorkommnisse in Atlantis/Hyperboräa aus solchen Rückversetzungen. Nicht alles in dieser Richtung ist in den Bereich der bloßen Fantasie zu verweisen, es gibt mehr Phänomene als man denkt. Die Frage nach alten lateinischen Büchern ist, inwieweit da ein für die Menschheit tiefer begründetes Interesse gerechtfertigt wäre. Und natürlich braucht man dann eine Person, die mediale Fähigkeiten mit exzellenten Sprachkenntnissen vereint.

Antwort geändert am 26.03.2023 um 22:20 Uhr

Antwort geändert am 26.03.2023 um 22:25 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 27.03.23 um 15:20:
Rückversetzungserlebnisse können auf Suggestion zurückzuführen sein. Schon in psychologischen Experimenten ist es mit relativ einfachen Mitteln möglich, Menschen die unglaublichsten Dinge zu suggerieren.
"Mediale Fähigkeiten" können auch "hohe Suggestibilität" bedeuten.

Und was den Tacitus angeht, so sind exzellente Sprachkenntnisse im Lateinischen nicht erforderlich. Das Lateinische wird weitestgehend so geschrieben, wie wir es sprechen; Tacitus braucht also nur zu diktieren.

Ich entnehme deiner Aussage aber, daß du, Regina, diese Aufgabe nicht übernehmen kannst.

Interessant ist schon Atlantis. Wir verfügen ja lediglich über Vermutungen, worum es sich bei diesen Berichten aus der Antike eigentlich handelt. Bringen uns die medialen Berichte da weiter? Können wir dadurch die Insel identifizieren? Stimmen die Berichte mit archäologischen Funden überein?

 Regina meinte dazu am 27.03.23 um 19:28:
Nein, für solche okkulten Projekte bin ich zu körperschwach. Das muss jmd. mit einem sehr vitalen Körper machen, sonsr können die Nerven zusammenbrechen.

 Graeculus meinte dazu am 27.03.23 um 22:42:
Das ist nachvollziehbar.

Ist dir bewußt, wie du das Wort "ich" hier verwendet hast"? "... bin ich zu körperschwach". So macht man das normalerweise. Es ist schwierig, sich im täglichen Leben nicht mit seinem Körper zu identifizieren.

 Regina meinte dazu am 27.03.23 um 23:12:
Du verwechselst was.

 Graeculus meinte dazu am 27.03.23 um 23:21:
Aber nicht doch. So sprechen wir. Alltäglich und unbefangen.

 Regina meinte dazu am 27.03.23 um 23:39:
Man kann so leben, dass man die Identifikation mit dem "Ego" nicht über das notwendige Maß hinaus treibt. Und den Astralkörper wahrnehmen lernen. Aber das muss ich hier nicht erklären, dazu gibts Bücher von Steiner und anderen Autoren. Aber wer es nicht wissen will, für den ist es auch nicht.

 Augustus (24.03.23, 09:03)
Der Suizid gleicht einer resignierten Aufgabe eines Menschen vor (s)einem Rätsel, das zwar - wie jedes - lösbar ist, aber insgesamt nicht gelöst werden konnte. 

Virginia Woolfs Brief verdeutlicht diese Resignation vor der Depression. Tucholsky, Amery folgen dem gleichen Schemata. 

Das Leben stellt dem Individuum manchmal Aufgaben von enormer Komplexität, die oftmals nicht - mit erworbenen Mitteln - gelöst werden können, die aber lösbar sind. 

Wer sagt, das Rätsel ist nicht lösbar, weiß einfach die Lösung nicht und gibt auf und die, die am Rätsel beteiligt sind, wissen es in der Regel auch nicht, und trauern um die Unlösbarkeit des Rätsels.

 Graeculus meinte dazu am 24.03.23 um 15:41:
Der Vergleich des Lebens mit einem Rätsel und des Suizids mit einem Aufgeben im Versuch, dieses Rätsel zu lösen, liegt mir nicht nahe. Ich wüßte auch nicht, welche Lösung die vier von mir beispielhaft genannten Fälle übersehen hätten bzw. später noch hätten finden können.

Näher liegt mir der Vergleich des Lebens mit einem Spiel, den Allan Watts einmal gezogen hat:

„Das Leben ist ein Spiel, dessen Spielregel Nr. 1 lautet: Das ist kein Spiel, das ist todernst.“

Die einzige Regel, die dieses Spiel beenden könnte, ist nicht selbst eine seiner Regeln.

Darüber kann man nachdenken.

 AchterZwerg meinte dazu am 24.03.23 um 16:43:
Lieber Dieter Wal,

das Leid der Angehörigen (das ich keineswegs schmälern möchte) ist eine völlig andere Sache.
Einer meiner Blutsverwandten hat sich erschossen; das wurde von der ganzen Familie voller Respekt akzeptiert.

In meinen Augen handelt es sich um eine fundamentale Einstellung dem Suizid gegenüber, die selbstverständlich nicht von allen geteilt werden muss.

@ Regina

Gerade (häufig) wiederkehrende Depressionen
sind nur schwer (bis gar nicht) therapierbar. Und ich kann es gut verstehen, dass einige keine Lust verspüren, lebenslang Medikamente einzunehmen, die übelste Nebenwirkungen aufzeigen. Adipositas ist noch die mildeste.

Euch2en liebe Grüße
der8.

 Regina meinte dazu am 24.03.23 um 19:00:
Da kenne ich aber Leute ohne Adipositas. Aber Nebenwirkungen, möglich.

 Graeculus meinte dazu am 24.03.23 um 23:52:
Ich glaube, verantwortungsbewußt sagen zu können, daß die Therapie von Depressionen nicht in allen Fällen zu einem erträglichen Zustand führt.
Was die Wirkungen und Nebenwirkungen von Medikamenten angeht, so meine ich, von Regina schon andere Aussagen vernommen zu haben.

 Regina meinte dazu am 25.03.23 um 06:52:
"
Regina spricht konsequent über Menschen statt mit ihnen. Sie muß nicht mit ihnen sprechen, weil sie ja schon alles weiß, was es da zu wissen gibt."
Diese Aussage ist eine Frechheit. Schreib lieber, dass es dir nicht passt, dass ich eine zu deinen Ansichten konträre Einstellung zum Suizid habe. 

 



 Regina meinte dazu am 25.03.23 um 09:24:

"Was die Wirkungen und Nebenwirkungen von Medikamenten angeht, so meine ich, von Regina schon andere Aussagen vernommen zu haben." So, welche denn?
Da hast du es doch wirklich nötig, gegen mich zu polemisieren, weil dir meine Einstellung gegen den Suizid nicht passt.
Wenn es kein die Krankheit heilendes Medikament gibt, kann man den Kompromiss mit einem Nebenwirkungen-reichen Mittel machen oder man nimmt es nicht. Aber es könnte ja auch anstelle der Suizidneigung die Haltung geben: das Medikament ist zwar nicht das Non-plus-Ultra, aber ich bin dankbar, dass ich wenigstens die Chance zum Kompromiss habe. Und wenn hier vllt. auf einen Aufsatz über Homöopathie angespielt wird. Ich habe nie behauptet, dass Homöopathie alle Probleme lösen kann. Suizid wegen der Nebenwirkungen ist überflüssig. Da könnten sich ja Tausende wegen Insulin umbringen. 

 




Antwort geändert am 25.03.2023 um 09:47 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 25.03.23 um 15:49:
An Regina:

Daß du anderer Meinung bist als ich, stört mich überhaupt nicht - im Gegenteil, es ist das Salz in der Suppe bei einer Diskussion. Hier sind einige Leute anderer Meinung als ich, und ich kann gut mit ihnen umgehen.
Was mich bei dir stört, daß du mir ständig irgendetwas in meinem Privatleben und obendrein noch Suizidverherrlichung bzw. - verharmlosung unterstellst, d.h. die Art, wie du deine abweichende Meinung vertrittst. Da keile ich dann irgendwann zurück. Davon kann Verlo ein Lied singen - aber der beruhigt sich dann irgendwann auch wieder.

Die Gewichtung von Haupt- und Nebenwirkungen bei Medikamenten und ihrer Folgen für die Lebensqualität ist wiederum eine individuelle Entscheidung. Niemand zwingt dir deine auf (hoffentlich), und niemand zwingt mir meine auf (sicherlich).

P.S.: Hör allmählich mal auf, auf die Demenz meiner Mutter anzuspielen und auf die Angst, die das angeblich bei mir auslöst. Hier geht es nur darum, daß 1. man das Recht auf Suizid hat und 2. die Wahrnehmung dieses Rechtes unter bestimmten Umständen eine vernünftige Entscheidung ist.
Das erste mußt du zugeben, auch wenn es dir nicht schmeckt, und das zweite kannst du anders sehen ... und darüber können wir diskutieren - nicht über mein Privatleben.

 Regina meinte dazu am 25.03.23 um 16:45:
Da bist du selber schuld, dass du deine Privatsachen hier in Rekomms offenbart hast, und du schreibst auch, dass Suizid für dich eine "Option" wäre, bei einer Demenzdiagnose. Siehst du, das erschreckt mich, weil es mir nicht in den Sinn käme. Glaube mir, ich habe einer Soz.Päd. assistiert, die sich mit Demenzfällen befasste und habe etwas Einblick. Da musst du dann schon auch damit rechnen, dass ich mich frage "Warum sucht er sich dieses Thema aus? Gibt es da subjektive Gründe?" Objektive Gründe gäbe es zwar auch, aber die würden sich nicht auf historische Figuren beziehen, sondern auf aktuelle Statistiken und heutige Phänomene, die du bisher, ich weiß nicht, ob noch ein Text kommt, vollkommen ausklammerst. Am wenigsten an deinen Texten hat mich die Befindlichkeit durchgeknallter Feldherren interessiert, die zuvor Tausende von Toden zu verantworten hatten.
Das Recht auf Suizid gibt es seit 2020 und es hat die Fallzahlen weder großartig erhöht noch vermindert. Was sagt uns das? Wer es tun will, tut und tat es mit oder ohne Recht, weil der Staatsanwalt ja sowieso keinen Sträfling je finden konnte, wenn Täter und Opfer eins sind. ZU Medikamenten: Ideale Medikamente gibt es nicht und die Homöopathie kann hier vermutlich nicht helfen, obwohl es bestimmt Leute gibt, die das anders sehen. Aber wenn ich ein nebenwirkungsreiches Medikament verschrieben bekomme, habe ich auch die Freiheit, das einzunehmen oder nicht. Dann könnte man ja auch eine Kompromisshaltung einnehmen und sich sagen: Das Mittel hat zwar Nebenwirkungen, aber es wirkt wenigstens gegen die Haupterkrankung und darüber bin ich froh. Sonst müssten sich ja Tausende von Insulinpatienten auch den Schuss geben. Und es lohnte sich, Therapieversuche wenigstens zu machen, aber auch diesen Aspekt klammerst du aus, so dass das Ganze doch eher wie Reklame für Selbsttötung wirkt. Und: Nein, da bin ich unbeugsam: Als vernünftige Entscheidung kannst du mir Suizid nicht verkaufen oder zumindest in den allerwenigsten Fällen. Dazu habe ich dann doch zu viel Rudolf Steiner gelesen. Aber Anthroposophie kann und will ich dir nicht aufzwingen, aber dein selber konstruierter Paganismus überzeugt auch nicht.

 Graeculus meinte dazu am 25.03.23 um 23:29:
Auf meine persönlichen Äußerungen, die nicht überzubewerten ich bitte, kann man nun sehr verschieden reagieren: Man kann sie einfach übergehen, sofern sie kein wesentliches Argument enthalten; man kann sie als Beispiel für eine möglicherweise entstehende Notlage ansehen (und so in etwa sind sie von mir gemeint); oder man kann nun darangehen, sie aufzublasen und daraus unterstellend eine Motivationslage konstruieren, die gar nicht besteht.

Das Thema Suizid hat mich schon lange interessiert; hier stelle ich es vor aus Gründen, die ich nun schon mehrfach erwähnt habe ... und stehe selber staunend vor der Wirkung, die es hier ausgelöst hat. Offenbar berührt es viele Menschen, wenn auch aus unterschiedlicher Perspektive. Das mag dasmit zusammenhängen, daß wohl die meisten von uns in irgendeiner Weise damit schon einmal zu tun hatten, ohne daß sie die Gelegenheit hatten, das offen zu diskutieren. Es liegt halt immer noch ein Tabu darauf.

Wenn man sich mit einer schweren, schmerzhaften Erkrankung konfrontiert sieht, kann man es mit verschiedenen medikamentösen und sonstigen Behandlung versuchen. Je jünger man ist, desto größer wohl die Wahrscheinlichkeit, daß man es tun wird. Man kann aber auch so alt und müde sein, daß man daran kein Interesse mehr hat.
Den Fall der Bekannten mit dem inoperablen Hirntumor, den ich erwähnt habe, fand ich extrem traurig. Die Frau war noch recht jung, und auch ihre beiden Kinder waren es; insofern konnte ich ihren unbedingten Wunsch nach einer Heilung verstehen; aber wie sie dann der Reihe nach zu diesen Scharlatanen (letztlich war das ihr eigenes Wort dafür) gelaufen ist, das erschien mir geradezu tragisch. Aber niemand hat ihr da reingeredet, ich schon gar nicht - das war ihre Entscheidung.

P.S.: Wenn, wie du selber schreibst, nicht einmal das Urteil des BVerfGs zu einer Zunahme von Suiziden geführt hat, dann weiß ich nicht, warum du das von meinem Text in diesem unbedeutenden Forum fürchtest.

 EkkehartMittelberg (24.03.23, 09:27)
Hallo Graeculus,

du hättest kaum berührendere Beispiele für den Suizid finden können als diese. Es ist mir unmöglich, auch nur das geringste Argument gegen deren Notwendigkeit vorzubringen.

LG
Ekki

 Graeculus meinte dazu am 24.03.23 um 15:44:
Worum es mir auch ging, lieber Ekkehart, war, die Betroffenen selber zu Wort kommen zu lassen, statt immer nur über sie zu sprechen.
Da hätte man auch Heinrich von Kleists berühmten und irritierenden Abschiedsbrief zitieren können, der von einer großen Freude spricht; aber er paßte nicht in die vier Situationen, in denen vor allem mir der Suizid respektabel erscheint.

 AchterZwerg meinte dazu am 24.03.23 um 16:45:
Den kenne ich auch *schmelz).

 Graeculus meinte dazu am 24.03.23 um 17:06:
So lautet der letzte Satz, auf den ich anspielte:

Und nun lebe wohl; möge dir der Himmel einen Tod schenken, nur halb an Freude und unaussprechlicher Heiterkeit, dem meinigen gleich: das ist der herzlichste und innigste Wunsch, den ich für dich aufzubringen weiß.

(Angesprochen ist seine Schwester Ulrike.)

 Dieter Wal meinte dazu am 24.03.23 um 18:05:
Und nun lebe wohl; möge dir der Himmel einen Tod schenken, nur halb an Freude und unaussprechlicher Heiterkeit, dem meinigen gleich: das ist der herzlichste und innigste Wunsch, den ich für dich aufzubringen weiß.
(Angesprochen ist seine Schwester Ulrike.)

@Graeculus:

Kleist ist das denkbar schlechteste Beispiel, will man beweisen, wie natürlich, gut, schön und wünschenswert ein Suizid sei, denn Kleist litt sein Leben lang darunter, dass er in seiner Jugend der Bitte seines Cousins, er möge sich mit ihm umbringen, nicht entsprach, worauf der Cousin sich ohne ihn suizidierte.

Kleist bat im Lauf der Zeit immer wieder Menschen, sie sollten sich mit ihm zusammen suizidieren, was die verständlicherweise ablehnten, bis er eine tödlich krebserkrankte Freundin fand, die zusagte.

Damals gab es noch keine Begriffe für Zwangshandlungen und Traumatisierung und leider auch keine Psychotherapeuten.

Antwort geändert am 24.03.2023 um 18:07 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 24.03.23 um 18:24:
Über Kleist Motiv habe ich gar nichts gesagt und auch nicht sagen wollen; da widerspreche ich Dir also nicht. Aber der Ausdruck von "Freude und unaussprechlicher Heiterkeit" ist mir sofort in Auge gesprungen und steht in auffallendem Kontrast zu der Verzweiflung, die Suizidenten reflexhaft unterstellt wird.
Auch deshalb bin ich der Ansicht, man möge doch erst einmal zuhören, bevor man urteilt. Abschiedsbriefe sind ja vielfach überliefert, und sie bergen so manche Überraschung, wenn man nicht von vornherein mit einer festgefügten Meinung an die Sache herangeht.

 Dieter Wal meinte dazu am 24.03.23 um 18:34:
der Ausdruck von "Freude und unaussprechlicher Heiterkeit" ist mir sofort in Auge gesprungen
Über Kleists Suizidmotive ist viel gerätselt worden. Vielleicht war er froh, endlich eine Todeskandidatin gefunden zu haben für seinen Tandemsuizid? (Juhuu, Neologismus!)


Ich finde seine Abschiedsbriefe auch bemerkenswert. Doch sprechen sie nicht für tiefere Einsichten, sondern eher eine psychisch kranke Seele.

 Graeculus meinte dazu am 25.03.23 um 00:02:
Unter der Voraussetzung, daß Kleists Aussage über seine Freude etc. bei Suizidenten nicht singulär ist: Wenn ich vor der Wahl stehe, die Äußerung eines Menschen als Folge einer psychischen Erkrankung zu interpretieren, sie also inhaltlich nicht ernst zu nehmen, oder ich eine Möglichkeit sehe, sie als ernstzunehmend aufzufassen, entscheide ich mich für die zweite Option. Dann lautet meine Interpretation, daß hier jemand unter einem großen Druck (welcher Art auch immer) gestanden hat und davon durch den Suizid befreit wird. Das wird dann tatsächlich als Erleichterung und Freude erlebt.
In diesem Sinne spricht auch aus den letzten Worten des Sokrates (den ich für einen Suizidenten halte, denn er hat jede Möglichkeit, dem Tode zu entgehen, ausgeschlagen) eine große Erleichterung, wenn er das Leben als Krankheit und den Tod als deren Heilung bezeichnet.
Zu dieser Phaidon-Stelle gibt es auch Parallelen in anderen Dialogen, etwa die, daß man eigentlich einen Paian anstimmen müßte über den Tod.

Nie vergessen werde ich das altägyptische Preislied auf den Tod als Befreiung in "Das Selbstgespräch eines Lebensmüden/Das Gespräch eines Mannes mit seinem Ba".

 Dieter Wal meinte dazu am 25.03.23 um 12:15:
@Graeculus:

Ich nehme Seelenkranke ernst. Was wären Van Gogh, Goethe, Büchner ohne sie gewesen bzw. welche Armut atmete ihr Werk ohne sie?

Phaidon gefällt mir besser als die Passionsberichte, doch bin ich nicht der Ansicht, mit den Suiziden Christi oder eines Sokrates wären die Gipfel der jüdischen Prophetie oder griechischen Philosophie erstiegen. Bei Jesus könnte man sagen, die Geschichte seines Lebens endet nicht mit der Kreuzigung. Sie will sich in Gläubigen fortsetzen. Ähnlich verhält es sich bei Sokrates, wenn Platon gelesen wird. Seine Gedanken wirken auf seine Studenten und prägen sie. Glücklicherweise gab es bisher weder durch Philosophie-Studenten (der griechischen Klassiker) noch unter Christen Massensuizide. Sokrates tröstet seine Freunde, indem er vom Leben als Krankheit und Tod als Gesundung spricht. Es wörtlich zu nehmen und die ursprüngliche löbliche Absicht seiner Worte zu ignorieren, wäre eine Perversion der Philosophie und Quasi-Philizismus, um Biblizismus abzuwandeln. Nein, Sokrates taugt nicht als Vorlage zum Suizid. Sein Vorbild liegt im Philosophieren, nicht im Suizid.

Wundervoll finde ich, wie romantische Todessehnsucht in "Leonce und Lena" sublimiert wird:


Leonce (allein, streckt sich auf der Bank aus) Die Bienen sitzen so träg an den Blumen, und der Sonnenschein liegt so faul auf dem Boden. Es krassirt ein entsetzlicher Müßiggang. – Müßiggang ist aller Laster Anfang. – Was die Leute nicht Alles aus Langeweile treiben! Sie studiren aus Langeweile, sie beten aus Langeweile, sie verlieben, verheirathen und vermehren sich aus Langeweile und sterben endlich an der Langeweile und – und das ist der Humor davon – Alles mit den wichtigsten Gesichtern, ohne zu merken warum, und meinen Gott weiß was dabei. Alle diese Helden, diese Genies, diese Dummköpfe, diese Heiligen, diese Sünder, diese Familienväter sind im Grunde nichts als raffinirte Müßiggänger. – Warum muß ich es grade wissen? Warum kann ich mir nicht wichtig werden und der armen Puppe einen Frack anziehen und einen Regenschirm in die Hand geben, daß sie sehr rechtlich und sehr nützlich und sehr moralisch würde? – Der Mann, der eben von mir ging, ich beneidete ihn, ich hätte ihn aus Neid prügeln mögen. O wer einmal jemand Anders sein könnte! Nur 'ne Minute lang. –
(Valerio halb trunken, kommt gelaufen.)
Leonce Wie der Mensch läuft! Wenn ich nur etwas unter der Sonne wüßte, was mich noch könnte laufen machen.
Valerio (stellt ich dicht vor den Prinzen, legt den Finger an die Nase und sieht ihn starr an) Ja!
Leonce (eben so) Richtig!
Valerio Haben Sie mich begriffen?
Leonce Vollkommen.
Valerio Nun, so wollen wir von etwas Anderm reden. (Er legt sich ins Gras.) Ich werde mich indessen in das Gras legen und meine Nase oben zwischen den Halmen herausblühen lassen und romantische Empfindungen beziehen, wenn die Bienen und Schmetterlinge sich darauf wiegen, wie auf einer Rose.
Leonce Aber Bester, schnaufen Sie nicht so stark, oder die Bienen und Schmetterlinge müssen verhungern über den ungeheuren Prisen, die Sie aus den Blumen ziehen.
Valerio Ach Herr, was ich ein Gefühl für die Natur habe! Das Gras steht so schön, daß man ein Ochs sein möchte, um es fressen zu können, und dann wieder ein Mensch, um den Ochsen zu fressen, der solches Gras gefressen.
Leonce Unglücklicher, Sie scheinen auch an Idealen zu laboriren.
Valerio Es ist ein Jammer. Man kann keinen Kirchthurm herunterspringen, ohne den Hals zu brechen. Man kann keine vier Pfund Kirschen mit den Steinen essen, ohne Leibweh zu kriegen. Seht, Herr, ich könnte mich in eine Ecke setzen und singen vom Abend bis zum Morgen: »Hei, da sitzt e Fleig an der Wand! Fleig an der Wand! Fleig an der Wand!« und so fort bis zum Ende meines Lebens.
Leonce Halt's Maul mit deinem Lied, man könnte darüber ein Narr werden.
Valerio So wäre man doch etwas. Ein Narr! Ein Narr! Wer will mir seine Narrheit gegen meine Vernunft verhandeln? Ha, ich bin Alexander der Große! Wie mir die Sonne eine goldne Krone in die Haare scheint, wie meine Uniform blitzt! Herr Generalissimus Heupferd, lassen Sie die Truppen anrücken! Herr Finanzminister Kreuzspinne, ich brauche Geld! Liebe Hofdame Libelle, was macht meine theure Gemahlin Bohnenstange? Ach bester Herr Leibmedicus Cantharide, ich bin um einen Erbprinzen verlegen. Und zu diesen köstlichen Phantasieen bekommt man gute Suppe, gutes Fleisch, gutes Brod, ein gutes Bett und das Haar umsonst geschoren – im Narrenhaus nämlich –, während ich mit meiner gesunden Vernunft mich höchstens noch zur Beförderung der Reife auf einen Kirschbaum verdingen könnte, um – nun? – um?
Du solltest unbedingt den Film  Antoninas Welt sehen, falls nicht längst gesehen.

Darin enthalten die Figur eines einsiedlerischen Philosophen ("Krummer Finger"), der sich mit einem hochbegabten Mädchen am liebsten unterhält und sie Philosophie lehrt. Er ist völlig pessimistisch und begeht daher folgerichtig schließlich Suizid. Garniert mit prachtvollen Zitaten toter Griechen. Der Film sollte verpflichtend an Schulen gezeigt werden.

Antwort geändert am 25.03.2023 um 12:25 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 25.03.23 um 15:57:
Sokrates - ich lese ihn im Rahmen des sog. griechischen Pessimismus - war ein Pessimist, was die Bewertung des Lebens angeht. Dazu gibt es mehrere Stellen, also auch andere als die im Phaidon. Sein letztes Wort in der Apologie ist eines davon.
Allerdings muß man, das weißt Du, immer schauen, was am platonischen Sokrates Sokrates und was Platon ist.
Die These des Höhlengleichnisses, daß wir in einer Scheinwelt leben, ist möglicherweise diejenige Platons.

Hier noch ein Zitat aus der Apologie, die mit hoher Wahrscheinlichkeit die Stimme des Sokrates ist:

Laßt uns aber auch so erwägen, wieviel Ursache wir haben zu hoffen, es [sc. das Totsein] sei etwas Gutes. Denn eins von beiden ist das Totsein: entweder so viel als nichts sein noch irgend eine Empfindung von irgend etwas haben, wenn man tot ist; oder, wie auch gesagt wird, es ist eine Versetzung und Umzug der Seele von hinnen an einen andern Ort. Und es ist nun gar keine Empfindung, sondern wie ein Schlaf, in welchem der Schlafende auch nicht einmal einen Traum hat, so wäre der Tod ein wunderbarer Gewinn. Denn ich glaube, wenn jemand einer solchen Nacht, in welcher er so fest geschlafen, daß er nicht einmal einen Traum gehabt, alle übrigen Tage und Nächte seines Lebens gegenüberstellen und nach reiflicher Überlegung sagen sollte, wieviel er wohl angenehmere und bessere Tage und Nächte als jene Nacht in seinem Leben gelebt hat, so glaube ich, würde nicht nur ein gewöhnlicher Mensch, sondern der Großkönig selbst finden, daß diese sehr leicht zu zählen sind gegen die übrigen Tage und Nächte. Wenn also der Tod etwas solches ist, so nenne ich ihn einen Gewinn, denn die ganze Zeit scheint ja auch nicht länger auf diese Art als eine Nacht.

[40c-e]

 Graeculus meinte dazu am 25.03.23 um 15:58:
Daß Du eine Reihe für Dich respektabler Suizidenten nennst, dafür danke ich Dir.

 Graeculus meinte dazu am 25.03.23 um 15:59:
Den von Dir erwähnten Film kenne ich übrigens nicht.

 Dieter Wal meinte dazu am 25.03.23 um 16:30:
Daß Du eine Reihe für Dich respektabler Suizidenten nennst, dafür danke ich Dir.
Was meintest Du damit? Jeder Suizident ist respektabel.

 Regina meinte dazu am 25.03.23 um 17:17:
Jesus taugt erst recht nicht als Suizident, weil er ja die Fähigkeit hatte, aufzuerstehen. Wenn einer das kann, ......

 Dieter Wal meinte dazu am 25.03.23 um 19:50:
Jesus taugt erst recht nicht als Suizident, weil er ja die Fähigkeit hatte, aufzuerstehen.
@Regina?:

Süß. War da grad Deine sechsjährige Tochter am PC?

 Graeculus meinte dazu am 25.03.23 um 23:30:
An Dieter Wal:


Was meintest Du damit? Jeder Suizident ist respektabel.

So deutlich hattest Du diesen Deinen Standpunkt noch nicht ausgesprochen.

 Graeculus meinte dazu am 25.03.23 um 23:35:
An Regina:


Jesus taugt erst recht nicht als Suizident, weil er ja die Fähigkeit hatte, aufzuerstehen.

Jesus ist nicht auferstanden; das ist eine Konstruktion des Paulus, um der dahindümpelnden Gemeinschaft von dessen Anhängern eine neue Perspektive zu geben. Schau dir die Auferstehungsberichte der Evangelien mal im Vergleich an, dann wirst du wohl merken, daß sie sich in den Details dermaßen widersprechen, daß solche Zeugenaussagen etwa vor Gericht nur Kopfschütteln auslösen würden.

Das Christentum, wie wir es kennen, ist eine Kreation des Paulus. Alle Evangelien sind nach dem Beginn seines Einflusses entstanden.

 Dieter Wal meinte dazu am 26.03.23 um 00:05:
@Graeculus:

Pinchas Lapide schrieb ein schmales, doch umso gehaltvolleres Buch, "Auferstehung: ein jüdisches Glaubenserlebnis". Darin erklärt er sich das sprunghafte Aufkommen des Christentums mit diversen Erlebnissen von Menschen, die dem Auferstandenen begegnet sein wollen.

Kazanzakis Jesus-Roman kommt bestens ohne Auferstehung aus. Es ist der vielleicht schönste, den ich kenne. Messadiés "Ein Mensch namens Jesus" finde ich mindestens so lesenswert. Nach diesem Roman starb Jesus nicht am Kreuz, sondern überlebte. Berührende Darstellungen.

Pauli Wirken als bedeutendster Briefautor der Weltliteratur wird verständlicher, wenn man ihn als prophetische Gestalt begreift.

Es gibt eine in meinen Augen sehr schöne Fantasy-Geschichte im NT: Die  Emmauslegende. Ich ließ mich häufiger durch sie inspirieren. Man könnte sagen, die literarisch mit Abstand besten Darstellungen des Auferstandenen finden sich in der Berufungsvision der Johannes-Offenbarung. Also ausschließlich in prophetischen Texten. Dagegen sind die widersprüchlichen Osterberichte der Evangelien blass. Darin wird das Dilemma deutlich, das Sprache über unaussprechliche Dinge offenlegt.


Antwort geändert am 26.03.2023 um 00:18 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 26.03.23 um 00:11:
Wahrscheinlich verdient dieses Thema eine tiefere Betrachtung. Aber Reginas banale Bemerkung verdiente sie m.E. nicht.
Im Ansatz stimmst Du mir aber anscheinend zu, daß es hier nicht um historische Berichte geht.

 Dieter Wal meinte dazu am 26.03.23 um 00:33:
Im Ansatz stimmst Du mir aber anscheinend zu, daß es hier nicht um historische Berichte geht.
Historische Geschichtsschreibung entzieht sich solchen Kategorien. Tatsächlich gelang es, Heinrich Seuses Epiphanie in Worten mitzuteilen. Das war damit verglichen noch relativ leicht. Wie schwierig dürfte es dagegen sein, Erlebnisse sprachlich adäquat mitzuteilen, wenn wir von Erscheinungen eines Auferstandenen berichten, die sich tatsächlich ereignet haben könnten?


Prinzipiell müsste man wohl von Legenden sprechen. Doch finde ich es in Anbetracht zahlreicher Vergleichsmöglichkeiten bei Mysterienreligionen armselig, solche Legenden einfach ins Reich der Märchen und Fabeln abzuschieben. Warum gibt es christliche Religionen, doch keinen Mithraskult. Warum haben sich jüdische und christliche Formen so weit auseinanderentwickelt? Was macht ein Religiosum aus? Ist die Vorstellung von Auferstehung im Kern ein Religiosum?

Antwort geändert am 26.03.2023 um 00:36 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 26.03.23 um 16:31:
Das sind schwere Fragen. Sie überschreiten die Grenzen des gegenwärtigen Themas, aber ich möchte kurz erwähnen, daß ich mich Wittgensteins These von verschiedenen Sprachtypen anschließe, derzufolge es Sachaussagen (richtig/unrichtig), Aussagen über Sprache (wahr/falsch) und symbolische Aussagen gibt; zu den letzteren gehören die religiösen Aussagen (orthodox/heterodox). Vom Sinn her sind sie Entscheidungen für eine bestimmte Lebensführung, und es wäre ein schwerer Fehler, eine Verwechslung der Ebenen, wollte man sie als richtig ("Blei ist schwerer als Aluminium") oder wahr ("Ein Satz benötigt ein Subjekt") interpretieren.
Leider äußert sich Wittgenstein nicht explizit über Mythen, sicherlich würde er sie zu den symbolischen Aussagen rechnen.
Jedenfalls wird die Frage, ob Religionen oder religiöse Berichte wahr seien, obsolet.

 Quoth (24.03.23, 09:35)
Gut, vor sallem auch dadurch, dass Du, Graeculus, indem Du Dich dem relativ neuzeitlichen Phänomen der Depression zuwendest, Dich nicht auf antike Beispiele zurückziehst. Es würde lohnen zu untersuchen, ob nicht gerade der sog. Fortschritt die Depression um sich greifen lässt: Wir haben alles, Nahrung, Kleidung, Sauberkeit, medizinische Versorgung, hohe Lebenserwartung, viel Entscheidungsfreiheit - und trotzdem kann uns die "raison d’être", der Sinn, plötzlich abhanden kommen - und die Überkuppelung durch gemeinsame verbindliche und überlieferte Anschauungen, auf die wir rekurrieren könnten, fehlt völlig ...

Was mich interessieren würde: Durch das Bild der Treppe von Tucholsky schimmert eine Art vergrößertes Münzporträt ... Was zeigt es?

 Graeculus meinte dazu am 24.03.23 um 15:06:
Ich staune immer wieder, wie meine Liebe zur Antike beurteilt wird. Ist das ein Rückzug, wenn ich auf Beispiele aus der Antike zurückgreife?
Andererseits sind, wenn es um Fragen wie Suizid geht, auch die Neuzeit und die Moderne in meinem Blick. Und Du nimmst anscheinend an, daß die heutigen Lebensumstände uns eo ipso näher sind. (Für mich gilt das nicht ohne weiteres: ich bin ein Heide.)

Weder das Vorkommen von Depressionen (die ja nicht deckungsgleich sind mit der ab Hippokrates oft behandelten Melancholie) noch Suizide aufgrund im Vergleich primitiver Lebensbedingungen sind für die Antike gut bezeugt.

Die Zunahme von Depressionen heute ist ein erstaunliches Phänomen, dessen Ursache m.W. nicht geklärt ist.

Den 'Hintergrund' der Treppe hast Du fein beobachtet. Die Erklärung: Ich habe die rororo-Ausgabe von Tucholskys Gesammelten Werken benutzt, und rororo alias Rowohlt hat damals noch Werbung in den Taschenbüchern gedruckt; in diesem Falle handelt es sich um eine Gedenkmünze für Alfred de Musset, die für den Kauf von Pfandbriefen und Kommunalobligationen wirbt.

 Quoth meinte dazu am 24.03.23 um 17:41:
Hallo Graeculus, "Liebe zur Antike" ist untertrieben - Du hältst sie für maßstabsetzend, manchmal vielleicht sogar für vorbildhaft. Damit bist Du in guter Gesellschaft unserer Klassiker, vor allem Winckelmanns. Und Deine Selbstbezeichnung als "Heide" ist ebenfalls eher eine Untertreibung und auch ein bisschen kokett. Heiden waren (und sind - Neopaganismus) Anhänger einer nichtmonotheistischen Religion. Glaubst Du an Jupiter, Mars und Venus? Nein, Du bist bekennender Atheist, und dazu würde ich stehen!

Die Depression trat m.E. in älteren Zeiten, auch im alten Rom, seltener oder gar nicht auf, weil der Existenzkampf sehr viel härter war, Fleiß und Engagement für die tägliche Daseinsvorsorge bei viel geringerem Erfolg viel notwendiger. Die Depression ist für mich u.a. auf Überfluss an materiellen Mitteln bei gleichzeitigem Sinnverlust und Lebensüberdruss zurückzuführen.  Kapitel 19 "Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage" in "Eine kurze Geschichte der Menschheit" von Yuval Noah Harari war für mich augenöffnend. Gruß Quoth

 Graeculus meinte dazu am 24.03.23 um 18:35:
1. Doch, ich bin ein Heide, unkokett gesagt. Das antike Heidentum, dem  ich mich verbunden fühle, enthält ein breites Spektrum von Ansichten zur Religion: von abstrusen rituellen Gebräuchen über einen staatlichen Götterkult bis hin zu intellektueller Zurückhaltung gegenüber dem Volksglauben und der Überzeugung, Götter seien personifizierte Vorstellungen von Naturkräften (Euhemerismus); interessant und sehr lesenwert ist Senecas Schrift "De superstitione / Über den Aberglauben", die leider nur in Zitaten bei Augustinus ("De civitate Dei"), also alles andere als vollständig erhalten ist.

Fasziniert bin ich von Dionysos - ein wirklich spannender Gott.

2. Bei Deiner Hypothese fällt mir der Gedanke ein, daß dann doch zumindest in der antiken Oberschicht, die einen Überfluß an materiellen Mitteln genoß, etwas von Depression zu finden sein müßte. Das mag auch so sein - wir können diese Menschen halt nicht mehr mit den heutigen diagnostischen Methoden untersuchen. Aber ich scheue mich, den sog. "griechischen Pessimismus" oder die eigentümliche emotionale Verfaßtheit des Kaisers Tiberius als Symptom von Depression zu bezeichnen. Möglich wär's, aber ich weiß es nicht.
Immerhin gab es - das Corpus Hippocraticum bezeugt es - die Melancholie.

 Regina (24.03.23, 10:10)
Auch dieser Text arbeitet wiederum mit historischen Beispielen, wenn diese auch historisch nicht so weit entfernt sind wie die antiken Beispiele des ersten Artikels. Aber immerhin werden die Selbsttöter hier nicht als Helden dargestellt wie im ersten Text, sondern als das, was sie sind: Leidende, Kranke. Die Zeilen über den noch lebenden Bob Dylan sind überflüssig. Da ist das Erschöpfungssyndrom bei Tucholsky und die schwere Krankheit bei den Frauen. Vom diesseitigen Standpunkt, den der Autor einnimmt, erscheinen die Suizide verständlich. Es ist aber immer eine geistliche Frage gewesen, wenn Religionen den Suizid verbieten, nur in Ausnahmefällen zulassen oder auf Konsequenzen hinweisen. Meine Frage bei Suizidtexten war seit eh und je "Welche Auswirkungen kann der Text auf einen (evtl. jugendlichen) Leser haben?" Und da sollte eben keine Ermunterung impliziert sein, Suizid auszuführen. Dabei muss auch an unüberlegte Kommentare gedacht werden. Was hier absolut fehlt, ist eine Triggerwarnung und der Hinweis auf Hilfsangebote, die es derzeit durchaus gibt, im Fall einer Gefährdung. Der Hinweis, dass die therapeutischen Hilfsmittel beschränkt seien, kommt zu lapidar herüber und trifft vor allem dann zu, wenn die Leidenden und deren Angehörige keine oder zu spät Hilfe suchen. Dabei kann rund um die Uhr ein Telefonat geführt und psychiatrische wie Medizinische Maßnahmen angefordert werden, was für die Tucholsky-Zeit sicherlich nicht im gleichen Maße zutrifft. Auch wenn das kein Glorifizierungstext ist, macht der Autor den Eindruck, er wolle in schweren Fällen zum Suizid ermuntern.

Kommentar geändert am 24.03.2023 um 12:17 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 24.03.23 um 15:58:
Wie du weißt, stimme ich dir ganz und gar nicht zu. Du nimmst eine Perspektive auf das Leben ein, die ich nicht teile. Aus dieser Perspektive erscheinen dir Suizidenten als Leidende und Kranke. Aus meiner Perspektive sind sie das manchmal, manchmal nicht. Manchmal ist ein Suizid eine vernünftige Entscheidung.

Ferner solltest Du den negativen Standpunkt, den die drei monotheistischen Religionen ohne einen direkten Beleg in ihren heiligen Schrift! einnehmen, nicht auf alle Religionen verallgemeinern. Eigentlich nicht einmal auf die drei genannten Religionen, die nämlich allesamt das freiwillige Sterben für den Glauben oder für Gott kennen; und alle drei kennen sie das Ideal des Heiligen Krieges.

Am weitesten auseinander sind wir sicherlich darin, daß du das Leben als unbedingten und höchsten Wert ansiehst, was alles andere als selbstverständlich, vielmehr lediglich ein in unserer heutigen Kultur weitverbreitetes Vorurteil ist.
Sokrates könnte dich da eines Besseren belehren, wenn du bereit wärest, seine Frage ernsthaft in Erwägung zu ziehen: Ist nicht das Leben die Krankheit und der Tod die Heilung?
So ganz fremd ist dies ja nicht einmal den Christen mit ihrem Glauben an das irdische Jammertal und die nach dem Tod zu erwartende Herrlichkeit. Nicht, daß ich solche Erwartungen hätte, aber es zeigt doch, daß die Frage von Leben und Tod auch in unserer Tradition so ganz einfach nicht abzufertigen ist.

Nebenbei gefragt: Was sagt eigentlich der Taoismus über Suizid? In den Film "China, mein Schmerz" begeht ein taoistischer Mönch Suizid, wobei es im Kontext dieses Films ganz klar ist, daß es sich um einen vollkommenen Menschen handelt. Er tut das übrigens zugunsten eines anderen Menschen; aber er selbst stößt sich das Messer in den Leib.

 Graeculus meinte dazu am 24.03.23 um 16:20:
Noch ein Unterschied, Regina: Mir ist es wichtig, die Betreffenden zu Wort kommen zu lassen, sie zu hören, während du nur über sie schreibst.

Schon Heinrich von Kleists Abschiedsbrief, in dem er von einer unaussprechlichen Freude (!) im Angesicht des Todes schreibt, sollte eigentlich einiges, was du voraussetzt, infrage stellen.

 Graeculus meinte dazu am 24.03.23 um 18:02:
Und noch zur Ergänzung, im Grunde als Information für alle:

In dem Buch

Klaus Kamphausen

Ich bringe mich um!
Das Leben ist (k)eine Alternative.

München 2011

gibt der Autor eine weltweite Statistik über Suizide auf der Basis von WHO-Angaben wieder - mit dem Zusatz: "Da die WHO auf Zahlen angewiesen ist, die sie von den einzelnen Staaten zur Verfügung gestellt bekommt, kann die folgende Tabelle nur so genau sein, wie die Verfahren, mit denen diese Zahlen in den einzelnen Staaten ermittelt und von diesen zur Verfügung gestellt wurden." (S. 286)

Jetzt kommt der Hammer: Nur drei islamische Länder haben überhaupt Zahlen erhoben bzw. der WHO zur Verfügung gestellt: Iran, Syrien und Ägypten. Deren Zahlen, auf Suizide pro 100000 Einwohner bezogen, lauten 0,2; 0,1; 0,0.
Zum Vergleich: Weißrussland 35,1 (Spitzenreiter); Österreich 15,4; Deutschland 11,7.

Entweder betreiben diese drei islamischen Länder eine wunderbare Suizid-Prävention, oder sie lügen sich und uns die Hucke voll.

Ebenfalls ein Problem: Die Zahl für Deutschland ist sehr alt im Vergleich zu den anderen (1991). Woran das liegt, weiß ich nicht.

 Regina meinte dazu am 24.03.23 um 18:42:
Hier arbeitest du aber glatt mit Unterstellungen. die Religionen lehnen den Suizid streng ab wie Islam und traditioneller Katholizismus, sie lassen Ausnahmen zu wie das Judentum und der Hinduismus oder sie weisen auf folgen hin wie Buddhismus und Anthroposophie. Es ist richtig und merkwürdig, dass die drei Buchreligionen den Suizid nicht erwähnen außer bei Judas, aber keine geistliche Richtung erlaubt oder empfiehlt ihn auch. Ganz fehl gehst du in der Annahme, was ich angeblich alles über Leben und Tod denke, tue ich nicht. Sondern über Suizid. Ob die islamischen Zahlen gefakt sind, kann ich nicht sagen. Aber schon im 19. Jhdt. beobachtete man, dass der katholische Glaube, dem ich nicht anhänge, ein besserer Schutz war als protestantisch. Ja, ich teile die psychiatrische Einschätzung, dass die meisten Suizide aufgrund einer psychischen Krankheit oder Störung zustande kommen.Und zu Sokrates habe ich die Frage "Wurde er nicht verurteilt zum Schierling trinken?"

Und noch was, Graecu: Rudolf Steiner erklärt, dass der Suizident es ist, der so sehr am Leben hängt, dass er es, wenn es nicht mehr perfekt nach seinen Vorstellungen läuft, sagt, das hat jetzt die Qualität nicht mehr, ich beende es. Wer den Perfektionsanspruch nicht hat, ist eher geneigt, das bis zum Ende durchzuhalten. Nach Steiner rächt sich das im Nachtod, aber damit brauche ich dir nicht zu kommen, das weiß ich schon.

Antwort geändert am 24.03.2023 um 18:43 Uhr

Antwort geändert am 24.03.2023 um 19:06 Uhr

 Verlo meinte dazu am 24.03.23 um 20:29:
Regina:

Rudolf Steiner erklärt, dass der Suizident es ist, der so sehr am Leben hängt, dass er es, wenn es nicht mehr perfekt nach seinen Vorstellungen läuft, sagt, das hat jetzt die Qualität nicht mehr, ich beende es.

Wer den Perfektionsanspruch nicht hat, ist eher geneigt, das bis zum Ende durchzuhalten. 

Interessante Gedanke, Regina.

Vielleicht kommt der "Perfektionsanspruch" von vorher erlebten Leid, das man keinesfalls wiederholen möchte.

 Graeculus meinte dazu am 25.03.23 um 00:20:
An Regina:

Deine Aussagen zu den Unterschieden bei den genannten Religionen sind weitgehend zutreffend - nur sind das natürlich nicht alle Religionen; deshalb habe ich dich auf den Taoismus und den chinesischen Film über einen Heiligen, der Suizid begeht, angesprochen.

Außer dem Fall des Judas gibt es noch einen zweiten Bericht über einen Suizidenten in der Bibel, nämlich den Fall des Saul. In beiden Fällen wird der Suizid nicht verurteilt, bei Judas nur das, was er vorher getan hatte.

Die These Rudolf Steiners erinnert mich an eine ähnliche Aussage Arthur Schopenhauers, als er nämlich den Suizid als eine spezielle Art der Bejahung des Willens bezeichnet (mit Ausnahme des freiwilligen Hungertodes). Wir brauchen hier diese Parallele aber nicht zu vertiefen, sondern können uns auf den Inhalt von Steiners Aussage konzentrieren: Ich halte sie nicht für völlig falsch, aber auch nicht für sehr tiefgehend. Dies deshalb, weil die Fälle von Suizid, die ich hier vorstelle, wohl kaum durch einen Perfektionismus der Andsprüche an das Leben gekennzeichnet sind, sondern durch den Verlust aller Fähigkeiten, die das Leben für die Betreffenden lebenswert machen. Dem Hannibal z.B. stand nur noch ein demütigender Tod oder ein schneller Tod durch eigene Hand als Alternative zur Verfügung.

 Graeculus meinte dazu am 25.03.23 um 00:21:
Das beantwortet dann hoffentlich auch Verlos Beitrag.

 Regina meinte dazu am 25.03.23 um 16:14:
Loslassen können ist die Kunst des Sterbens, sich sukzessive lösen von allen Fertigkeiten, Fähigkeiten und Leidenschaften des Lebens im mittleren Alter. Das beginnt doch schon mit dem teilweisen Verlust der Sehkraft, was noch relativ leicht durch eine Brille zu kompensieren ist, dann können Einschränkungen der Mobilität kommen und Gesundheitsprobleme, wo der Arzt sagt, jetzt geht es aber nicht mehr ohne Tabletten. Kurz vor dem Tod wird der Mensch immer schwächer, bis er auch die Körperpflege nicht mehr selber verrichten kann. Also, der Verlust aller Fähigkeiten steht jedem früher oder später bevor. Damit verbunden ist die Loslösung auch von Hobbies und Leidenschaften, denen man in der Lebensmitte noch nach Herzenslust frönen konnte. Das muss man sich bewusst machen. Steiner, aber auch Nahtoderfahrene raten aber, diesen Prozess nach Möglichkeit nicht abzubrechen, sondern ihm seinen schrittweisen Lauf zu lassen. Ehrlich gesagt aber, die Befindlichkeit durchgeknallter Feldherren, die zuvor Tausende von Tötungen zu verantworten hatten, interessiert mich am wenigsten bei deinen Texten. Was mir nicht gefällt, ist, dass du hier gewissermaßen Reklame für Suizid machst, anstatt Möglichkeiten aufzuzeigen, wie das Leben durchgehalten werden kann. Einen Therapieversuch könnte man ja doch mal starten. Allerdings muss ich zugeben, dass das neue "Freiheitsgesetz", das den Suizid erlaubt, seit 2020 die Fallzahlen nicht erhöht hat. D.h. wer es tun will, tat es seit eh und je unabhängig von der Juristerei. Die  Frage ist spiritueller Natur. Und da erinnere ich mich an viele Diskussionen zwischen dir und Lothar. Dass ich angeblich das Leben als absoluten Wert sehe, ist falsch. Du tust das und sagst: Sackgasse, machen wir Schluss.

 Graeculus meinte dazu am 25.03.23 um 23:44:
Sterben ist ein allmählicher Prozeß. Hier reden wir nur darüber, ob er unter bestimmten Umständen abgekürzt werden darf oder sogar sollte. Wenn Steiner und Nahtoderfahrene (alle?) dagegen sind, dann sollen sie es bleibenlassen. Für andere ist das doch nicht verbindlich!
Steiner hatte auch nicht ALS, oder? Hatte er überhaupt schwere gesundheitliche Probleme, starke Schmerzen? Aber wie gesagt, es ist unter allen Umständen seine Sache.
Ich würde niemanden dazu drängen, niemals.

Wie du zu Hannibal stehst, ist ebenfalls deine Sache. Von mir aus kannst du dir auch ein anderes Beispiel für eine objektiv aussichtslose Lage denken. Vielleicht spricht dich ja ein Mexikaner, hinter dem Verbrecherbanden her sind, die in umzingelt haben und zu Tode foltern wollen, mehr an.

Wollte ich für den Suizid "Reklame" machen (was für ein abschätziges Wort!), dann wäre ich wohl in der DGHS und würde landauf, landab Vorträge zum Thema halten und Leute zur Mitgliedschaft in dieser Gesellschaft ermuntern.

 Regina meinte dazu am 26.03.23 um 03:03:
ALS ist eine sehr seltene Krankheit, ich weiß nicht, warum muss man unbedingt das Unwahrscheinliche diskutieren.
Die Juden gab es im Altertum auch schon, mit Gebot Nr. 5 "Du sollst nicht töten (bei dir morden)". sollte das nicht die Selbsttötung einschließen? Heute verbietet die jüdische Theologie die Selbsttötung, bis auf drei Ausnahmen (Verhinderung von Mord, Inzest oder Götzendienst). sind das dann Regeln neueren Datums oder vertraten sie diese vor Chr. auch schon? 
 



 Dieter Wal meinte dazu am 26.03.23 um 12:02:
Sterben ist ein allmählicher Prozeß.
@Graeculus:


Diese sehr schöne Formulierung lässt sich noch etwas verdichten:


Geburt ist Sterbens Anfang,
der Tod des Lebens strahlender Beginn

Dieses Epigramm entdeckte ich auf einem Adeligengrab im Coburger Friedhof. Es besteht komplett aus schwarzem Marmor. Es scheint mir nicht für Suizid zu sprechen, doch gefällt mir die sehr schöne Formulierung vom Tod als des Lebens strahlendem Beginn in der Verschränkung von Geburt als Sterbens Anfang.

Nicht annähernd so selbstbewusst, doch ähnlich schön wirkt dazu Dein Apologie-Zitat:


Laßt uns aber auch so erwägen, wieviel Ursache wir haben zu hoffen, es [sc. das Totsein] sei etwas Gutes. Denn eins von beiden ist das Totsein: entweder so viel als nichts sein noch irgend eine Empfindung von irgend etwas haben, wenn man tot ist; oder, wie auch gesagt wird, es ist eine Versetzung und Umzug der Seele von hinnen an einen andern Ort. Und es ist nun gar keine Empfindung, sondern wie ein Schlaf, in welchem der Schlafende auch nicht einmal einen Traum hat, so wäre der Tod ein wunderbarer Gewinn. Denn ich glaube, wenn jemand einer solchen Nacht, in welcher er so fest geschlafen, daß er nicht einmal einen Traum gehabt, alle übrigen Tage und Nächte seines Lebens gegenüberstellen und nach reiflicher Überlegung sagen sollte, wieviel er wohl angenehmere und bessere Tage und Nächte als jene Nacht in seinem Leben gelebt hat, so glaube ich, würde nicht nur ein gewöhnlicher Mensch, sondern der Großkönig selbst finden, daß diese sehr leicht zu zählen sind gegen die übrigen Tage und Nächte. Wenn also der Tod etwas solches ist, so nenne ich ihn einen Gewinn, denn die ganze Zeit scheint ja auch nicht länger auf diese Art als eine Nacht.
[40c-e]

Antwort geändert am 26.03.2023 um 12:06 Uhr

 Regina meinte dazu am 26.03.23 um 12:12:
Ja, Dieter, das mit dem strahlenden Beginn gefällt mir auch. Ich habe nichts gegen den Tod, Graeculus unterstellt mir das mit dem Leben als höchstem Gut, aber wenn man das Sterben gewaltsam herbeiführt, hat das nicht nur Auswirkungen auf die direkten Nachfahren, sondern auch auf entferntere Verwandte und andere Leute. Im ganzen kosmischen und gesellschaftlichen Gefüge ist man nie allein mit seinen Entscheidungen. Banales Beispiel aus der Diesseitswelt: ob und wieviele Kinder wir haben, wirkt sich später auf das Rentenniveau für alle aus, obwohl es eine individuelle und freie Entscheidung ist.

 Graeculus meinte dazu am 26.03.23 um 15:27:
An Regina:


ALS ist eine sehr seltene Krankheit, ich weiß nicht, warum muss man unbedingt das Unwahrscheinliche diskutieren.

Ach, Regina, wenn du zugibst, daß du Ausnahmen zuläßt, ist das aus meiner Sicht schon eine Gewinn.
MS ist übrigens keine so sehr seltene Krankheit, die ebenfalls in Bewegungsunfähigkeit mündet.

 Graeculus meinte dazu am 26.03.23 um 16:42:
An Dieter Wal:

Der Gedanke wr ja nicht auf meinem Mist gewachsen, er ist antik:

Nascentes morimur finisque ab origine pendet.
[Manilius: Astronomica]


Es fehlt, wie Du siehst, nicht Nach-Todes-Hoffnung.

Grabinschriften können faszinierend sein, aber auch platt.

 Graeculus meinte dazu am 26.03.23 um 16:44:
An Regina:

Falls meine Annahme, das Leben sei für dich der höchste Wert, nicht zutrifft (sie schien mir logisch zu folgen aus deiner Ablehnung des Suizids), nehme ich sie zurück.
Mir ist dann allerdings nicht mehr klar, warum es nicht Situationen geben sollte, in denen zugunsten eines höheren Wertes der Tod dem Leben vorzuziehen ist.

 Regina meinte dazu am 26.03.23 um 22:18:
Der Tod schon, aber nicht von eigener Hand.

 Dieter Wal meinte dazu am 27.03.23 um 14:50:
Nascentes morimur finisque ab origine pendet. „Schon wenn wir geboren werden, sterben wir, und das Ende beginnt mit dem Anfang."
@Graeculus:


Sehr schönes Epigramm. Danke! Wahrscheinllch kannte es der unbekannte Autor der Grabinschrift in Coburg.

 Graeculus meinte dazu am 27.03.23 um 15:22:
An Regina:

Warum nicht von eigener Hand? Wenn deine Füße zu verfaulen beginnen (Nekrose), werden sie amputiert. Wenn der ganze Leib unerträglich wird ...

 Graeculus meinte dazu am 27.03.23 um 15:24:
An Dieter:

Ich nehme an, daß er das kannte. Dieser Hexametervers war recht bekannt (im Unterschied zu dessen Autor).

 TrekanBelluvitsh (24.03.23, 15:06)
Wir leben gerade wieder in einer Zeit der Partikularinteressen. Der Kulturschaffende, der Ostdeutsche, der Bayer, der Aktionär, der Autofahrer, der Christ, der Muslim, der Jude, der Palästinenser, der Bildungsbürger, der Profifußballer (ich zähle mal nicht weiter auf)... alle leiden und es ist die Schuld der anderen.

Womöglich geht die Welt der Menschheit zugrunde. Aber hat sich schon mal jemand die Frage gestellt, dass es genau das ist, was die Menschheit soll, dass sie es gar nicht verdient, zu überleben?

 Graeculus meinte dazu am 24.03.23 um 16:00:
Ja, die Welt ist schlecht, speziell die Menschheit als gescheiterter Versuch der Natur, auf der Erde intelligentes Leben hervorzubringen.
Aber es ist nicht alles schlecht, denn Pessimismus ist gut.
Taina (39) meinte dazu am 24.03.23 um 16:11:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Graeculus meinte dazu am 24.03.23 um 17:02:
Pessimisten sind nicht zwingend griesgrämig. Viele Komiker sind, wenn man genau hinschaut, pessimistisch. Und denke nur an den Galgenhumor. Humor ist bekanntlich, wenn man trotzdem lacht.
Und Hölderlin schrieb über Sophokles das folgende Distichon:

Viele versuchten umsonst, das Freudigste freudig zu sagen;
Hier spricht endlich es mir, hier in der Trauer sich aus.

Das Lachen hat dann mehr Tiefe.

Auch von Trekan haben wir schon etliche witzige Werke zu lesen bekommen.

 Graeculus meinte dazu am 24.03.23 um 17:03:
Das mit der Menschheit können wir ja abwarten. Es sind nicht die Pessimisten, die deren Existenz gefährden. Putin ist kein Pessimist, und auch Donald Trump ist es nicht.

Antwort geändert am 24.03.2023 um 17:04 Uhr

 Terminator (24.03.23, 22:26)
Grund Nr. 3. versteht sich "sowas von" von selbst, dass es eine Selbstverständlichkeit ist, diesen selbstverständlicherweise zu akzeptieren. Der humoristische Pleonasmus soll überdies darauf hindeuten, wie sehr es sich hier um eine Privatsache handelt.

Grund Nr. 4: Hier haben wir es mit system(at)ischer Verlogenheit zu tun, und zwar von Menschen, die nicht wahr haben wollen, dass ein Suizid einen moralischen Grund haben kann, nämlich sein Leben zu beenden, bevor man zur Gefahr für andere wird. Psychotiker, Psychopathen, Pädophile, Suchtkranke usw. sind fähig, insofern oder solange sie schuldfähig bzw. zurechnungsfähig sind, sich selbst als Gefahr für Wohl und Leben anderer aus dem Verkehr zu ziehen.

Für mich persönlich wäre es erniedrigend, wenn ich durch irgendwelche psychischen oder geistigen Erkrankungen eine unkontrollierbare Gefahr für andere werden könnte. Ich will ja explizit nicht morden, vergewaltigen usw., das ist meine bewusste Entscheidung, und wenn diese durch eine psychische Krankheit zunichte gemacht wird, sodass ich gegen meinen Willen zum Affekmörder werde, dann bin ich nicht Herr meiner Selbst, sondern Sklave innerer Mächte, und als Sklave ist mir mein Leben nichts wert. Nur in Freiheit hat mein Leben für mich einen Wert.

 Verlo meinte dazu am 24.03.23 um 22:50:
Terminator, so schlimm ist es nicht, zu morden, zu vergewaltigen usw. 

Hat man den richtigen Auftraggeber, verdient man sehr viel Geld.

Ist also kein Grund, sich das Leben zu nehmen.

 Regina meinte dazu am 24.03.23 um 22:52:
Bei Grund 4 stehst du im Einklang mit dem Judentum, das drei Ausnahmefälle erlaubt: nämlich einen Mord, einen Inzest oder einen Götzendienst zu verhindern.

 Mondscheinsonate meinte dazu am 24.03.23 um 22:53:
Zum zweiten Absatz deines Kommentars, Terminator, da bin ich absolut geistig bei dir.
Graeculus, richtig, Liebe überwindet eben nicht alles (vor allem auch keine Werteunterschiede, anderes Thema). Mich irritiert nur die schöne Wortwahl des Briefes. An der sieht man gut, dass man krank sein kann, ohne, dass es bemerkt wird. Was für ein unvorstellbares Leid. Ganz schlimm.

 Terminator meinte dazu am 24.03.23 um 23:26:
Grund Nr. 4. verträgt sich natürlich mit der Sklavenmoral, mit der Wahnvorstellung, das Individuum sei der Gesellschaft grundsätzlich etwas schuldig, ja sogar sein eigenes Leben schuldig! Wenn einer sich "davonstiehlt", muss er schon, verflucht nochmal, einen guten Grund haben!! Wenn er selbst schwer leidet oder nicht mehr kann oder nicht mehr will, ist das noch kein guter Grund; erst wenn er für mich zur Gefahr wird, dann darf, ja dann soll er sich er sich gefälligst umbringen!!! Derart sind fast alle Menschen in einen kollektiven Narzissmus verstrickt, der jeden einzelnen auffordert, als Quelle von narcissistic supply, als Publikum, als offenes Ohr, als jederzeit dienstbereiter Sklave einem nebulösen Kollektiv erhalten zu bleiben.

Mir gelten moralische Argumente nichts, wenn sie aus verstecktem, verlogenen Egoismus kommen. Wenn "Suizidprävention" durch Zwangsbeziehungen, durch Erpressung, durch Beschämung, durch "keine Luft zum Atmen geben" zustande kommt, bewirkt sie nur noch mehr Suizide, aber auch Gewalt gegen andere. Gehen wir nach dem libertären Grundsatz "Jeder lässt jeden in Ruhe" miteinander um, wird viel weniger Suizidprävention nötig sein, weil das soziale Leben nicht mehr durch das ständige Beschämen, Beschuldigen, Erpressen, auf den Sack gehen, Hausieren gehen, Aufmerksamkeit fordern, Liebe erzwingen wollen, Ansprüche stellen usw. vergiftet wird.

Die Lust, am Leben zu bleiben, fördern wir in anderen, indem wir sie ihnen vorleben. Wer einem die Lust am Leben nimmt und dann sagt: "Du hast aber die Pflicht, am Leben zu bleiben!" , und das tun viele einzeln und kollektiv, der ist daran mitschuldig, dass für seine Mitmschenen oft der Suizid als einziger Ausweg bleibt.

Durch die Diskussion der letzten drei Wochen steht mein alter Grundsatz "Suizid ist Privatsache, außer du hast minderjährige Kinder", für mich nicht mehr zur Debatte. Bei sämtlichen "moralischen" Argumenten gegen den Suizid enthüllten sich amoralische, ja antimoralische Abgründe. Das Recht auf sich selbst halte ich für unveräußerlich. Es ist das basalste Recht überhaupt. Wer es bestreitet, oder auch nur relativiert, untergräbt alles, worauf Moralität, Humanität und Zivilität basieren.

 Graeculus meinte dazu am 25.03.23 um 00:26:
Dank Terminators vorletztem Beitrag könnte sich, so hoffe ich fast, ein Konsens im Hinblick auf den Typ 4 ergeben: wenn sogar das Judentum dies billigt.
Ich bin mir nicht sicher, ob christliche und islamische Theologie hierzu eine andere Alternative bieten als die Zwangsjacke (in physischer oder pharmazeutischer Version).

Dazu habe ich ja noch den Fall des inoperablen Hirntumors bei der Frau eines Freundes erwähnt.

 Graeculus meinte dazu am 25.03.23 um 00:28:
An Mondscheinsonate:

Du hast recht, der Brief ist von vollendeter Schönheit und Tiefe. Tieftraurig ist er obendrein: daß man merkt, man wird für geliebte Menschen gefährlich.

 Graeculus meinte dazu am 25.03.23 um 00:32:
An Terminator:

Das ist ein sehr guter Gedanke, der nach meiner Übersicht über die Diskussionen der letzten Wochen (aber wer hat da noch den Überblick?) bisher nicht zur Sprache gekommen ist: Ist nicht ein Großteil der Argumente gegen den Suizid eigennützig?
Wenn wir Max Stirner einmal ernstnehmen, kann man ja sogar von einem Eigennutz Gottes sprechen, was dann die ganzen religiösen Argumente infrage stellt. Gott will, daß wir SEIN Geschenk gefälligst annehmen und bis zum Letzten pflegen.

 Graeculus meinte dazu am 25.03.23 um 00:44:
An Terminator:

Kennst Du den Abschiedsbrief von Konrad Bayer? Er könnte eindrucksvoll für dich sein:

man muß sich umbringen um die hoffnung zu begraben. es gibt keine hoffnung.
jedoch ist ein lebender mensch ein hoffender. contradictio in se.
frage: worauf hoffen?
es gibt nichts was zu erreichen wäre außer dem tod.
also, üblicherweise wird versucht ein ziel möglichst schnell zu erreichen, wenn es bekannt.
ich habe gegen meine natur versucht und gegen meinen instinkt (!) den optimistischen standpunkt einzunehmen. ich habe viel versucht. ich habe gegen mein besseres wissen behauptet: das leben ist wert gelebt zu werden um seiner selbst willen. wie dumm, ein vorwand diese unangenehme prozedur nicht vornehmen zu müssen. es gibt keine schuld, keine sünde, nicht gut, nicht böse, keinen gott, keine möglichkeit, nur den schein für den schein leben zu können. wozu der mensch als ethische fehlkonstruktion mit ethischer einstellung behaftet sein kann? ein scherz. es ist gräßlich, daß die hoffnung wie ein böses geschwür bis zur letzten sekunde wuchert. die dinge bleiben wie sie sind. idealismus ist unangebracht. unter diesen auspizien vertrete ich (natürlich nur für mich, da ich ja mit dieser meinung behaftet bin) als richtig, der. falsch, für. ich bin einfach nicht einverstanden, würde gerne den menschen gegen das tauschen wofür er sich hält oder fälschlich für möglich hält zu erreichen. so betrachtet will ich gerne den anfang machen, das gute beispiel. –
Da stockt, meine ich, einem braven Psychotherapeuten der Atem.

Antwort geändert am 25.03.2023 um 00:45 Uhr

 Verlo meinte dazu am 25.03.23 um 03:21:
Graeculus:

man [Virginia Woolf] merkt, man wird für geliebte Menschen gefährlich.
Das ist aber meist ein einseitiges Gefühl.

Ich habe meine Freundin S. mehrmals versucht zu erklären, zu beweisen, daß sie sich deshalb keine Sorgen machen muß: ich bin erwachsen und werde mich melden, wenn es mir zu viel ist.

Sie hat darauf beharrt, daß ich es nicht tun werde, weshalb sie sich zurückziehen muß.

Ich glaube, sie wollte einfach nur allein sterben. Bzw. allein sein, um sich weniger schuldig zu fühlen, weniger gezwungen zu fühlen, Rücksicht zu nehmen.

Es ist einfach, Schluß zu machen, wenn man allein ist.

David Foster Wallace zB gewartet, bist seine Frau nach langer Zeit wieder einmal Erledigungen machen wollte. Sie hat ihn vorher gefragt, ob sie für einige Stunden das Haus verlassen könne, ob er sich gut genug fühlt. Ja, mach dir keine Sorgen, ich fühle mich gut genug.

 Terminator meinte dazu am 25.03.23 um 05:10:
es gibt keine schuld, keine sünde, nicht gut, nicht böse, keinen gott, keine möglichkeit, nur den schein für den schein leben zu können. wozu der mensch als ethische fehlkonstruktion mit ethischer einstellung behaftet sein kann? ein scherz. es ist gräßlich, daß die hoffnung wie ein böses geschwür bis zur letzten sekunde wuchert. die dinge bleiben wie sie sind. idealismus ist unangebracht
Das erinnert an Cioran, aber dieser starb nicht mit 31, sondern mit 84. Er hielt das Leben für so sinnlos, dass er selbst im Suizid keinen Sinn sah.

 AchterZwerg meinte dazu am 25.03.23 um 07:02:
Durchweg interessante Kommentare, Terminator, wenn ich das einmal bemerken darf. :)

In Richtung Norwegen gilt: Depression und Schizophrenie sind völlig unterschiedliche psychische Erkrankungen!

 Verlo meinte dazu am 25.03.23 um 07:09:
Zwerg:

In Richtung Norwegen gilt: Depression und Schizophrenie sind völlig unterschiedliche psychische Erkrankungen!

Danke, ich dachte, sind dieselben, haben nur verschiedenen Namen.

 Augustus meinte dazu am 25.03.23 um 09:13:
Den Suizidenten fehlt es auch an der Betrachtung der Schönheit. Ihnen wird alles hässlich dargestellt. Sie können auch anscheinend schöne Erlebnisse überhaupt gar nicht mehr pflegen. Ihr Garten der Erinnerungen ist ein ungepflegt, wuchernder Garten. 

Genau diesen Zustand, diese Diskrepanz beschreibt Virginia wolffs Brief. 

Es gilt nicht nur ständig neue schöne Blumen dem Garten zuzuführen, weil viel schwerer, es gilt den Garten schön zu erhalten. 

An diesem Konflikt hat sich Virginia wolff zermartert. Sie wollte ihrem Gatten den ungepflegten Garten nicht anmaßen. Wo es ihrem Gatten doch schon ausgereicht hätte, wenn sie die schönen erlebten Erinnerungen neben ihm einfach nur „verwaltet“ (unschönes Wort) hätte.

Dagegen scheitern viele Ehen, viele Beziehungen, wenn sie in die Zukunft reisen, und sie die schönen Erlebnisse aus der Vergangenheit, die sie erlebt haben, nicht mehr toppen können. Die trostlose Gegenwart überlagert die schöne Vergangenheit. Die Ehe zerbricht, weil einer zumindest weiter (süchtig) nach schönen qualitativen  Erlebnissen aus ist, während er andere vllt. mit einem kleinen schönen gestalteten seelischen Garten, den er sich gepflanzt hat, zufrieden geworden ist.

 Regina meinte dazu am 25.03.23 um 09:15:
"Durchweg interessante Kommentare, Terminator, wenn ich das einmal bemerken darf. "
Mit Terminator kann ich da auch mehr anfangen, weil er von eigenem Erleben berichtet und auch, wie er die Suizidneigung vorerst überwunden hat, während bei Graeculus die eigenen Motive für die Texte im Verborgenen bleiben, allenfalls in Rekommentaren darauf hingewiesen wird, nämlich die Gegenreaktion zu einer streng katholischen Erziehung und die Demenz seiner Mutter, beides traumatische Erfahrungen, die bearbeitet werden sollten. Mein Aufwachsen in einem bunt gewürfelten Elternhaus, wo katholische, evangelische und atheistische Einstellungen sich versuchten, zusammenzufügen und bei den Kindern schließlich ein suchen nach geistigen Alternativen auslösten, ist eben ganz anders verlaufen.

Antwort geändert am 25.03.2023 um 09:18 Uhr
Taina (39) meinte dazu am 25.03.23 um 09:20:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Terminator meinte dazu am 25.03.23 um 09:38:
Mit Terminator kann ich da auch mehr anfangen, weil er von eigenem Erleben berichtet und auch, wie er die Suizidneigung vorerst überwunden hat,
Ein bei der Aufzucht nicht artgerecht gehaltenes Tier sollte als Ausnahme gesehen werden, und seine Erfahrung nicht zu allgemeingültigen Schlüssen verallgemeinert. Meine Kindheit und Schulzeit war für den Autisten, der ich bin, Folter. Die Dauerbeschallung, der extranormative Terror, das nicht-in-Ruhe-gelassen-worden-sein haben mich derart traumatisiert, dass ich lieber Suizid begehe, als wieder auf einen anderen Menschen angewiesen zu sein. Das ist als einzelnes, extremes Beispiel zu sehen, und mehr nicht.


Diese Realtivierung scheint die Position "Das Recht auf sich selbst ist unveräußerlich, und dazu gehört auch das Recht auf Suizid" abzuschwächen, doch sie tut genau das Gegenteil. Auch ohne ein Kindheitstrauma, mit reiner Logik, lässt sich diese Position begründen. Ich weiß, dass ich befangen bin, und kein objektives Urteil fällen kann. Graeculus kann durchaus in dieser Sache objektiv urteilen, da das ihn persönlich Betreffende hypothetisch ist und in einer möglichen Zukunft liegt. In aller Ruhe und mit logischen Argumenten kann er sich fragen: "Was wäre, wenn?" Kein religiöser Mensch war in der Hölle, und Graeculus war selbst nicht dement, d. h. die Furcht vor diesem Zustand ist bei ihm nicht pathologisch, sondern, wie die rationale Höllenfurcht eines gläubigen Menschen, vollkommen rational nachvollziehbar.

Das ist es, Regina, was dir solch ein Unbehagen bereitet. Graeculus argumentiert nicht aus einer befangenen oder pathologisierbaren Position heraus, sondern rational. Auch nach 1000 arbiträren Ad-hoc-Argumenten wird seine Position unangreifbar bleiben, weil er in der Sache einfach Recht hat.

 Regina meinte dazu am 25.03.23 um 10:48:
Ich kann natürlich keine Ferndiagnose stellen, aber mir ist allein Graecus seltsamer Paganismusglaube suspekt, der weder das ist, was als Neopaganismus grassiert noch in der Antike auf die seine Art vertreten wurde, sondern ein individuelles Konstrukt darstellt, das er geschaffen hat, um dem Leid einer katholischen Erziehung zu entgehen. Des weiteren berichtet er von der Demenz seiner Mutter, die ihn erschreckt hat und auch das ist traumatisch. Auf dieser Basis spekuliert er in eine Zukunft, ohne wissen zu können, ob er nicht anders umkommt oder ob die Diagnose Demenz ihm je gestellt wird und wie er dann darauf reagieren wird. Und natürlich kann man, von der Antike über das Mittelalter bis hin zur Neuzeit, und aus allen möglichen Kulturen, Protagonisten als Beispiele für "erfolgreiche" und logisch begründete Selbsttötungen finden. Haben wir den Taoismus vergessen? Her mit einem Beispiel! Ich stehe da beinahe auf der islamisch-altkatholischen Position, die den Suizid verbietet, an zweiter Stelle neige ich zu der anthroposophischen Annahme, die erklärt, dass er sinnlos ist. Das ist natürlich unvereinbar, ist aber nichts Neues.

Antwort geändert am 25.03.2023 um 10:51 Uhr

 Verlo meinte dazu am 25.03.23 um 15:39:
Regina, schade daß man Kommentare nicht empfehlen oder als Favoriten kennzeichnen kann. 

Mit deinem hier von heute 10 Uhr 48 würde ich beides tun!

Außerdem würde ich dich nach Norwegen einladen, damit du dich von der deutschen Enge erholen kannst!

 Graeculus meinte dazu am 25.03.23 um 16:05:
An Verlo:

Es ist, wenn man das Gefühl hat, für andere gefährlich zu werden, sicherlich sinnvoll, vorsichtig zu eruieren, ob die das ebenso sehen. Das ist naturgemäß ein ganz heikles Gespräch, welches die Befragten unter einen hohen moralischen Druck setzt.
Die letztliche Entscheidung aber muß man selber treffen.

 Graeculus meinte dazu am 25.03.23 um 16:12:
An Terminator:

Den Konrad Bayer mit E. M. Cioran zu vergleichen, ist interessant; aber letztlich bleibt der große Unterschied: der eine hat es getan, während dem anderen die Möglichkeit, es zu tun, das Weiterleben ermöglicht hat.
Bayers Abschiedsbrief halte ich jedenfalls für große, ernste Literatur.

Und ja, zu der leidigen Diskussion um meine Person:
- Warum jemand einen Standpunkt vertritt, ist nicht so wichtig im Vergleich zu den Argumenten, die er vorträgt.
- Mir geht es a) um die Verteidigung einer Möglichkeit für den jetzt nicht absehbaren Fall der Fälle und b) darum, diejenigen, die Suizid begangen haben, gegen vorurteilsbelastete Urteile von außen in Schutz zu nehmen. Wir stehen nicht in ihren Schuhen, und manchmal erscheint es selbst von außen als sehr vernünftig.

 Graeculus meinte dazu am 25.03.23 um 16:17:
An Regina:

Im antiken Heidentum kenne ich mich gut aus. Es deckt ein breites Spektrum ab, beginnend mit schlichtem, auch abergläubischem Volksglauben über ein sehr rationales Verständnis von Religion (Euhemerismus, Senecas Abhandlung "De superstitione") und endend mit Skepsis. Auch Pyrrhon war ein Heide!
Was ich für mich daraus mache, ist meine Sache. Und warum ich es tue, erst recht.

 Graeculus meinte dazu am 25.03.23 um 16:19:
Jedenfalls mit neopaganem Kelten- und Druidenkult habe ich nichts im Sinn.

 Regina meinte dazu am 25.03.23 um 16:56:
Ja, interessant. Aber hast du die Hoffnung, dass deine Sichtweise je eine philosophische Breitenwirkung haben wird, abgesehen von einer auf Druidenfreaks à la Asterix und Obelix?

 Dieter Wal meinte dazu am 25.03.23 um 21:31:
Jedenfalls mit neopaganem Kelten- und Druidenkult habe ich nichts im Sinn.
 

Hier lang:

 OBOD Order of Bards, Ovates and Druids

 Regina meinte dazu am 25.03.23 um 21:59:
Genau, als ausgebildete Druiden können wir dann sogar Geld verdienen. Wer sagt denn, dass es keine Rentnerjobs gibt?

 Graeculus meinte dazu am 25.03.23 um 23:48:
An Augustus:

Die Frau, eine berühmte Schriftstellerin, heißt Virginia Woolf.

Wer weiß, vielleicht hatte Hannibal am Ende noch schöner Erinnerungen, z.B. an Cannae. Aber was haben die ihm in seiner Situation geholfen?

 Graeculus meinte dazu am 25.03.23 um 23:57:
An Regina:

Von mir aus kannst du dich an Terminators Standpunkt halten; ich habe nichts dagegen.

Mein "seltsamer Paganismusglaube" beeinflußt die Wahl meiner Beispiele.
Außerdem gefällt mir an der Antike, daß sie den christlichen Terminus der Sünde noch nicht kannte und deshalb vielen Themen gegenüber unbefangener auftritt. Dem Suizid beispielsweise und ebenso der Erotik. Die antiken Götter waren nie Gesetzgeber und in den Mythen auch alles andere als moralische Vorbilder.
Deshalb ist kein antiker Mensch auf den Gedanken gekommen, Suizid sei eine Sünde gegen Gott.

Ansonsten spielt mein Heidentum hier, meine ich, keine Rolle.
Wenn ich mich als Atheisten bezeichne, dann kommt es ja immer darauf an, was man unter "Theos/Gott" versteht; und da meine ich den Gott der monotheistischen Religionen. Über alles andere lasse ich mit mir reden.

 Graeculus meinte dazu am 25.03.23 um 23:59:
An Taina:

Konrad Bayers Abschiedsbrief ist schwieriger Stoff und hochgradig interpretationsbedürftig. Ich habe ihn nur zitiert, weil ich vermutete, Terminator werde sich dafür interessieren. Das war anscheinend auch der Fall.

 Graeculus meinte dazu am 26.03.23 um 00:03:
An Dieter Wal & Regina:

Ich weiß nicht, ob ich mich nicht klar genug ausgedrückt habe oder ob ihr nur auf Stichworte reagiert. Ich habe mit dem gängigen Neopaganismus, den ich als Neukelten- und Neugermanentum kenne, nichts am Hut! Nichtmal eine Literatur haben sie hervorgebracht, diese Kelten und Germanen.

 Dieter Wal meinte dazu am 26.03.23 um 00:09:
Nichtmal eine Literatur haben sie hervorgebracht, diese Kelten und Germanen.
Es gibt Anthologien keltisch-irischer Dichtung. Und die Edda.



Ich weiß nicht, ob ich mich nicht klar genug ausgedrückt habe
Ich will kein Mitglied des OBOD verletzen, doch der bescheuerte Link war eher ironisch gemeint zur Auflockerung des bleiernen Themas.

 Graeculus meinte dazu am 26.03.23 um 00:18:
In späterer Zeit, ja? Ich meinte tatsächlich Schriftliteratur, nicht Mythen, die es selbstverständlich bei ihnen gab. Die Runen sind ja erst ab 200 u.Z. entstanden und werden nicht gleich für Literatur verwendet worden sein.

 Graeculus meinte dazu am 26.03.23 um 00:20:
Noch an Regina:


Aber hast du die Hoffnung, dass deine Sichtweise je eine philosophische Breitenwirkung haben wird [...]?

Nein. Obgleich ich mein Bestes gebe. Hin und wieder mag es mir wohl gelungen sein und gelingen, in Menschen das Interesse an der Antike zu wecken.

 Dieter Wal meinte dazu am 26.03.23 um 00:41:
In späterer Zeit, ja? Ich meinte tatsächlich Schriftliteratur, nicht Mythen, die es selbstverständlich bei ihnen gab. Die Runen sind ja erst ab 200 u.Z. entstanden und werden nicht gleich für Literatur verwendet worden sein.
Das Interessante an keltischer Literatur besteht in Druidischer Ausbildung. Sie hatten nämlich die Aufgabe, Epen und Gedichte in großer Zahl auswendig zu lernen. Das dauerte Jahrzehnte. Schwer zu sagen, wieviele Jahrhunderte so Literatur vermittelt werden konnte.

 Graeculus meinte dazu am 26.03.23 um 16:33:
Diese mündliche Vorform gibt es ja auch beim Epischen Kreis, zu dem Ilias und Odyssee gehören.

Sag, hast Du die Edda mal gelesen? Ich habe jetzt einmal hineingeschaut und fühlte mich nicht angesprochen - was an meiner Voreinstellung liegen mag. Deine Eindrücke interessieren mich.

 Dieter Wal meinte dazu am 27.03.23 um 14:47:
Sag, hast Du die Edda mal gelesen?
Größere Teile beider Versionen. Wenn man sie nicht als zusammenhängenden Text versteht, denn das ist er nicht, sondern als Sammlung verschiedenster Gedichte der Wikinger, findet man Schönheiten. Ohne germanistische Sekundärliteratur findet man so geringe Zugänge wie bei einer mittelprächtigen Koranübersetzung ohne Sekundärliteratur. Ich hatte Glück, meine Ex studierte Germanistik und ich las ihre Bücher mit mehr Interesse als sie. Die Faszination für Runen entfachte Theo Vennemann in einer Münchner Vorlesung. Er zeigte zahlreiche Verbindungen zu Alphabeten der Nachbarkulturen.

 Graeculus meinte dazu am 27.03.23 um 15:27:
Gut, ich schaue nochmal hinein. Wenn es zwei Versionen gibt, weiß ich nicht einmal, welche ich habe.
Mir ist die nordische Mythologie fremd, und ich kann nicht behaupten, daß das auf mehr beruhte als dem Umstand, daß sie mir einfach nicht vertraut ist.

 Dieter Wal meinte dazu am 27.03.23 um 15:49:
Genau, als ausgebildete Druiden können wir dann sogar Geld verdienen. Wer sagt denn, dass es keine Rentnerjobs gibt?
Au ja, Regina. Lass uns gut bezahlte Esoseminare halten!


Die Rente kann warten.

 Graeculus meinte dazu am 27.03.23 um 18:02:
In BaWü. Dort sind die Anthroposophen stark vertreten (und bilden in der Grünen-Fraktion im Landtag eine einflußreiche Gruppe).

 Regina meinte dazu am 27.03.23 um 19:57:
"Mein Freund, der Anthroposoph,
der lebt nicht mehr so ganz im Stoff,
er trägt so gern violett
und geht eurhythmisch ins Bett,
fragt, ob der Frühstücksmüslibrei
von Rudolf Steiner empfohlen sei,
und schon am dritten Tage,
da stellt er die Waschmittelfrage,
ja,ja, mein Freund ist sehr gescheit,
ich glaube, er ist schon eingeweiht."

 Regina meinte dazu am 27.03.23 um 20:01:
Auch wenn sie manchmal als Spinner rüberkommen, hat Steiner viele sehr interessante Gedanken geliefert.

 Regina meinte dazu am 27.03.23 um 23:48:
Bei den Anthros brauchen wir keine Seminare halten, die halten selber welche.
Die Frage ist, ob man so eine Mission in sich trägt.
Steiner war studierter Philosoph, so wie Graeculus. Und die anthroposophische Gesellschaft gibt es heute noch, Waldorfschulen, Demeter, Weleda, Wala. Aber ich glaube, Steiner hatte noch mehr erwartet, eine umfassende Erneuerung der Kultur aus dem Geist heraus. Das ist nicht passiert.

 Graeculus meinte dazu am 27.03.23 um 23:54:
Weleda und Demeter kenne ich.

Steiner hat, so las ich gerade, sogar die Werke Arthur Schopenhauers herausgegeben. Diese Ausgabe ist mir noch nie begegnet.
Die Note seiner Promotion war "rite", das ist in etwa 'gerade noch bestanden'. (Wenn Wikipedia da zuverlässig ist.)

 Regina meinte dazu am 28.03.23 um 00:05:
Waldorfschule: den Kindern Selbstbewusstsein vermitteln durch Handwerk, Gartenbau, Künste schützt (nicht 100%) vor Drogen, Liebeskummersuizid usw., die Staatsschulen haben noch Jahrzehnte länger geschlagen.
Wala ist ne Kosmetikfirma, in Hollywood populär, aber das wollte Steiner nicht, teuer und exklusiv sein.
Biologischer Landbau - ist doch sehr aktuell, man will doch kein Glyphosat mehr fressen. und jetzt sind viele Vegetarier. Steiner hat das vorgeschlagen, aber nie als Zwang formuliert.
Steiner hatte aber auch Ideen zum gesellschaftlichen Umbau, zur alternativen Geldwirtschaft usw., die nicht zum Tragen gekommen sind.

 Graeculus meinte dazu am 28.03.23 um 14:07:
Das Demeter-Prinzip der Landwirtschaft hat mir gefallen, bis ich einmal etwas über quasi-magische Rituale gelesen habe, die damit in Verbindung stehen sollen. Leider weiß ich nicht mehr, worum es dabei ging ... das Gedächtnis, seufz.

 Dieter Wal (25.03.23, 21:51)
Für mich ist Tuchos Lebensende ein Krater mit Sogwirkung. Seine überaus witzigen Satiren, Glossen und Gedichte haben etwas von Mozartmusik. Erkläre mir den Suizid mit einer Kapitulation vor der Übermacht der Idioten.

Dieser Teil wirkt auf mich bis auf den Bob Dylan-Exkurs wohltuend zurückhaltend gelungen.

Über Künstler-Suiziden liegen in meinen Augen Schatten und Dunkelheiten, die dieser Text auf seltsame Art nicht berührt. Doch vielleicht gerade dort würde es am interessantesten.

 Graeculus meinte dazu am 26.03.23 um 00:06:
Ja, Dieter, man hätte das auch ganz anders aufziehen können. Mir ging es, wie schon mehrfach gesagt, um vier Typen samt Beispielen sowie um Selbstzeugnisse, um ein offenes Nachdenken anzustoßen.

Können speziell Künstler-Suizide dazu etwas beitragen? Mir scheint, sie legen eher eine verstehende bzw. psychologische Herangehensweise nahe, für die ich mich nur sehr bedingt qualifiziert fühle.

Antwort geändert am 27.03.2023 um 23:28 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 26.03.23 um 00:25:
Der Bob-Dylan-Exkurs bestand doch nur aus einem kurzen Zitat. Warum sollte das die wohltuende Zurückhaltung gefährden?

Sein Lied "Highlands", aus dem das Zitat stammt, ist für mich allerdings eine beeindruckende Ausreinandersetzung mit Alter und Tod.

 Regina meinte dazu am 26.03.23 um 01:38:
"Deshalb ist kein antiker Mensch auf den Gedanken gekommen, Suizid sei eine Sünde gegen Gott." 
Das Judentum gab es damals auch schon. Und liegt nicht in dem Moses-Gebot "Du sollst nicht töten"(morden), das Verbot der Selbsttötung inbegriffen? Heute verbietet die jüdische Theologie die Selbsttötung bis auf die drei erwähnten Ausnahmen (Verhinderung von Mord, Inzest, Götzendienst). Ist das neueren Datums oder haben sie es damals auch schon so gesehen? 

 Regina meinte dazu am 26.03.23 um 03:08:
Hier ist ein Interview mit Wolfgang Thierse zur modernen katholischen Position:
https://www.deutschlandfunk.de/die-katholische-position-thierse-suizid-als-inbegriff-der-100.html

Koran Sure 2:195 wird als Selbsttötungsverbot interpretiert.

Übrigens: Syrer, die ich kennenlernte, erzählten von Raketeneinschlägen, gefährlichen Bootsfahrten und Fußmärschen durch halb Europa, die hatten wenig Zeit für Depressionen, denen glaube ich die niedrige Rate.

Antwort geändert am 26.03.2023 um 03:21 Uhr

Antwort geändert am 26.03.2023 um 05:41 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 26.03.23 um 15:11:
Koran Sure 2:195 wird als Selbsttötungsverbot interpretiert.

Kann man so verstehen, muß man aber nicht. Muß man nicht, weil in 'deiner' Deutung das zu Beweisende vorausgesetzt wird: daß nämlich der Suizid ins Verderben führt.

4:29 kommt noch in Betracht, wird aber von den meisten Exegeten als "Tötet einander nicht" interpretiert - so wie wir, wenn wir sagen: "Sie liebten sich", meinen: sie liebten einander.

Es gibt auch im Koran keine Stelle, in welcher der Suizid explizit verurteilt wird. Es bleiben nur theologische Ableitungen aus bestimmten Prämissen.

 Graeculus meinte dazu am 26.03.23 um 15:23:
Das Judentum gab es damals auch schon. Und liegt nicht in dem Moses-Gebot "Du sollst nicht töten"(morden), das Verbot der Selbsttötung inbegriffen?

Ich meinte selbstverständlich die nicht-monotheistische Antike.

Das 5. Gebot des Dekalogs auch auf den Suizid zu beziehen, war ein theologischer Einfall des Augustinus. Zunächst ist die Übersetzung "Du sollst nicht töten" falsch - es muß heißen: "Du sollst nicht morden". Das geht schon daraus hervor, daß anschließend im Deuteronomium Todesstrafen für bestimmte Delikte angeordnet werden und in einem bestimmten Kontext der Heilige Krieg vorgeschrieben wird.
Also widerspricht nicht jede Tötung eines Menschen dem 5. Gebot. Mord ist eine spezielle Art der Tötung (natürlich auch in unserem Strafrecht). Daß der Suizid, also die Tötung eines Menschen im Einklang mit dessen Willen, als Mord gerechnet wird, ist alles andere als naheliegend, wie man an unserem Strafrecht erkennen kann.

Übrigens gibt es in Exodus 34, 10-27 einen Dodekalog (= 12 Gebote), in dem von Suizid ebenfalls nicht die Rede ist, dafür von einem sehr unfreundlichen Umgang mit den Nichtjuden.

Wer auch immer den Tanach, die Evangelien und den Koran verfaßt hat, wenn er den Suizid eindeutig verurteilen wollte, hätte er das eindeutig gesagt!

 Graeculus meinte dazu am 26.03.23 um 15:41:
Mir stehen zwei Lexika zum Islam zur Verfügung: das von Khoury/Hagemann/Heine und das von Kreiser/Diem/Majer. Beide enthalten ein Lemma "Selbstmord", beide bestätigen, daß der Selbstmord im Islam haram ist, keines beruft sich dabei auf eine Koran-Stelle, sondern auf a) das alleinige Verfügungsrecht Gottes über Leben und Tod [Achtung! lebensverlängernde Medizin!] und b) auf die Hadithe. Nur in den Hadithen steht es eindeutig.

 Regina meinte dazu am 26.03.23 um 16:25:
zu Rudolf Steiner schreibst du, er soll machen, was er will. Er hatte aber schon zu Lebzeiten einen gewissen Einfluss auf eine Gruppe von Menschen. Bei Anthrowiki kannst du nachlesen, was seiner Meinung nach dem Verstorbenen blüht, wenn er sich selber tötet. Ich bilde mir eben nicht ein, schon alles zu wissen und überdenke das, so dass ich sage, ja, so könnte es passieren. Deine Argumentation geht vom diesseits aus.

 Graeculus meinte dazu am 26.03.23 um 16:56:
"Er soll machen, was er will", das soll heißen: ich toleriere seine Einstellung, sofern er für seine Person daraus Konsequenzen zieht - nicht hingegen, wenn er sie für andere verbindlich machen will (wie es so oft in der religiösen Tradition geschieht).

Schon bei "Taking Oneself Off 1" habe ich dir zugegeben, daß der Suizid eine Reflexion über das ratsam macht, was danach kommt. Damit habe ich mich schon lange und häufig befaßt und bin zu dem Ergebnis gekommen, daß unsere Identität (was ich bin, was mein Ich ausmacht) nach bestem Wissenstand mit unserem Leib zusammenhängt und nicht ohne ihn funktioniert. Metaphorisch: der Geist ist nicht wie ein Vogel im Käfig, sondern wie das Feuer eines Holzes.
Davon gehe ich also aus: daß mit dem Tod meine Identität - das, wozu ich "ich" sage - endet. Es mag etwas anderes daraus werden, aber der Wurm, der meine sterblichen Überreste verzehrt und dadurch wächst, das bin nicht mehr ich. Denn ich bin z.B. ein Mann, und Würmer sind Zwitter.

Nach bestem Wissen: vielleicht irre ich mich, und vielleicht sehe ich das auch noch eines Tages ein. Bis dahin aber orientiere ich mich daran.

Ich hoffe, daß auch ihr die Möglichkeit, ihr könntet euch irren, in Betracht zieht. Was ja wohl nichts anderes bedeutet, als daß man sich offen mit Gegenargumenten auseinandersetzt.

 Dieter Wal meinte dazu am 26.03.23 um 19:48:
Bei Anthrowiki kannst du nachlesen
@Regina: Diese Bildzeitung willst Du nicht ernsthaft als Lektüre empfehlen.

 Regina meinte dazu am 26.03.23 um 22:40:
Dann kannst du auch die Original-Steiner Bücher und Vorträge lesen. Langatmiger Stil, braucht viel Geduld. Oder du fragst Lothar. Auch nicht der geschickteste Schreiber. Oder das tibetanische Totenbuch. Oder Blavatsky: o weh, original in englischer Sprache von einer Deutschrussin, die nicht richtig Englisch konnte.
Oder selber nachdenken und meditieren und zu anderen als Graeculus Ergebnissen kommen.
Oder bei Bernard Jakoby, Todesforschung, mal reinschauen.

Antwort geändert am 26.03.2023 um 22:43 Uhr

Antwort geändert am 26.03.2023 um 22:45 Uhr

 Regina meinte dazu am 27.03.23 um 14:11:
Ja, Graeculus, da bin ich sogar einverstanden, das Ich ist nach dem Tod weg, das sich mit dem Körper identifiziert, es kommt auch nicht wieder. Trotzdem wird x-mal berichtet, dass es noch Wahrnehmung gibt. Der Körper allein, das ist aber die Leiche, der lebende Mensch ist mehr als das: er hat Körperwärme, die sich ohne unser Zutun, auf eine gewisse Temperatur reguliert, er hat Stoffwechsel, Atmung und er kann sich bewegen, arbeiten, denken usw. 
Was du und einige Kommentatoren, die hier die große Freiheit feiern wollen, nicht sehen, ist, dass ein Suizid in den allermeisten, wenn nicht allen Fällen, ein gruseliges, verstörendes Ereignis ist. Nicht nur die direkten Nachkommen (Terminator "außer man hat minderjährige Kinder", nicht mal erwachsen dürfen sie sein) werden davon beeinflusst, sondern auch andere Verwandte, Bekannte, Nachbarn, Berufskollegen und alle fragen "Warum? Habe ich etwas nicht erkannt, hätte ich helfen können? Bin ich mit daran schuld". Und beim Alterssuizid lohnt es sich doch nicht, sich zu suizidieren, wenn man in 14 Tagen sowieso stirbt. Wir sind hier, um Erfahrungen zu sammeln, das Sterben gehört genauso zum Leben wir Geburt und Kindheit, und da wird dieser Prozess abgeschnitten. Es ist scheinrational, wenn man das aus der rein individualistischen Perspektive betrachtet. Um Recht, im übrigen, Literatur und Philosophie haben sich die wenigsten Selbsttöter je geschert.

Antwort geändert am 27.03.2023 um 14:15 Uhr

 Dieter Wal meinte dazu am 27.03.23 um 14:38:
Dann kannst du auch die Original-Steiner Bücher und Vorträge lesen. Langatmiger Stil, braucht viel Geduld. Oder du fragst Lothar. Auch nicht der geschickteste Schreiber. Oder das tibetanische Totenbuch. Oder Blavatsky: o weh, original in englischer Sprache von einer Deutschrussin, die nicht richtig Englisch konnte.
Oder selber nachdenken und meditieren und zu anderen als Graeculus Ergebnissen kommen.
Oder bei Bernard Jakoby, Todesforschung, mal reinschauen.
@Regina:


Du meinst, alle Theosophen und Anthroposophen schreiben unlesbar? Könnte was dran sein.

Wirre Vorstellungswelten, miserabler Schreibstil. Passt.

Das tibetanische Totenbuch hat mir gefallen. Die Lektüre ist schon länger her. 40 Jahre. Das in die Diskussion einzubringen, dürfte bereichern, denn es handelt sich um eine Anleitung, die einem Verstorbenen vorgetragen wird, damit er den rechten Weg zur besten Reinkarnation findet. Das könnte man der Einfachheit halber als gegeben voraussetzen. Denn wenn man zuerst sich einig werden müsste, ob es ein oder kein Leben nach dem Tod gibt und ob Reinkarnation oder nicht, wäre keine Verständigung möglich.

Ich wünsche mir kein Leben nach dem Tod und umso mehr Leben davor. Reinkarnation wäre daher das Allerletzte, was ich mir wünsche. (Eventuell bestehen hier keine Optionsmöglichkeiten.) Doch das ist nur meine persönliche Meinung, und keine Voraussetzung einer eventuellen Diskussion über das tibetanische Totenbuch. An Suizid wird, wenn ich mich recht erinnere, beim tibetanischen Totenbuch nicht gedacht.

 Regina meinte dazu am 27.03.23 um 14:51:
Nein, wer von Reinkarnation ausgeht, wird selten an Suizid denken, weil es keinen Sinn macht, sich umzulegen, wenn das Karma einen wieder runterzwingt in den Stoff. Das ist ja die Schwierigkeit, dass die Leute je nach Glauben von verschiedenen Prämissen ausgehen: Himmel/Hölle, Reinkarnation oder Nichts/Leere nach dem Tod.

 Regina meinte dazu am 27.03.23 um 14:57:
Steiner schreibt nicht unlesbar, aber x-mal um den heißen Brei, bis er zur Sache kommt, Blavatsky, das ist schwierig zu lesen, Bernard Jakoby, kein Anthroposoph, schreibt recht methodisch.

 Dieter Wal meinte dazu am 27.03.23 um 14:58:
Dir ist bewusst, dass das Tibetanische Totenbuch nichts mit Anthroposophie zu tun hat?

 Graeculus meinte dazu am 27.03.23 um 15:11:
In Rudolf Steiner habe ich einmal reingelesen und ihn als ungenießbar empfunden. Seine Aussagen haben nicht das, was ich Bedeutung oder Argumentation nenne. Eher so wie Swedenborg u.ä.

Bücher über Nahtoderfahrungen, beginnend mit Dr. med. Raymond A. Moody, habe ich gelesen und auch Dokumentarfilme inkl. Interviews mit Betroffenen gesehen. Immer wieder wurde betont, daß diese Menschen nicht tot, sondern nur nah am Tod waren - deshalb die Bezeichnung. Die nächstliegende Erklärung ist die, daß es sich um Symptome eines durch mangelnden Sauerstoff vergifteten, aber noch aktiven Gehirns handelt; dafür spricht, daß ähnliche Out-of-body-Erfahrungen auch unter Drogeneinfluß gemacht werden.
Was es heißen soll, daß eine 'freischwebende Seele' hören soll ohne Ohren, sehen soll ohne Augen, ist mir alles andere als klar. Einen Test dafür, ob es das wirklich gibt, habe ich mehrfach vorgeschlagen: Pappt ihm einen Zettel auf die Stirn, dessen Text er aus seiner Perspektive nicht lesen kann, und fragt ihn nach der Out-of-body-Erfahrung, was darauf steht. 'Von oben' müßte er es ja lesen können.
Berichte über erfolgreiche Experimente dieser Art sind mir nicht bekannt.

Das Tibetische und das Ägyptische Totenbuch habe ich gelesen; sie haben meine Frage nicht beantwortet, wie sie zu ihren Ansichten gelangt sind, d.h. wie man sie von mythischen Aussagen (an Dieter: symbolischen Aussagen) unterscheiden kann.
Tatsachenaussagen müßten auch logischen Kriterien genügen, d.h. man müßte angeben können, was es denn heißt, ich sei einmal ein anderer Mensch gewesen. Kann man da von einer lückenlosen kausalen Kontinuität der Zustände oder von einer Kontinuität der Erinnerung sprechen? Was meine persönliche Identität genau ausmacht, ist eine schwierige Frage, zugegeben; aber ich habe kein Ahnung, was es heißen soll, daß ich (Wolfgang Weimer, männlich, kurzsichtig, bibliophil etc.) einmal ein Wurm oder eine Hofdame bei Marie Antoinette gewesen sein soll. Das sind für mich andere Wesen.

Terminator hat die These aufgestellt, daß alle oder fast alle Einwände gegen den Suizid aus der eigennützigen Perspektive anderer heraus formuliert sind. Was richtet der Suizid bei den Mitmenschen an? "Was tust du mir damit an?", ist ja schon eine entlarvende Aussage.
Tja, was kann meine Entscheidung, die Liebe einer Frau nicht zu erwidern, bei dieser anrichten? Was kann meine Entscheidung, für die Erdbebenopfer in der Türkei statt für die Hungernden im Jemen zu spenden, bei den Jemeniten anrichten?
Alle unsere Entscheidungen haben Folgen für andere, und zwar auch immer negative. Es ist nicht gesagt, daß wir deshalb kein Recht hätten, eine bestimmte Entscheidung zu treffen, die anderen nicht gefällt. Es ist andererseits auch nicht empfehlenswert, darauf überhaupt keine Rücksicht zu nehmen. Vorschlagen kann man ja einmal das utilitaristische Kriterium des quantifizierenden Abwägens von Leid. Wieviel Leid erspart sich der Suizident, wieviel Leid erspart er den anderen (das Hinternabwischen), wieviel erzeugt er durch seine Tat?

Das mit den "14 Tagen" ist mir zu polemisch. Regina weiß selber, daß es da meist um sehr viel mehr geht. Bei meinem Vater waren es fünf Jahre, in denen er nicht mehr sehen, nicht mehr hören, nicht mehr gehen konnte. Selbst für ihn war das Leben nicht mehr lebenswert, aber er hatte Angst vor dem Tod und eine katholische Angst vor der Sünde. Beides mag anderen jedoch ganz fern sein, und dann entscheiden sie anders.

 Graeculus meinte dazu am 27.03.23 um 15:32:
An Regina:

Warum sollte jemand, der an Reinkarnation glaubt, keinen Suizid begehen? Dann werden die derzeit sehr ungünstigen Karten neu gemischt, und man beginnt mit frischem Körper ein neues Spiel.
Nein, der entscheidende Einwand wäre für ihn, wenn er für den Suizid mit einer noch ungünstigeren Reinkarnation bestraft würde. Aber wer behauptet das warum? Warum sollte die Reinkarnation etwas mit Moral zu tun haben?

 Dieter Wal meinte dazu am 27.03.23 um 15:41:
Warum sollte jemand, der an Reinkarnation glaubt, keinen Suizid begehen?
@Graeculus:


Jetzt solltest Du die griechisch überlieferte Anekdote über einen Fakir in Griechenland zitieren, der sich selbst in ein Feuer stürzte.
Ich könnte "Stille Sehnsucht" von Goethe beisteuern.

 Graeculus meinte dazu am 27.03.23 um 16:10:
Ja, das könnte man/ich.

Es gibt auch ein Totenbuch der Maya. Wie auffallend, daß diese drei Totenbücher alle etwas ganz Unterschiedliches über das Schicksal der Toten schreiben!
Die Tatsachen sollten doch einheitlich sein, aber die Mythen sind klarerweise sehr verschieden.

 Regina meinte dazu am 27.03.23 um 17:15:
"Was es heißen soll, daß eine 'freischwebende Seele' hören soll ohne Ohren, sehen soll ohne Augen, ist mir alles andere als klar."
Ha, kennst du nicht die Geschichte von Beethoven, der weiterkomponierte, obwohl alterstaub war. Er hatte nämlich durch die lange Erfahrung mit der Musik gelernt, innerlich zu hören. Sehen ohne Augen tun wir, wenn wir träumen. Da tauchen Bilder auf bei geschlossenen Lidern.
Mit den Nahtoderlebnissen hast du recht, diese Leute waren nah am Tod, nicht weiter.
"Warum sollte jemand, der an Reinkarnation glaubt, keinen Suizid begehen? Dann werden die derzeit sehr ungünstigen Karten neu gemischt, und man beginnt mit frischem Körper ein neues Spiel." Da muss ich einschränken, nicht den üblichen Verzweiflungssuizid. Ich habe was geschrieben über Witwenverbrennung, da glauben die Hindus, dass die Frau heilig wird und sie erlauben auch Tod durch Verhungern im Rahmen von Askese. Da denken sie wirklich dass es besser wird. Übrigens gab es bei den Katharern auch das Consolamentum, ein Ritual, das einem Sterbenden gegeben wurde, der dann nichts mehr essen durfte. Kam das Consolamentum zu früh, sind manche verhungert.
Frag Lothar wegen der karmischen Auswirkungen. Besser wird es voraussichtlich nicht, möglich, dass die gleichen Situationen wiederkehren, weil sie eben nicht gelöst sind.
Was die Leute sich unter Reinkarnation vorstellen, ist falsch. Das Ich, das sich mit dem Körper identifiziert, kehrt nicht wieder. Aber die Erde und die Planeten bleiben ja, auch nicht für immer, aber wesentlich länger als der Mensch. Und die sind wie ein Haus, in das wieder jemand einzieht, wenn einer gestorben ist. Über die Fixsterne sage ich nichts, das ist mir zu hoch. 

 Regina meinte dazu am 27.03.23 um 17:19:
Auffällig bei dir ist, dass du immer mit diesseitigen Argumenten kommst: Wenn die Füße abfaulen, wenn ich nicht mehr lesen kann, wenn dies und das, dann ist das Erdenleben nicht mehr lebenswert. 
Und wie erklärst du es dir, dass Männer sich dreimal so oft, in den USA (die haben wegen der Schusswaffen ganz andere Statistiken) viermal so oft, selber töten?

 Dieter Wal meinte dazu am 27.03.23 um 17:43:
Die Tatsachen sollten doch einheitlich sein, aber die Mythen sind klarerweise sehr verschieden.
@ Graeculus:


Das ist wundervoll autistisch gedacht. Als würde die Welt, welche auch immer, nach 100% logischen Regeln ablaufen. Mythen sind ErklärungsMODELLE, keine Darstellungen des Absoluten letzter Hand. Es handelt sich bei solchen Büchern um Vorstellungen bestimmter Menschen zu bestimmten Zeiten in bestimmten Kulturen mit bestimmten religiösen Funktionen. Das sind doch keine Ikea-Bastelanleitungen für Verstorbene, um sich bequemer im Jenseits einzurichten. Selbstverständlich sind solche Erklärungsmodelle höchst subjektiv.

Hamlet philosophiert in einem Monolog darüber: 
Sein oder Nichtsein; das ist hier die Frage:
Obs edler im Gemüt, die Pfeil und Schleudern
Des wütenden Geschicks erdulden oder,
Sich waffnend gegen eine See von Plagen,
Durch Widerstand sie enden? Sterben - schlafen -
Nichts weiter! Und zu wissen, daß ein Schlaf
Das Herzweh und die tausend Stöße endet,
Die unsers Fleisches Erbteil, 's ist ein Ziel,
Aufs innigste zu wünschen. Sterben - schlafen -
Schlafen! Vielleicht auch träumen! Ja, da liegts:
Was in dem Schlaf für Träume kommen mögen,
Wenn wir die irdische Verstrickung lösten,
Das zwingt uns stillzustehn. Das ist die Rücksicht,
Die Elend läßt zu hohen Jahren kommen.
Denn wer ertrüg der Zeiten Spott und Geißel,
Des Mächtigen Druck, des Stolzen Mißhandlungen,
Verschmähter Liebe Pein, des Rechtes Aufschub,
Den Übermut der Ämter und die Schmach,
Die Unwert schweigendem Verdienst erweist,
Wenn er sich selbst in Ruhstand setzen könnte
Mit einer Nadel bloß? Wer trüge Lasten
Und stöhnt' und schwitzte unter Lebensmüh?
Nur daß die Furcht vor etwas nach dem Tod,
Das unentdeckte Land, von des Bezirk
Kein Wandrer wiederkehrt, den Willen irrt,
Daß wir die Übel, die wir haben, lieber
Ertragen als zu unbekannten fliehn.
So macht Bewußtsein Feige aus uns allen;
Der angebornen Farbe der Entschließung
Wird des Gedankens Blässe angekränkelt;
Und Unternehmen, hochgezielt und wertvoll,
Durch diese Rücksicht aus der Bahn gelenkt,
Verlieren so der Handlung Namen. - Still!
Die reizende Ophelia! - Nymphe, schließ
In dein Gebet all meine Sünden ein!

Antwort geändert am 27.03.2023 um 17:44 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 27.03.23 um 17:47:
Schon klar mit dem Beethoven. Aber hier geht es darum, daß Patienten sich selbst von oben sehen, hören, was die Ärzte sagen usw.
Beethoven konnte nicht mehr hören, was andere zu ihm sagten, und auch im Traum nehmen wir nicht Ereignisse in unserer Umgebung wahr.
Wenn man Beethoven in einen Konzertsaal gesetzt und ihm Musik vorgespielt hätte, hätte er allein vom Hören her nicht entscheiden können, ob es Mozart, Joseph Haydn oder seine eigene war.

Das Ich, das sich mit dem Körper identifiziert, kehrt nicht wieder - das ist einmal eine klare Aussage, über die wir uns dann einig sind. Das ist aber genau das, was wir alltäglich "ich" nennen und als Ich identifizieren. Wenn wir uns in einer Gruppe befinden und ich rufe "Regina!", dann merkst du auf, und ich erkenne an deinen wahrnehmbaren, also körperlichen Reaktionen, daß du es bist.
Schon bei dem, was du schreibst, ist das etwas anders: ich weiß nicht, ob du es schreibst oder - wie Dieter kürzlich einmal vermutete - deine Tochter. Und bei AronManfeld weiß man es überhaupt nicht.

Die Analogie mit den Planeten als Haus verstehe ich nicht. Wer ist da der Körper und wer der Bewohner des Hauses?

Die Wahl meiner Beispiele ist so zu verstehen: Bei allgemeingültigen Aussagen (Alle S sind p; kein S ist p) genügt ein einziges Gegenbeispiel, um sie zu widerlegen. Da wählt man aus taktischen Gründen ein möglichst eindeutiges Gegenbeispiel, d.h. ein extremes. Unerträgliches Leben? ALS!
Die Chance ist dann am größten, daß du das als ein Beispiel für ein (für die meisten) unerträgliches Leben akzeptierst.

Suizide statistisch gesehen sind ein eigenes Thema. Bei Männern ist die Zahl der Suizide signifikant größer, bei Frauen die der Suizidversuche.
Warum das so ist, weiß ich nicht - es ist allerdings auch nicht mein Thema.
Möglicherweise (!) sind Frauen leidensfähiger, neigen aber eher zu moralischer Erpressung.

 Regina meinte dazu am 27.03.23 um 17:51:
Genau, Dieter, und sie werden unter verschiedenen astronomischen Gegebenheiten verfasst, bei den Ägyptern im Hinblick auf die Sonne, in Hellas war es der Mars und wieder woanders andere Sternkonstellationen. Sag bloß nicht, dass das Aberglauben ist.
Kann es sein, dass in Bibel und Koran kaum über Suizid referiert wird, den Grund hat, dass der kaum vorkam in der alten Zeit?

 Graeculus meinte dazu am 27.03.23 um 17:52:
An Dieter:

Das weiß ich wohl, was Mythen sind und was nicht. Aber weiß es auch z.B. LotharAtzert, wenn er uns vom Tibetischen Totenbuch erzählt? Hält auch er das für einen Mythos unter vielen (Ägyptisches Totenbuch, Totenbuch der Maya usw.); oder hält er es für Beschreibungen von Tatsachen?

Das logische Problem ergibt sich für diejenigen Leute, die Mythen wörtlich auffassen.
Ist ein bißchen wie bei Boccaccios Ringparabel, also bei denen, die darauf bestehen, daß nur ihr Ring der echte ist.
Davon bin ich weit entfernt.

 Dieter Wal meinte dazu am 27.03.23 um 18:01:
Aber weiß es auch z.B. LotharAtzert, wenn er uns vom Tibetischen Totenbuch erzählt? Hält auch er das für einen Mythos unter vielen (Ägyptisches Totenbuch, Totenbuch der Maya usw.); oder hält er es für Beschreibungen von Tatsachen?
@Graeculus:

Es las sich gelegentlich, hust, wie Letzteres.



Das logische Problem ergibt sich für diejenigen Leute, die Mythen wörtlich auffassen.
Ist ein bißchen wie bei Boccaccios Ringparabel, also bei denen, die darauf bestehen, daß nur ihr Ring der echte ist.
Davon bin ich weit entfernt.
Dann wundert mich, dass Du so über "Totenbücher" schriebst.


Die schönste Einführung in Mythen, die ich kenne, ist "Die Kraft der Mythen" von Joseph Campell.

Bluebird schreibt wie ein Typ der Ringparabel, der nur seinem Ring zugesteht, echt zu sein. Das verbindet ihn mit allen Biblizisten. Und sonstigen Fanatikern.

Antwort geändert am 27.03.2023 um 18:02 Uhr

 Dieter Wal meinte dazu am 27.03.23 um 18:08:
sie werden unter verschiedenen astronomischen Gegebenheiten verfasst, bei den Ägyptern im Hinblick auf die Sonne, in Hellas war es der Mars und wieder woanders andere Sternkonstellationen. Sag bloß nicht, dass das Aberglauben ist.
@Regina:


Soso. Dann dürfte Dich  Marcus Manilius
brennend interessieren, den Graeculus mit seiner Sentenz "Nascentes morimur finisque ab origine pendet. - „Schon wenn wir geboren werden, sterben wir, und das Ende beginnt mit dem Anfang." weiter oben zitierte.

 Graeculus meinte dazu am 27.03.23 um 18:12:
An Dieter:

Wir haben die Frage, was mit den Menschen nach dem Tode geschieht, und wir haben drei mythische Antworten.
Wenn wir die Frage wissenschaftlich (--> Tatsachen) verstehen, dann beantwortet kein Mythos sie; wenn wir die Mythen als (symbolische) Antworten verstehen, dann haben wir drei davon - was das Problem der Ringparabel aufwirft. Und die Frage, woran wir uns in unserer Einstellung zum Tod orientieren sollen, bleibt ungeklärt bzw. der indidivuellen Entscheidung überlassen.

 Graeculus meinte dazu am 27.03.23 um 18:13:
An Regina:

Was ist jetzt mit deinem Beethoven-Beispiel? Konnte Beethoven Musik hören oder nur imaginieren?

 Graeculus meinte dazu am 27.03.23 um 18:20:
Auch noch an Regina:


Kann es sein, dass in Bibel und Koran kaum über Suizid referiert wird, den Grund hat, dass der kaum vorkam in der alten Zeit?

Über das vorislamische Arabien weiß ich es nicht; für den antiken Mittelmeerraum ist es falsch. Selbst die beiden in der Bibel (--> Judentum) vorkommenden Suizide (Saul, Judas) werden nicht so dargestellt, als ob das eine völlig unübliche Verhaltensweise wäre.
Zum Koran ist zu sagen, daß er - anders als der Tanach und die Evangelien - keine Geschichten erzählt, sondern Normen (Gebote, Verbote) vermittelt.

Deine astronomische Deutung der diversen Totenbücher scheint mir nicht die Tatsachenfrage zu beantworten: Was geschieht mit den Menschen nach dem Tode? Unterschiedliche mythische Antworten werfen das Problem der Ringparabel auf.

 Graeculus meinte dazu am 27.03.23 um 18:21:
An Dieter:

Der Campbell ist gut!

 Regina meinte dazu am 27.03.23 um 19:47:
Beethoven. Antwort ist "imaginieren", Musiker nennen das auch "inneres Gehör". Draußen die Flöten hat er nicht mehr gehört, aber was er selber schrieb, hörte er in seiner Vorstellungskraft. 
"
Dir ist bewusst, dass das Tibetanische Totenbuch nichts mit Anthroposophie zu tun hat?" Du schreibst das, weil sie aus ganz verschiedenen Zeitaltern stammen.
Helena P. Blavatsky war aber lange in Tibet und lernte dort vieles, was sie dann in ihrer Kosmoslehre weitergab. Rudolf Steiner war Mitglied ihrer Theosophischen Gesellschaft, bevor er sich mit Annie Besant über die Rolle des Krishnamurti überwarf. Dann gründete er die Anthroposophische Gesellschaft. Auf diesem Weg sind tibetobuddhistische Elemente in die Anthroposophie gedrungen, ob nun gerade das Totenbuch da eine Rolle spielte, weiß ich nicht.

 Regina meinte dazu am 27.03.23 um 20:22:
Abschließend, Graeculus, sage ich dir noch: Ich bin davon überzeugt, dass Suizid ein Sakrileg, ein Frevel am Leben ist. So, wenn du eines Tages dich entschließt, das auszuführen, sieh zu, dass ich nicht in deiner Nähe bin, denn ich werde dich mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln daran hindern. Wenn du es am Ende doch tust, kann ich nichts daran ändern. Dann musst du, aber nicht du allein, sondern alle, die Folgen tragen, wie auch immer diese aussehen.

 Dieter Wal meinte dazu am 27.03.23 um 20:56:
Sollte Graeculus Suizid begehen, wovor ihn mindestens seine Frau, Tochter und Enkeltochter bewahren mögen, wäre dies sicher nicht nur für mich und Terminator höchst bedauerlich, sondern eine erhebliche Menge weiterer kV-Nutzer, also bleibe er bitte gesund, streitbar und lebensfroh.

 Dieter Wal meinte dazu am 27.03.23 um 21:13:
Nicht nur Gothics, schwarze Seelen und Helloween-Fans könnten sich  diesen Silberring bei Etsy bestellen. Ich trage ihn gelegentlich.

 Terminator meinte dazu am 27.03.23 um 22:31:
Abschließend, Graeculus, sage ich dir noch: Ich bin davon überzeugt, dass Suizid ein Sakrileg, ein Frevel am Leben ist.
Eine subjektive Überzeugung einer anderen Person ist weit davon entfernt, ein zwingendes Argument für mich zu sein.



Sollte Graeculus Suizid begehen, wovor ihn mindestens seine Frau, Tochter und Enkeltochter bewahren mögen, wäre dies sicher nicht nur für mich und Terminator höchst bedauerlich, sondern eine erhebliche Menge weiterer kV-Nutzer, also bleibe er bitte gesund, streitbar und lebensfroh.
Das ist ein Versuch emotionaler Manipulation, Schlechtes-Gewissen-Macherei, Schuldgefühlmacherei.


Das beste lebensweltlich taugliche Argument gegen den Suizid (wenn wir nicht bei Logik und Vernunft bleiben wollen, was bei einer öffentlichen Diskussion bzw. einem Gespäch zwischen Fremden eine Selbstverständlichkeit wäre) sind echte, zumutbare Alternativen. Ein Medikament gegen Demenz und ALS z. B. Für mich als dem Psychoterror der Dauerbeschallung ausgesetzten autistischen Jugendlichen wäre die Alternative ein menschenwürdiger Rückzugsort gewesen. Mich hatten damals nicht die Ins-Gewissen-Redner, Karma-Esoteriker und Hinterbliebenenen-Keulen-Schwinger vor dem Suizid gerettet, sondern allein mein starker Lebenswille. Ich lebe heute noch nicht wegen, sondern trotz meiner "Helfer".

 Graeculus meinte dazu am 27.03.23 um 22:46:
An Regina zur Anthroposophie:

Davon weiß ich wenig, über ihre Beziehungen zu Tibet gar nichts. Wird schon stimmen, was du schreibst, hilft uns jedoch bei unserem Thema nicht weiter, oder?

 Graeculus meinte dazu am 27.03.23 um 22:51:
An Regina zum Suizid:

Du hättest damit garantiert nichts zu tun. Und die Menschen meiner Umgebung könnte ich fragen, ob sie unter den Umständen, unter denen ich dann leben müßte, um das in Erwägung zu ziehen, würden weiterleben wollen. Vielleicht verstehen sie mich, vielleicht nicht. Aber ob das dann mehr als ihr Eigennutz wäre, falls nicht (Terminators Frage), wäre noch zu erwägen.
Religiös gläubige Menschen gehören jedenfalls nicht zu meinem persönlichen Umfeld.

 Dieter Wal meinte dazu am 27.03.23 um 22:52:
Suizid bei beginnender Demenz oder ALS finde ich ok. Bei ALS gibt es drei Formen: 1. Schnell, 2. mäßig, 3. langsam. Hat man die schnelle, ist man beereits bei der Diagnose so gut wie tot. Suizid wäre praktisch überflüssig. Es würde sich hier für Kontrollfreaks die Frage stellen, wie gut sie auf 2. und 3. vorbereitet wären, also ob sie theoretisch und praktisch alle Möglichkeiten für ein menschenwürdiges Ende durch Suizid selbst durchführen können oder verlässliche Helfer dafür haben. Erlebte familiär einen Tod durch ALS. Es war eine mittlere Form. Es gab sehr gute medizinische und technische Unterstützung. Ob und inwieweit Sterbehilfe geleistet wurde, ist mir nicht bekannt. Doch war die Erkrankte ein Musterbeispiel für gute Führung. Unglaublich tapfer. Sie war DDR-sozialisiert und wurde durch ihre humanistischen atheistischen Kreise bis zuletzt begleitet.


Antwort geändert am 27.03.2023 um 23:04 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 27.03.23 um 22:53:
An DieterWal:

Solange ich streitbar bin, herrscht an meinem Lebenswillen kein Zweifel; und von einem vor sich hindämmernden Zombie hättet weder Ihr etwas noch kV.

 Graeculus meinte dazu am 27.03.23 um 22:59:
An Terminator:

Die Bemerkung von Dieter habe ich als freundlich, nicht als emotionalen Druck empfunden.

Ja, wenn es akzeptable Mittel gegen die Probleme gibt, ist das ein lebensweltlich taugliches Argument. Das kann man zumindest in Erwägung ziehen, wenn sich man nicht in einer Situation von Typ 1 bis 3 befindet. Da ich weder vom Typ Hannibals noch von dem Catos bin, kämen wohl am ehesten die Müdigkeit oder eine sehr belastende, unheilbare Krankheit in Betracht.

Bist Du eigentlich Mitglied in der DGHS?

 Graeculus meinte dazu am 27.03.23 um 23:05:
An DieterWal zu ALS:

Es gibt sogar spezielle Krankenstationen für diese Menschen. Einmal habe ich von einer Umfrage unter ihnen gelesen (vermutlich haben sie mit Augenzwinkern geantwortet), ob sie sich als lebensfroh und glücklich bezeichneten. Anscheinend haben erstaunlich viele das bejaht, aber die Umfrage wurde in einem missionarisch rüberkommenden Kontext veröffentlicht ("Seht ihr ...?"), und ich weiß nicht, ob man ihr trauen kann. Ich weiß auch nicht, worin bis zum Eintreten der Hilflosigkeit ihr Lebensinhalt bestand. Meiner jedenfalls wäre unter diesen Umständen nicht mehr realisierbar. Vielleicht kann man dann noch ganztägig fernsehen.

Wie stand es in dieser Hinsicht mit Deiner Bekannten?

 Graeculus meinte dazu am 27.03.23 um 23:11:

 Graeculus meinte dazu am 27.03.23 um 23:14:
Die Totenmaske einer unbekannten jungen Frau, die sich in die Seine gestürzt hatte.
Sie scheint zu lächeln.

Antwort geändert am 27.03.2023 um 23:22 Uhr

 Dieter Wal meinte dazu am 27.03.23 um 23:15:
@ Graeculus:

Sie lebte als Großmutter mit zahlreichen Kindern und Enkeln und pflegte ein intensives Familienleben. Für ihren Mann war es mit Abstand am schwersten. Geistige Anreize fehlten ihr nicht.

Dass wirklich alle ALS-Kranke jener Studie gern lebten, kann ich so nicht glauben.

Mir erzählte eine Freundin von einem bis zum Hals querschnittgelähmten Freund, den sie als äußerst positiv erlebte. Er lebt trotz erheblicher Einschränkungen gern. Seine äußerst positive Art scheint durch die totale Hilflosigkeit seiner Krankheit entstanden zu sein. Hätte er sich so nicht gewandelt, wäre er vermutlich seelisch zerbrochen. Falls die von dir erwähnte Studie doch nicht manipuliert sein sollte, wäre das Beispiel des Querschnttgelähmten vielleicht ein Erklärungsansatz dafür.

Sehr schöne Totenmaske!

Antwort geändert am 27.03.2023 um 23:16 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 27.03.23 um 23:15:
Ich weigre mich, zu leben
Im Tollhaus, unter Vieh.
Ich weigre mich, ich heule
Mit den Wölfen nie.
[...]
Ablehn ich, daß ich höre,
Ablehn ich, daß ich seh.
Auf dieser Welt des Irrsinns
Gibt es nur eins: ich geh.

(Marina Zwetajewa, 1941, kurz vor ihrem Suizid)

 Dieter Wal meinte dazu am 27.03.23 um 23:21:
Ich kann nur alle Gedichte Wolf von Kalckreuths empfehlen. Sehr viele davon beschäftigen sich mit seinem Suizid im Alter von 19 Jahren. Sie sind wunderschön expressiv und formvollendet.

ZVAB-Tipps:

1.  Frauke Velden-Hohrat: Wolf Graf von Kalckreuth, Existenz, Übersetzung, Dichtung - Das lyrische Werk zwischen Todessehnsucht und Kriegslust

2.  Wolf von Kalckreuth (Hg. H. Kruse): Gedichte und Übertragungen.

Antwort geändert am 27.03.2023 um 23:33 Uhr

 Regina meinte dazu am 27.03.23 um 23:23:
An Regina zur Anthroposophie:....
Das war die Antwort auf Dieters Hinweis, dass das tibetanische Totenbuch nichts mit Anthroposophie zu tun hat. Dazu sage ich "Jein".

 Graeculus meinte dazu am 27.03.23 um 23:26:
Wie macht man das mit den geistigen Anreizen bei einem ALS-Patienten?

Auch Querschnittslähmung ist solch ein Thema. Es ist möglich, daß man das nach der ersten Schockphase ganz anders erlebt, als man es erwartet hätte.
Christopher Reeve war doch so ein bekannter Fall, oder?

Antwort geändert am 27.03.2023 um 23:26 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 27.03.23 um 23:28:
An Regina:

Schon verstanden.

 Terminator meinte dazu am 27.03.23 um 23:34:
Unfreundlich manipulieren kann man gar nicht, denn dann setzt man den anderen nicht emotional/moralisch unter Druck, sondern provoziert eine Abwehrhaltung, die den gegenteiligen Effekt hat. Aber dass Dieter es freundlich meint, steht für mich außer Frage.

Mitglied der DGHS bin ich nicht, bisher war nicht würdig sterben (was ich für mich selbst problemlos gewährleisten kann), sondern trotzdem leben meine Hauptproblematik.

 Dieter Wal meinte dazu am 27.03.23 um 23:41:
Wie macht man das mit den geistigen Anreizen bei einem ALS-Patienten?
In der letzten Phase kommuniziert man durch Augenbewegungen und Computer. Hawking schrieb so noch Jahrzehnte mit seine besten Bücher.


Vorlesen halte ich für wichtig. Doch das ist individuell verschieden.

Antwort geändert am 27.03.2023 um 23:54 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 27.03.23 um 23:45:
An DieterWal:

Stephen Hawking hatte das Geld für alle möglichen Hilfsmittel ... und hatte einen sehr langsamen Krankheitsverlauf, fast ein Wunder.

Sich vorlesen lassen und über einen Computer kommunizieren, so lange wenigstens das möglich ist.
Hm. Aber wir beide sind aus dem Alter heraus, in dem diese furchtbare Krankheit üblicherweise einsetzt.

 Graeculus meinte dazu am 27.03.23 um 23:47:
An Terminator:

Dieter kann mich nicht manipulieren. Und wenn er dann auch noch so freundlich ist, löst das bei mir nichts Negatives aus. Du bist da aus bestimmten Gründen sicher empfindlicher.

Für das Trotzdem-Leben sind wir selber verantwortlich; da braucht es keine DGHS.

 Dieter Wal meinte dazu am 28.03.23 um 00:04:
Dieter kann mich nicht manipulieren.
@ Graeculus:


"Kommunikation ist Manipulation" sagte man uns in der Werbetexterausbildung. D. h., ob man will oder nicht will, "manipuliert" man andere, indem man kommuniziert und wird manipuliert. Die Frage ist nur, ob der vermeintlich Manipulierte nicht Manipulation erkennt und sie damit wirkungslos macht. Bei Dir setze ich dies voraus. Für mich war immer die Frage der Hinterbliebenen der Hauptgrund, Suizid nie ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Und die Erkenntnis diesbezüglicher Traumatisierungen meiner väterlichen Linie. Wolf von Kalckreuths Gedichte wurden daher wichtig für mich seit meiner Jugend. Entdeckte Kalckreuth über Baudelaire.

 Terminator meinte dazu am 28.03.23 um 00:07:
Von "Die Art des Arguments ist manipulativ" sollte man nicht auf "Du bist für Manipulation empfindlicher" schließen. Ich beteilige mich hier an der Diskussion, um frei von jeder dunklen Rhetorik und Manipulation für Freiheit und Selbstbestimmung zu argumentieren (redlicherweise auch nicht ohne zu erwähnen, dass ich persönlich ein besonders großes Autonomiebedürfnis habe). 

Ist gut gemeint immer gut? Ist es nicht so, dass gut gemeinter Pazifismus einem Aggressor wie Putin in die Hände spielt, oder gibt es gar keinen Pazifismus (das wäre eine zynische Unterstellung), sondern nur die richtige Position und die Pro-Putin-Position?

Ich gehe davon aus, dass die Anti-Suizid-Position gut gemeint ist, dass Regina nicht sagen will: "Lasst euch gefälligst quälen! Man muss sich wohl doch am Leid anderer ergötzen können, wo kommen wir denn da hin, wenn alle frei entscheiden können, wie und wann sie sterben!?" Im Gegenteil, ich denke, dass Regina mit ihren Karma- und naturalistischen Argumenten letztlich nur Gutes bewirken will. Aber Freiheit besteht auch darin, eine Wohltat zurückweisen zu können.

 Dieter Wal meinte dazu am 28.03.23 um 11:06:
Aber wir beide sind aus dem Alter heraus, in dem diese furchtbare Krankheit üblicherweise einsetzt.
@Graeculus:

Du glücklicherweise. Die entfernte Verwandte war nur wenige Jahre älter als ich.

Beim Schneeschippen tot umzufallen, stelle ich mir als Todesart für einen fortgeschritten gealterten Menschen relativ idyllisch vor. Ein auch im Übrigen sehr aktiver Mensch.

Suchterkrankter unter Alkohol und Koks im Beisein zweier Prostituierter, grauenvoll, wenn auch finanziell gut ausgestattet.

Vielleicht sich damit abfinden, dass wir unser Lebensende gewöhnlich nicht selbst bestimmen, sondern fortgesetzt sinnerfüllt und intensiv leben?


Antwort geändert am 28.03.2023 um 12:12 Uhr

 Regina meinte dazu am 28.03.23 um 12:27:
"Vielleicht sich damit abfinden, dass wir unser Lebensende gewöhnlich nicht selbst bestimmen, sondern fortgesetzt sinnerfüllt und intensiv leben?" Yes, sir.

Und, ihr Wenn-Dann-Sonst-Spekulierer, das Leben beruht suf dem Verursacher-Prinzip, also alles was auftritt, ist die Folge einer Ursache. In der Wissenschaft, auch der philosophischen, können da schon mal falsche Annahmen desaströse Wirkungen nach sich ziehen. Aber bleibt guten Mutes.

 Dieter Wal meinte dazu am 28.03.23 um 13:17:
das Leben beruht suf dem Verursacher-Prinzip, also alles was auftritt, ist die Folge einer Ursache. ...
Grauenvolles Eso-Gschmarri. Setzen, sechs. ;)

 Graeculus meinte dazu am 28.03.23 um 13:55:
An Dieter zu Manipulation:

Daß Werbetexter diese Auffassung vertreten, glaube ich gerne. Seriös, um es einmal so auszudrücken, ist eine Information mit dem Angebot, davon Gebrauch zu machen. Jemandem etwas suggerieren, was er gar nicht will, ist etwas anderes.

Aber hier geht es darum ja nicht; Du hast lediglich Deine Hoffnung ausgedrückt, ich möchte kV noch eine Wele erhalten bleiben - was nett ist. Geantwortet habe ich darauf ja schon.
Es war Terminator, der das kritisiert hat.

 Graeculus meinte dazu am 28.03.23 um 13:58:
An Terminator zu Manipulation:

Auch ich gehe davon aus, daß Regina es gut meint, teils gut für den, der sich vom Leben abwenden will, teils gut für seine Angehörigen. Daß das immer gut ist, bezweifle auch ich. Entscheiden muß der Betreffende darüber.

 Graeculus meinte dazu am 28.03.23 um 14:02:
An Dieter zu der Art des Todes:

Es gibt sehr unterschiedliche Arten, dieses Leben und die Welt zu verlassen. Ich erspare mir an dieser Stelle das Zitieren des bekannten Rilke-Gebetes.

Vielleicht sich damit abfinden, dass wir unser Lebensende gewöhnlich nicht selbst bestimmen, sondern fortgesetzt sinnerfüllt und intensiv leben?

Das ist eine unvollständige Alternative, d.h. es gibt mindestens eine weitere Möglichkeit.

 Graeculus meinte dazu am 28.03.23 um 14:04:
An Regina und Dieter:

Was Regina da nennt, ist nichts anderes als das gute alte Kausalgesetz: Jedes Ereignis ist Wirkung einer Ursache. Also kein Eso-Geschwafel. Die Esoterik (oder wie immer man das nennen will) beginnt erst da, wo das mit Schuld und Sühne in Verbindung gebracht, d.h. so getan wird, als ob sich dahinter ein moralisches oder Gerechtigkeits-Prinzip verberge.

 Dieter Wal meinte dazu am 28.03.23 um 14:12:
Was Regina da nennt, ist nichts anderes als das gute alte Kausalgesetz: Jedes Ereignis ist Wirkung einer Ursache.
@Graeculus:


Stimmt. Nur dass sie Karma nicht auch noch geschrieben hat. Meine Lesart war zu subjektiv. Sorry.

Antwort geändert am 28.03.2023 um 14:40 Uhr

 Dieter Wal meinte dazu am 28.03.23 um 14:18:
Rose, oh reiner Widerspruch,
Lust,
Niemandes Schlaf zu sein
unter soviel Lidern.
Sich möglichst sinnvolle Grabinschriften vorzunehmen, halte ich für eine gute Ars moriendi. Rilkes gefällt mir.

 Graeculus meinte dazu am 28.03.23 um 14:54:
An Dieter zu Karma:

Meiner Erinnerung nach erwähnt Regina gelegentlich das Karma-Prinzip, ohne genauere Festlegung.
Bei LotharAtzert geht das deutlicher in eine bestimmte Richtung: Man müsse im nächsten Leben das in den bisherigen Verdrängte aufarbeiten - was dann irgendeine Art von durchlaufender Identiät voraussetzt. Das gibt das Kausalitätsgesetz freilich nicht her.

 Graeculus meinte dazu am 28.03.23 um 14:57:
An Dieter zu Rilke:

Auch schön. Ich meinte freilich "O Herr, gib jedem seinen Tod ..."

Und sieh an, es gibt auch ein Rilke-Gedicht zum Suizid:

DAS LIED DES SELBSTMÖRDERS

Also noch einen Augenblick.
Daß sie mir immer wieder den Strick
zerschneiden.
Neulich war ich so gut bereit
und es war schon ein wenig Ewigkeit
in meinen Eingeweiden.

Halten sie mir den Löffel her,
diesen Löffel Leben.
Nein ich will und ich will nicht mehr,
laßt mich mich übergeben.

Ich weiß das Leben ist gar gut und gut
und die Welt ist ein voller Topf,
aber mir geht es nicht ins Blut,
mir steigt es nur zu Kopf.

Andere nährt es, mich macht es krank;
begreift, daß man’s verschmäht.
Mindestens ein Jahrtausend lang
brauch ich jetzt Diät.

Auch nicht schlecht.

 Dieter Wal meinte dazu am 28.03.23 um 15:43:
Erstaunlich modern.

Kästners  Warnung vor Selbstschüssen finde ich immer wieder perfekt. Die fünfte Strophe war mir neu. Ich glaube, sie fehlt in Kästners Hausapotheke. Auch die Überschrift hat sich geändert.

Es ist vielleicht ein bisschen lang, doch ich mag jeden Vers in  Rilkes Requiem für Wolf Graf von Kalckreuth.

Sieh, hier ist der Ausguss
der ersten: Raum um dein Gefühl; und da
aus jener zweiten schlag ich dir das Anschaun
das nichts begehrt, des großen Künstlers Anschaun;
und in der dritten, die du selbst zu früh
zerbrochen hast, da kaum der erste Schuss
bebender Speise aus des Herzens Weißglut
hineinfuhr -, war ein Tod von guter Arbeit
vertieft gebildet, jener eigne Tod,
der uns so nötig hat, weil wir ihn leben.
und dem wir nirgends näher sind als hier.
"Ein Tod von guter Arbeit vertieft gebildet." Was für ein genialer Hund!

Antwort geändert am 28.03.2023 um 15:48 Uhr

Antwort geändert am 28.03.2023 um 16:03 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 29.03.23 um 14:13:
Der Kästner ist gut: "Bleib am Leben, sie zu ärgern!"

 Graeculus meinte dazu am 29.03.23 um 14:37:
An Regina: s.u.

 Graeculus meinte dazu am 03.04.23 um 12:18:
An Regina:

Noch zu Beethoven, ganz oben: Ja, es hat als wohl singulären Fall einen tauben Komponisten gegeben. Ich bin mir sicher, daß die Nutzbarkeit einer Notenschrift dafür unabdingbar war. Im Gegensatz dazu gibt bzw. gab es viele blinde Jazz- und Blues-Musiker, aber keinen einzigen tauben.
Einen tauben Jazzer kann ich mir nicht einmal vorstellen.

 Regina meinte dazu am 15.04.23 um 00:45:
Ich habe mal geschaut, ob ich einen Musiker unter den Suizidenten finde, jedenfalls nicht einen klassischen Namen, anders als bei den Dichtern, wenn dann sind es welche aus dem 20. Jhdt. aus Pop oder Jazz.

 Graeculus meinte dazu am 15.04.23 um 15:54:
Spontan fällt mir Kurt Cobaine ein, den ich weder zu Pop noch zu Jazz rechne.
Was genau den Ex-Beach Boy Dennis Wilson ins Wasser getrieben hat, ist m.W. ungeklärt.

Was die Klassiker angeht, so weiß ich nicht, ob Du den exzessiven Alkoholkonsum von Modest Mussorgskij, der zu seinem frühen Tod geführt hat, unter die Suizide rechnest. Für mich: im Grenzbereich.

 Regina meinte dazu am 15.04.23 um 17:26:
Da könntest du ja jeden Alkohol- oder Drogenkonsumenten dazurechnen. Aber ein klassischer Musiker spielt sein Stück normalerweise bis zum Schlussakkord, vorher abbrechen ist nicht angesagt.

 Dieter Wal meinte dazu am 15.04.23 um 22:25:
Da könntest du ja jeden Alkohol- oder Drogenkonsumenten dazurechnen.
@Regina: Auf diesen klugen Gedanken kamen Psychologen leider bereits vor Dir. Es wird dann von "verdecktem Suizid" gesprochen.

 Graeculus meinte dazu am 16.04.23 um 16:42:
Die Alkohol- und Drogenabhängigkeit vieler Musiker, auch klassischer Komponisten, gibt mir zu denken. Beethoven (Leberzirrhose) ist nur eines von vielen Beispielen.
Wenn man Freud einmal ernstnimmt, könnte man da schon an den Todestrieb denken.

Ich sehe auch nicht, warum das bei Musikern anders sein sollte als bei Literaten, die ihre Bücher ja auch gerne zuende schreiben.
Abgebrochene oder abgesagte Konzerte, unvollendete Kompositionen sind keine Seltenheit.

 Regina meinte dazu am 16.04.23 um 21:02:
Ihr habt ne Menge Literaten aufgezählt, die tw sogar Abschiedsbriefe hinterlassen haben, während ihr bei den klassischen Musikern vor 1900 nur die Süchtigen nennen könnt. Wenn wir jetzt alle Süchtigen zu Suizidenten dazurechnen, dann haben wir die Statistik freilich bestimmt fünfmal so hoch. Dann wird der Suizid zum Normalfall und der Tod ohne eigenes Zutun zur Ausnahme.

 Graeculus meinte dazu am 16.04.23 um 23:04:
Meine Kenntnisse sind beschränkt. Ich habe ein "Lexikon der prominenten Selbstmörder". Brächte es Dich weiter, würde ich da mal nachschauen? Im Literaturverzeichnis zumindest gibt es einen Abschnitt "Musiker". Das ändert freilich nichts daran, daß ich das Lexikon Namen für Namen durchsuchen müßte.

 Graeculus meinte dazu am 16.04.23 um 23:07:
Beim ersten Blättern sehe ich: Richard Manuel von "The Band", der legendären Begleitband u.a. von Bob Dylan, hat sich aufgehängt.

 Regina meinte dazu am 17.04.23 um 02:37:
Ich rede von Klassikern, also etwa 1750 bis 1900, während du permanent Rock-, Pop- und Jazzmusiker des 20. Jhdt. auf dem Schirm hast. Dass es unter letzteren Suizidfälle gib, ist mir klar. Unter den alten lediglich die Sucht, wenn du die als indirekten Suizid dazurechnen willst.

 Regina meinte dazu am 17.04.23 um 02:37:
Ich rede von Klassikern, also etwa 1750 bis 1900, während du permanent Rock-, Pop- und Jazzmusiker des 20. Jhdt. auf dem Schirm hast. Dass es unter letzteren Suizidfälle gib, ist mir klar. Unter den alten lediglich die Sucht, wenn du die als indirekten Suizid dazurechnen willst.

 Graeculus meinte dazu am 17.04.23 um 12:00:
Ich rede permanent von Musikern des 20. Jhdts., weil ich mich bei deren Schicksal besser auskenne und mir außerdem der von dir angenommene Unterschied nicht einleuchtet. Ich habe ja schonmal gefragt, warum Musiker sich bis 1900 anders verhalten haben sollten als danach - was du nicht beantwortet hast.

Ist es in deinem Interesse, daß ich mir einmal die Mühe mache, im "Lexikon der prominenten Selbstmörder" nach älteren Musikern zu fahnden?

Und ja, wenn man exzessiv säuft wie Mussorgskij, dann nimmt man den eigenen Tod zumindest billigend in Kauf. Der war ja nicht blöd.

 Regina meinte dazu am 17.04.23 um 13:58:
Weil ein ernsthaftes Studium der Musik das Gehirn anders präpariert als eine rein intellektuelle Tätigkeit. Das Leben ist eine Symphonie, und die sollte bis zum Schlussakkord erklingen. Beim statistischen Bundesamt sind die Säufer nicht zu den Suizidenten gerechnet, weil selbst bei extremer Trunksucht kein absichtsvolles Beenden des Lebens festgestellt werden kann.

 Regina meinte dazu am 17.04.23 um 14:05:
Die modernen Bühnenkünstler sind viel mehr Technik, Starrummel und Lautstärke ausgesetzt als selbst Wagner und Konsorten, außerdem haben viele auch keine Musikausbildung. Die Romantiker waren teilweise bettelarm, aber ich fand keinen prominenten Namen unter ihnen, der sich umgebracht hätte.

 Graeculus meinte dazu am 17.04.23 um 17:59:
Bei den klassischen Musikern, wie gesagt, das müßte ich nachschauen. Mir fällt keiner ein, aber da ich mich mit der Frage auch noch nicht beschäftigt habe, will das nicht viel heißen.
Der Alkoholismus fällt wohl nicht statischtisch, sondern eher in einem weiteren Sinne ("Selbtmord mit Messer und Gabel" etc.) unter Selbstzerstörung.

Gehört habe ich übrigens einmal, daß Pianisten nicht an Alzheimer erkranken. Dafür kann ich mich allerdings nicht verbürgen.

 Terminator (28.03.23, 23:36)
Die intellektuelle Redlichkeit gebietet, diese Ablehnung des Suizids durch Kant in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten anzuführen:
Einer, der durch eine Reihe von Übeln, die bis zur Hoffnungslosigkeit angewachsen ist, einen Überdruß am Leben empfindet, ist noch so weit im Besitze seiner Vernunft, daß er sich selbst fragen kann, ob es auch nicht etwa der Pflicht gegen sich selbst zuwider sei, sich das Leben zu nehmen. Nun versucht er: ob die Maxime seiner Handlung wohl ein allgemeines Naturgesetz werden könne. Seine Maxime aber ist: ich mache es mir aus Selbstliebe zum Prinzip, wenn das Leben bei seiner langem Frist mehr Übel droht, als es Annehmlichkeit verspricht, es mir abzukürzen. Es frägt sich nur noch, ob dieses Prinzip der Selbstliebe ein allgemeines Naturgesetz werden könne. Da sieht man aber bald, daß eine Natur, deren Gesetz es wäre, durch dieselbe Empfindung, deren Bestimmung es ist, zur Beförderung des Lebens anzutreiben, das Leben selbst zu zerstören, ihr selbst widersprechen und also nicht als Natur bestehen würde, mithin jene Maxime unmöglich als allgemeines Naturgesetz stattfinden könne, und folglich dem obersten Prinzip aller Pflicht gänzlich widerstreite.
Psychologisch ließe sich Kants Argumentation als lebensfern und abstrakt abtun, pedantisch, ja zwangsneurotisch. Aber lässt sich Kants Einwand gegen den Suizid auch logisch/philosophisch zurückweisen?

 Graeculus meinte dazu am 29.03.23 um 14:19:
Ja. Denn er unterstellt dem Suizidenten eine Maxime, die dieser gar nicht hat.

Nehmen wir ein triviales Beispiel. Mein Maxime sei: "Immer wenn schönes Wetter ist, gehe ich schwimmen." Diese Maxime, als allgemeines Gesetz gedacht, kann nicht gedacht bzw. gewollt werden, weil dann die Schwimmbäder dermaßen überfüllt wären, daß niemand mehr schwimmen könnte.

Man muß der Maxime einige spezifizierende Bedingungen hinzufügen - und so auch beim Suizidenten. Er bringt sich nur unter bestimmten Bedingungen um, die hinreichend selten eintreten, so daß eine Selbstzerstörung der Natur nicht zu befürchten ist.

 Mondscheinsonate (29.03.23, 08:07)
Eigentlich...es ist mir eingefallen, ich habe es vergessen... habe ich eine Patientenverfügung. Mich darf man nicht wiederbeleben. Ist das auch Suizid?

 Dieter Wal meinte dazu am 29.03.23 um 08:14:
Auf jeden Fall. Sakrileg! ;)

 Graeculus meinte dazu am 29.03.23 um 14:12:
Strenggenommen natürlich nicht, aber eine Entscheidung, unter bestimmten Umständen nicht weiterleben zu wollen, ist es schon, oder?

Dieter beliebt zu scherzen.

Bekanntlich lehnen Jehovas Zeugen Bluttransfusionen ab.

 Graeculus meinte dazu am 29.03.23 um 14:35:
An Regina und alle anderen:

Regina hat die Überlegung eingebracht, daß ein Suizident sich fragen solle, was nach dem Tode auf ihn wartet.
Ich habe geantwortet: nichts. Und zwar wegen der Abhängigkeit unserer Psyche von unserem im Tode zerfallenden Leib.
Dies wird schnell als Materialismus ge- bzw. mißdeutet.

Daher gebe ich ein Übersicht über die diskutierten Modelle zum Verhältnis von Physis (Körper) und Psyche (Seele, Bewußtsein, Geist):

1. Idealismus: Die Psyche bestimmt die Physis, die materielle Natur. Jedes materielle Objekt einschließlich unseres Leibes existiert nur als Vorgestelltes eines Bewußtseins.

2. Materialismus: Die Physis, die materielle Natur (inkl. Energie) bestimmt die Psyche. Materie bringt in bestimmten Konstellationen Bewußtsein hervor. Es ist dann klar, daß die Psyche nach dem Zerfall des Leibes nicht mehr weiterexistieren kann.

3. Dualismus: Physis und Psyche sind zwei grundsätzlich verschiedene Entitäten. Da der physikalische Bereich ein in sich geschlossenes System darstellt (Energieerhaltungssatz etc.), ist eine kausale Einwirkung des einen Bereichs auf den anderen ausgeschlossen. Niemand hebt den Arm (Physis), weil er das will (Psyche). Daß dennoch die Ereignisse parallel bzw. koordiniert ablaufen, muß eine beiden System externe Ursache haben, etwa wie wenn jemand zwei Uhren auf dieselbe Zeit stellt und aufzieht; sie laufen dann koordiniert, ohne kausal aufeinander einzuwirken.

4. Identitätsmodell: Physis und Psyche beinhalten dieselben Vorgänge, aber aus unterschiedlicher Perspektive beobachtet. Die Physis (Natur inkl. Leib) nehmen wir mit den Organen der äußeren Wahrnehmung wahr, die psychischen Vorgänge in uns selbst mit einem 'inneren Sinn'. So sehe ich beispielsweise eine Kerze meinen Finger verbrennen (äußere Wahrnehmung) und erlebe gleichzeitig denselben Vorgang als Schmerz (innere Wahrnehmung).
Der Leib und sein Erleben sind also wie zwei Seiten derselben Münze.

Man kann daher behaupten, daß mit dem Leib die Seele (Psyche) zugrundegeht, ohne deshalb Materialist zu sein. Diesen Standpunkt mache ich mir zu eigen.

 Graeculus meinte dazu am 29.03.23 um 14:43:
Man sollte hinzufügen, daß wir diese spezielle Doppelperspektive - von außen und von innen - nur bei einem einzigen Leib haben: dem eigenen.

 Regina meinte dazu am 30.03.23 um 00:20:
Bei R. Steiner gibt es physischen leib, Ätherleib und Astralleib. die Leiche ist der physische, die anderen bleiben noch länger erhalten und haben ihre eigenen Qualitäten. In Stuttgart gibt es dazu die ganzen Anthroposophischen Bücher, Original Steiner und Sekundärliteratur. Ich erkläre es hier jetzt nicht, weil die das besser können.

 Terminator meinte dazu am 30.03.23 um 00:28:
Idealismus: als einziger widerspruchsfrei, dafür aber offen für jeden paralogischen und spiritualistischen Unsinn, trotz aller Bemühungen von Kant und Nachfolgern nicht dicht davon abgrenzbar.

Materialismus: Nur in modifizierter Form (als Identitätsmodell) vernünftig, ansonsten nur dann plausibel, wenn es das denkende Subjekt, das diesen behauptet, nicht gibt (performativer Widerspruch).

Dualismus: Im Grunde modifizierter Idealismus, nur dass dem Nicht-Ideellen (innerhalb des Ideellen, anders letztlich selbstwidersprüchlich) ein eigenes Sein zugestanden wird.

Das Identitätsmodell führt letztlich zum Idealismus, es sei denn, man behauptet, Qualia seien nicht real. Also bleibt nur der Idealismus, der aber nicht zwangsläufig zu beliebigen Substanz-Behauptungen führen muss (Gott/Seele in jeder denkbaren Form), sondern von Paralogismen bereinigt werden kann.

 Graeculus meinte dazu am 30.03.23 um 10:30:
An Regina:

Wie kommt der auf die Existenz von Äther- und Astralleib?

Nun, für meine Absichten bin ich zufrieden, wenn du denen, die die unwiderrufliche Sterblichkeit annehmen, nicht ohne weiteres unterstellst, sie seien Materialisten.

 Graeculus meinte dazu am 30.03.23 um 10:43:
Ich habe mal in Bonins "Lexikon der Parapsychologie" nachgeschaut, bin aber, was die Existenz des Astralleibs angeht, nicht schlauer geworden. "Die Versuche des vorigen und unseres Jh.s, ob es nicht doch gelänge, einen feinstofflichen Körper nachzuweisen, gereichen der Parapsychologie nicht alle zur Ehre."

 Dieter Wal meinte dazu am 30.03.23 um 11:38:
@Graeculus: Bonin & Co.



Bonins Parapsychologie-Lexikon, das wohl einzige in deutscher Sprache erhältliche seriöse, es war mein zweites selbst erworbenes Buch, doch gibt es mittlerweile aktuellere Publikationen.



Die "Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie". Formal handelt es sich um sehr interessante Wissenschaftspublikationen, von denen ich möglicherweise ein Drittel intellektuell nachvollziehen kann. Wahrscheinlich hast Du damit mehr Glück.  https://www.parapsychologische-beratungsstelle.de/Die_Zeitschrift/



In Papierform sind es dicke Bände. Günstiger sind sie als PDF erhältlich. Du bestellst sie bei Walter von Lukadou persönlich, dessen jahrzehntelangen Verdienstn um die Parapsychologie in Deutschland leider nicht länger durch fortgesetzte staatliche Förderungsmittel gedankt wurde. Er freut sich sicher über weiteres Interesse. 



Leben nach dem Tod ("Astralleib") dürfte, soweit ich darüber informiert bin, schon lange mehr kein parapsychologisches Thema sein.

Menschen mit luziden Träumen und OBE-Erfahrung teilen sich in zwei Lager: 1. Esoterisch-religiöse, 2. Nichtreligiöse. Letztere Gruppe erforscht die Phänomene praktisch ("Psychonauten") und fragt sich, wie sie zustande kommen und was sie bedeuten, doch verleiht ihnen keine spirituellen Bedeutungen. Sie können auch völlig sinnlos und irrational sein. Doch sicher fantasievoll. Es scheint sich unter Parapsychologen kein OBE-Betroffener zu befinden. Doch das ist nur Mutmaßung. Sie dürften es nicht zugeben, da sie sonst ihre wissenschaftliche Souveränität in Frage stellen lassen dürften.

Antwort geändert am 30.03.2023 um 12:21 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 30.03.23 um 14:40:
An Terminator:

Für den Idealismus spricht einiges, und ich stimme Dir auch zu, daß er mit dem Identitätsmodell kompatibel ist.
Was wird unter dieser Prämisse aus der Leibgebundenheit der Psyche und der Frage eines Lebens nach dem Zerfall des Leibes?
Mir Recht warnst Du vor einer Deutung als Seelensubstanz.

 Graeculus meinte dazu am 30.03.23 um 14:41:
An dieser Stelle sprengt die Frage wohl den Rahmen dieses Threads über Suizid.

 Graeculus meinte dazu am 30.03.23 um 14:43:
An Dieter:

Der Bonin ist halt das, was ich hier habe.


Leben nach dem Tod ("Astralleib") dürfte, soweit ich darüber informiert bin, schon lange mehr kein parapsychologisches Thema sein.

Das können wir ja hier einmal so stehen lassen, sofern Regina damit einverstanden ist.

 Graeculus meinte dazu am 30.03.23 um 14:45:
Zum OBE-Thema: Wenn es verschiedene mögliche Deutungen gibt, dann kann man nicht von einem Beweis für eine körper-unabhängige Existenz der Seele sprechen.

 Dieter Wal meinte dazu am 30.03.23 um 15:21:
Spukphänomene und OBE sind bestens belegt. Doch ihre parapsychologischen Deutungen eigenen sich nicht als Beweis für ein Leben nach dem Tod. Esoteriker sehen das natürlich vollkommen anders.

Sollte ich vor Dir sterben und es gibt ein Leben nach dem Tod, verspreche ich Dir, Dich nach bestem Gewissen darüber in Kenntnis zu setzen. ;)  (Irgendwie doof, dass Du dann meine hingabevolle Spukerei wegpsychologisierst und mich armes Gespenst unwahrschelinlicherweise ernst nimmst.  :D )

 Graeculus meinte dazu am 30.03.23 um 16:44:
So wie die beiden mittelalterlichen Mönche es vereinbart hatten, die mit dem "totaliter aliter"? Das ist ein schöne Idee. Einen Zettel vom toten Dieter unter dem Kopfkissen stelle ich mir sehr beeindruckend vor.

Abgemacht?

 Dieter Wal meinte dazu am 30.03.23 um 16:52:
Totaliter aliter. Ich würde all mein gegebenenfalls Gespenstermögliches versuchen.

Auf Zettel zu schreiben soll Verstorbenen nicht möglich sein. Wann, wenn nicht nach dem Tod soll mit der Schreiberei endlich Schluss sein?

 Graeculus meinte dazu am 31.03.23 um 00:05:
Du darfst es mir auch nächtens ins Ohr flüstern. Ausnahmsweise.

Ja, ab dem Tod sollte mit dem Schreiben Schabbes sein. Das bedeutet allerdings, daß irgendein Wort nicht nur das letzte gesprochene, sondern auch das letzte geschriebene sein wird. Welches wird es sein?

 Dieter Wal (30.03.23, 12:02)
Putzig schrieb Georg von Welling (1655-1727):





IV. Kapitel:
Von des Menschen Zustand nach seinem Tode, und der Verwandlung seines verweßlichen Leibes, in den unverweßlichen Leib, wie er in Eden erschaffen worden; wie auch von der Beschaffenheit der Verdammten unverweßlichen Leiber aus dem Principio der Finsterniß.
§. I.
In den vorhergehenden Capiteln hoffen wir, werde den Liebhabern nach der Rubric der Capiteln einiges Vergnügen gegeben worden seyn. Vollkommene Vergnüglichkeit ist nach St. Pauli Worten 1. Cor. XIII,9. nicht zu hoffen; also ist dieselbe auch nicht von uns zu erwarten, genug daß wir den Liebhabern dasjenige mitteilen, so uns die ewige Weisheit aus Gnaden verliehen. Des vorhergehenden Capitels Beschluß war von der Wiederumkehrung des elementarischen Menschen in dem Menschen in Eden. Daß der Mensch aus dreyen, nemlich Geist, Seel und Leib, aus der höchsten Geist=Welt. der Engel=Welt und aus Eden erschaffen,  und zusammen gesetzt, ist in allem vorhergehenden [Sic!] genug erwiesen, und bedarf also keiner Wiederholung, wird auch wohl von niemand, als etwa einem armen Postillen=Ritter, welcher ein weniges von der heiligen Schrift durch den Herrn Magister, nicht aber vom Heiligen Geist erklären gehört, widersprochen werden.

aus:  Opus mago-cabbalisticum et theosophicum, darinnen der Ursprung, Natur, Eigenschaften und Gebrauch des Salzes, Schwefels und Mercurii in dreyen Theilen beschrieben, Fleischersche Buchhandlung, Frankfurt und Leipzig 1760.

Uff! Nach Du armer Postillen=Ritter? :)

Kommentar geändert am 30.03.2023 um 12:03 Uhr

 Regina meinte dazu am 30.03.23 um 12:48:
Die Welling-Position, jedoch in etwas moderner form, dürfte der von R.Steiner entsprechen. du fragst, wie kam er auf die Ideen. Nun, zum einen war er sehr belesen, zum anderen von der Theosophie Blavatskys beeinflusst, die in Tibet gelebt und gelernt hatte. Über seine Zugehörigkeit zu Freimaurerorden (u.a. dem O.T.O, einem Orden, der sich sowieso nicht in die Karten schauen lässt) sind sich die Geschichtsschreiber nicht einig. Die Einteilung der Leiber ergibt sich als logisch, wenn du annimmst, dass der physische Körper mit allem Verweslichen eins ist, also die Leiche, der lebende Körper hat dann einen Ätherleib, wie ihn auch die Pflanzen besitzen, darüber hinaus geht der Astralleib wie bei den Tieren, also trägt Emotion, Beziehungen, Mobilität, magnetische Einflüsse der Planeten usw. Dann kommt beim Menschen noch das Ego, der Eindruck, man sei ein individuelles Wesen, hinzu. Das Leben zu beobachten, ergibt ja, dass du z.B. feststellen musst, mit dem Atem bist du mit der ganzen Erdatmosphäre verbunden. auch mit den Planeten sind wir verbunden, das abzulehnen, ist wirklich Postillon-Ritter-mäßig. Und wenn du mit Lothar kommunizierst, dann kommt er dir auch noch mit dem Fixsternhimmel. Aus dieser ganzen Zusammenschau und aus seiner eigenen Hellsicht hat Steiner sein Lehrgebäude aufgebaut. Das zu übernehmen ohne es nachvollziehen zu können, ergibt gläubige Rezeptbuchanthroposophie, die ziemlich albern ist, aber wenn man es mal als Erklärungsvorschlag nimmt, kommt Interessantes dabei heraus.

 Graeculus meinte dazu am 30.03.23 um 14:52:
Zu Blavatsky: Claus Priesner (Dinge zwischen Himmel und Erde. Eine Kulturgeschichte des magischen Denkens. Darmstadt 2022, S. 309-393) hält es für sehr wahrscheinlich, daß sie nie in Tibet war, und schildert sie als dubiose Persönlichkeit. Über Rudolf Steiner schreibt er (a.a.O., S. 393), daß dessen Anthroposophische Gesellschaft schon vom Namen her eine Gegenprogramm zur Blavatskys Theosophischer Gesellschaft gewesen sei.

 Graeculus meinte dazu am 30.03.23 um 14:53:
Priesners Buch wäre vielleicht etwas für Dieter.

 Dieter Wal meinte dazu am 30.03.23 um 15:24:
Priesners Buch wäre vielleicht etwas für Dieter.
@Graeculus:

Oh ja. Danke für den Tipp!

 Regina meinte dazu am 30.03.23 um 16:08:
Gegenprogramm Theosophie kontra Anthroposophie: du kannst heute noch ihre unterschiedlichen Positionen studieren. Damals aber wollten Die Theosophin Annie Besant und Freunde den Inderjungen Krishnamurti (auch er schreibt jetzt Bücher) als Reinkarnation von Jesus Christus feiern. Vor allem das hat Steiner nicht mitgespielt. So kam es zum Bruch.

 Graeculus meinte dazu am 30.03.23 um 16:42:
An Dieter:

Sehr gut; ich hatte schon in Betracht gezogen, ob nicht Du mir dieses Buch empfohlen hast. Offenbar nicht.

 Graeculus meinte dazu am 30.03.23 um 16:47:
An Regina:

Danke für den Hintergrund, den der Buchautor nicht erwähnt hat.
Es ist anscheinend ein Problem für 'esoterische' Glaubensgemeinschaften, daß sie sich häufig in Sekten zerlegen, meist verbunden mit einem menschlichen Bruch.

Quantenphysiker der verschiedenen Schulen reden immerhin noch miteinander.

 Graeculus meinte dazu am 30.03.23 um 16:49:
Ich habe jetzt unterstellt bzw. vermutet, daß es zwischen Besant und Steiner auch zu einem menschlichen Bruch gekommen ist - es klang so bei dir.

 Regina meinte dazu am 30.03.23 um 19:25:
Ich kenne nur diese Geschichte mit Krishnamurti. Ich weiß auch nicht, ob Blavatsky zu den Vorläufern der heutigen Lebenslauffrisierer gehörte. Ihr Werk sieht für mich aber nicht so aus, als hätte sie sich das alles alleine ausgedacht.

 Graeculus meinte dazu am 31.03.23 um 00:01:
Ich glaube, dieses "Lebenslauffrisieren" (schönes Wort) gab es immer schon. Ob es auf Frau Blavatsky zutrifft, weiß ich nicht - der Priesner hält es für wahrscheinlich. Kenntnisse über Buddhismus könnte sie auch aus anderen Quellen bezogen haben. Kennst du ihr Hauptwerk "Isis entschleiert"? Der Isis-Mythos und alles drumherum interessiert mich.

 Regina meinte dazu am 31.03.23 um 07:51:
Dort lässt sie sich über uralte Traditionen der Magie  in den Veden und bei den Chaldäern aus, und erwähnt u. a. den ägyptischen Priester Hermes Trismegistos und die Tabula Smaragdina, von der sie sagt, sie sei älter als der Planet. 

Beide, Steiner wie Blavatsky, lehnen die Wissenschaft nicht ab, halten sie aber für geistig ergänzungsbedürftig, der katholischen Kirche trauen sie diese Geistigkeit aber nicht mehr zu.

 Dieter Wal meinte dazu am 31.03.23 um 11:31:
erwähnt u. a. den ägyptischen Priester Hermes Trismegistos und die Tabula Smaragdina, von der sie sagt, sie sei älter als der Planet.
@Regina:


Auch weia. Dann redete sie wie Swetlana und brabbelte totalen Mist.

Doch Theosoph von Welling ist ja auch auf seine Art schräg, denn er wähnte sich im Besitz des heiligen Geistes.

Halten wir fest: Theosophen und Anthroposophen haben eine gewaltige Meise.

 Regina meinte dazu am 31.03.23 um 13:24:
Uns gibt es ja auch noch. Wir können was Bahnbrechendes schreiben.

 Dieter Wal meinte dazu am 31.03.23 um 14:02:
@Regina:

Bahnbrechend. Unbedingt.


Über seine Zugehörigkeit zu Freimaurerorden (u.a. dem O.T.O, einem Orden, der sich sowieso nicht in die Karten schauen lässt) sind sich die Geschichtsschreiber nicht einig.
Definitiv nicht O.T.O.. Doch es gibt (wieder?) heute noch in Hamburg einen sogen.  "Memphis-Misraim-Dienst". Dabei scheint es sich um eine anthroposophische Gruppe zu handeln, die Rudolf Steiners freimaurerische Aktivitäten dieser auch damals relativ ungewöhnllchen Form fortführt.


Peter-Robert König, er sollte es eigentlich wissen, denn er ist zweifellos in diesen Themen Experte, frisst mich jedesmal, wenn ich behaupte, Steiner sei Freimaurer gewesen. Bisher hörte ich jedoch keine Argumente von ihm.

 Graeculus meinte dazu am 01.04.23 um 00:01:
An Regina:

Den "Hermes Trismegistos" kenn ich, die "Tabula Smaragdina" nicht. Älter als der Planet, da hört es bei mir auf. Bücher, die durchs Weltall schweben?

 Graeculus meinte dazu am 01.04.23 um 00:02:
Der Hermes Trismegistos ist schon ein seltsames Buch. Das Corpus Hermeticum, zu dem er gehört, ist aber nicht altägyptisch, sondern spätantik.

 Graeculus meinte dazu am 01.04.23 um 00:05:
Wir können etwas Bahnbrechendes schreiben? Dann wird es aber Zeit!
Ein von uns dreien geschriebenes Buch, das hätte ja etwas. Thema?

 Graeculus meinte dazu am 01.04.23 um 00:06:
An Dieter: Wie kommst Du jetzt auf Peter-Robert König? Ein Bekannter von Dir?

 Dieter Wal meinte dazu am 01.04.23 um 00:28:
Das Corpus Hermeticum, zu dem er gehört, ist aber nicht altägyptisch, sondern spätantik.
@Graeculus:


Der Sohar ist auch eher nicht von Schimon ben Jochai, dafür umso wahrscheinlicher von Mosche ben Schem Tov de Leon. Also pseudoepigraphisch.

Religiöse Texte mit dem Anspruch auf Authentizität werden entweder einem berühmten möglichst ehrwürdigen Urheber zugeschrieben, oder erscheinen wie die Chymische Hochzeit anonym, obwohl unstrittig ist, dass Johann Valentin Andreae ihr Autor war. Der wirkte auch in der Nürnberger Lorenz-Krche, weshalb man sein Bild noch heute dort hängen sehen kann, was ich beeindruckend finde.

 Graeculus meinte dazu am 02.04.23 um 00:12:
Das ist so, aber ich bezog mich nur distanzierend auf Reginas Bemerkung über uralte Traditionen der Magie. Die Spätantike ist so alt nun nicht. Die persischen Magier, die Chaldäer, sind da schon etwas älter. Aber was wissen wir über sie?

 Graeculus meinte dazu am 03.04.23 um 01:03:
Diese Kirche kenne ich übrigens nicht; ich war selten in Franken und nie länger.

 Regina meinte dazu am 03.04.23 um 01:40:
Die steht mitten in der Stadt.

Die tabula smaragdina ist kein Buch, sondern eine Tafel, wie der Name schon sagt, aus Smaragd, mit eingravierten Lehrsätzen.

 Regina meinte dazu am 03.04.23 um 01:42:
Dieter:
"Auch weia. Dann redete sie wie Swetlana und brabbelte totalen Mist." Ich kenne Swetlana kaum und habe den Zirkus um ihre Person nicht mitbekommen.

 Graeculus meinte dazu am 03.04.23 um 17:45:
An Regina:

Manche Tabulae sind als Bücher überliefert, aber gut, ich verstehe. Gibt es diese smaragdene Tafel irgendwo zu bestaunen?

 Graeculus meinte dazu am 03.04.23 um 17:49:
Zu Swetlana: Da hast du wenig bis nichts verpaßt, Regina. Meiner Erinnerung nach ist sie unter Lothars heftigem Protest gelöscht worden; ich weiß nicht mehr, ob als Auschwitz-Leugnerin oder weil sie zu persönlich wurde. Mit ihr verglichen zu werden, ist sehr despektierlich. Ich meine, Lothar hätte sogar noch eine Verteidigung veröffentlicht.

 Graeculus meinte dazu am 03.04.23 um 17:51:
Die Chaldäer wären ein interessantes Thema - sie geistern durch die antike Literatur, beispielsweise bei Herodot, aber Selbstzeugnisse von ihnen kenne ich nicht.
Weiß jemand etwas über sie?

 Dieter Wal meinte dazu am 03.04.23 um 18:09:
@Graeculus: Chaldäer:  Lernte, dass der legendäre Gitarrenbaumeister  Richard Jacob Weissgerber wohl chaldäischen Ursprungs war.

Mein Vorfahr ist Mody-Dick! Der weißeste von allen.

 Dieter Wal meinte dazu am 03.04.23 um 18:18:
Zu Swetlana: Da hast du wenig bis nichts verpaßt, Regina. Meiner Erinnerung nach ist sie unter Lothars heftigem Protest gelöscht worden; ich weiß nicht mehr, ob als Auschwitz-Leugnerin oder weil sie zu persönlich wurde.
Ersteres.

 Graeculus meinte dazu am 03.04.23 um 18:27:
An Dieter und seine Vorfahren:

Gott, bist auch Du ein Wiedergeborener? Ich dachte, aktuell sei das nur Lavater.

Wie stellt man eigentlich fest, wessen Wiedergeburt man ist? Bei Lavater haben wir immerhin einen identifizierbaren Schreibstil.

Wenn man jemanden von früher ganz doll und unerklärlicherweise mag?

 Graeculus meinte dazu am 03.04.23 um 18:29:
Betr. Swetlana: Ah, Du erinnerst Dich noch. Gibt es eine Wiedergeburt von ihr?

 Graeculus meinte dazu am 03.04.23 um 18:29:
Das heißt, wenn es unheimlich war, dann nannte man sie doch Wiedergänger, oder?

 Graeculus meinte dazu am 03.04.23 um 18:31:
Und die Bornagains sind wieder etwas anderes. Komplizierte Terminologie.

 Dieter Wal meinte dazu am 03.04.23 um 21:32:
Gibt es eine Wiedergeburt von ihr?
Falls ja, gelingt es ihr bestens, sich zu verbergen.



Wie stellt man eigentlich fest, wessen Wiedergeburt man ist? Bei Lavater haben wir immerhin einen identifizierbaren Schreibstil.
 Reinkarnationstherapie? :) 


Schwurbeln für Fortgeschrittene. Wobei ihm Humor völlig fremd zu sein scheint. Autist mit Spezialinteresse pseudointellektueller Biblizismus? Obwohl er sich jedesmal viel Mühe mit Texten zu geben scheint, lesen sie sich alle wie immer derselbe zähflüssige vor inhaltlichen und stilistischen Fehlern strotzende Brei, der aufgewärmt David Balfour serviert wird. Man liest sie nur, weil man halt von seinem geizigen Onkel eingesperrt wurde und einem gar nichts anderes übrigbleibt. Dieser Nick wird sich schon bald wieder totgeschrieben haben. Er fängt bereits suizidal an.

 Graeculus meinte dazu am 04.04.23 um 00:41:
Ein schon x-fach und oft mehrfach zugleich aufgetauchter biblizistischer Kumpel des Blauvogels. Hat mich schon einige Male privat belästigt. Die Texte suggerieren ein überlegenes Bildungsniveau, sind allerdings nicht das, was ich unter Bildung verstehe.
Jedenfalls sind die einzigen Wiedergeburten, die ich kenne, diejenigen, die wir auf kV erleben.

 Dieter Wal meinte dazu am 04.04.23 um 00:49:
Was die thematische und stilistische Statik beider Kontrahenten betrifft, könnten sie eineiige Zwillingsbrüder im Rosenkrieg sein. Bei beiden ändert sich wirklich über längere Zeiträume, soweit sie auf kV sichtbar sind, rein gar nix.

 Graeculus meinte dazu am 04.04.23 um 01:07:
Nein, und sie sind beide gut zu erkennen. Da ist mancher andere hier ein raffinierterer Wiedergänger.

 Graeculus meinte dazu am 16.04.23 um 16:35:
Habe vor drei Tagen wieder eine lange E-Mail von ihm erhalten, obgleich ich mir das schon mehrmals verbeten habe.

 Dieter Wal meinte dazu am 16.04.23 um 17:55:
Habe vor drei Tagen wieder eine lange E-Mail von ihm erhalten, obgleich ich mir das schon mehrmals verbeten habe.
Ungelesen löschen. Finit.

Antwort geändert am 16.04.2023 um 17:56 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 16.04.23 um 18:06:
Ich bin eher fürs Aufbewahren. Habe nicht übel Lust, ihn zu eines Tages zu verklagen. Allerdings müßte ich ihn dafür wohl zuvor anwaltlich abmahnen. Ach, dieser Aufwand!

 Dieter Wal meinte dazu am 16.04.23 um 18:11:
Seine Emails wirkten auf mich in wirklich krankhaftem Sinn manisch. Ich bin kein Psychiater. Kann so etwas daher nicht wirklich beurteilen. Ob es sich lohnt, einen Psychotiker auf Unterlassung hin zu verklagen? Doch mach, Dein Anwalt freut sich (eventuell).

 Graeculus meinte dazu am 16.04.23 um 22:59:
Auch Du erhältst E-Mails von ihm?
Freuen würde sich auf jeden Fall der Anwalt. Wie weit der Wahn bei unserem 'Kollegen' geht, weiß ich nicht.

 Dieter Wal meinte dazu am 16.04.23 um 23:32:
Nein. Ich meinte die vom letzten oder vorletzten Jahr. Ich hoffe, er verschont mich weiterhin.

 Graeculus meinte dazu am 16.04.23 um 23:40:
So hart wie Du ihn kritisierst, möchte ich darauf keinen höheren Betrag wetten. Er hat ja offenbar einen ganz heftigen Bekehrungs-Impetus.

 Dieter Wal (14.04.23, 16:55)

 Graeculus meinte dazu am 14.04.23 um 23:37:
Das ist ein Film über Demenz, nicht wahr? Ich meine, schonmal davon gehört zu haben. Gut, schaue ich einmal rein.

Und gut, übrigens, daß Du entschlossen bist, am kV-Treffen teilzunehmen. Da bin ich gespannt.

 Graeculus meinte dazu am 14.04.23 um 23:38:
Es bleibt doch dabei, oder?

 Dieter Wal meinte dazu am 14.04.23 um 23:55:
Unbedingt.

 Graeculus meinte dazu am 15.04.23 um 15:47:
Sehr gut!

 Dieter Wal meinte dazu am 16.04.23 um 17:39:
Danke.
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