Sprachintegration in Deutschland

Essay zum Thema Sprache/ Sprachen

von  Regina

Man muss dem bundeseinheitlichen Integrationssprachsystem der BRD, das ursprünglich als Sprachniveaufeststellungsinstrument für die Integration der EU-Länder untereinander geschaffen wurde, durchaus bescheinigen, dass es gut funktioniert, wenn der zu schulende Kandidat die notwendigen Bedingungen erfüllt. Er/Sie muss für das Erreichen der unteren Niveaus A2 (Anfänger mit Vorkenntnissen) bis B1 (Kommunikation im Alltag) mindestens ein Hauptschulniveau als allgemeine Bildungsvoraussetzung mitbringen, den angebotenen Intensivunterricht regelmäßig besuchen und außerdem genügend intrinsische Motivation aufweisen, regelmäßig Hausaufgaben zu machen, mitzulernen und sich Gelegenheiten zur Kommunikation zu suchen.

Von den großen Einwanderergruppen mit russischer, türkischer, griechischer und arabischer Muttersprache erfüllt allein die aus der Sowjetunion stammende Bevölkerung diese Kriterien. Kleinere Immigrantengruppen werden hier nicht betrachtet. Die große Mehrheit der nichteuropäischen Einwanderer kann oder will dem Regierungsprojekt nicht folgen. Mit null (Beispiel irakische Kurdengebiete), fünf (Beispiel Osttürkei) bis sieben Jahren (Beispiel Syrien) Schulbesuch fehlen die allgemeinen Voraussetzungen bzw. es wird sehr schwierig, dem Unterricht zu folgen, zumal eine Progression vorgeschrieben ist, die mit der Anzahl an Wochenstunden steil ansteigt (extremst gesehen bei der AWO mit 40, andernorts 20 oder 25 WSt.).

Den Lehrkräften, selber unterschiedlich ausgebildet und sich mehrheitlich in einer prekären Berufssituation befindend, sind die Hände durch diese Vorgaben weitgehend gebunden, sich um individuelle Lernprobleme zu kümmern. Frustriert über die Arbeitsbedingungen, die ungeeigneten Unterrichtsräume und das weniger unterrichtsfördernde Verhalten der meisten Träger in dieser Branche ziehen sich diese Scheinselbständigen, die Bestqualifizierten zuerst, aus dieser Tätigkeit zurück, wenn ihnen andere Berufsmöglichkeiten geboten werden.

Bei allem soll nicht behauptet werden, dass der Abschluss mit dem angestrebten Niveau für die genannten Gruppen völlig unmöglich sei, er bleibt aber unter den defizitär Gebildeten, die hauptsächlich einwandern, Ausnahmeerscheinung. Die wenigen Personen mit höherer Bildung verhalten sich anders.

Hohe Fehlzeiten vieler Kandidaten erschweren außerdem den Erfolg dieser Schulungen. Die Gründe hierfür heißen Krankheit, Sorge für Kinder, parallele Berufsarbeit und an vierter Stelle Bequemlichkeit. Desinteresse entsteht aus dem Gefühl, dass verpflichtender Schulbesuch nicht erwachsenengerecht oder unmännlich sei. Die Bildungsträger sehen sich aber auch gezwungen, die hohe Abwesenheitsrate hinzunehmen und vor dem Bundesamt zu verheimlichen. Eine Schulpflicht gegen erwachsene Arbeitslose auszusprechen und diese die freie Wirtschaft ausführen zu lassen vereinbart sich nun mal nicht.

Türkische und griechische Altmigranten, die zu einer Zeit der Arbeitsmigration ins Land gekommen sind, als es noch Betriebsdolmetscher gab, sehen oft verständlicherweise nicht ein, dass sie nach langen Arbeitsjahrzehnten die Schulbank drücken sollen. Deren verfestigte Fehler könnten aber auch lediglich durch therapieähnliche Methoden ausgemerzt werden, wofür wiederum die Zeit fehlt. Pendelmigranten, nicht nur aus der Ukraine, sondern auch aus EU-Verliererländern, haben meistens keinerlei Interesse an Integration. Sie wollen sich nicht niederlassen, sondern das schnelle Geld. Die den 600 bis 900 Unterichtsstunden vorgeschaltete Alphabetisierung zeigt nur bei Zweitschriftlernern den einigermaßen erwünschten Lerneffekt, erwachsenen Primäranalphabeten ohne Schulbesuch und oft ohne einen einzigen Tag Berufserfahrung wird sie in keiner Weise gerecht, weil bei einer solchen Lernbiografie Konzentrationsfähigkeit, Gedächtnis und Weltwissen nicht entwickelt wurden. Diese sowie kranke und aufsichtspflichtige Personen sollten nicht zum bundeseinheitlichen Kurs verpflichtet werden, weil sie in diesem System keine Chance haben. Allerdings missbrauchen die Ämter die Kurse auch, um Personen, denen sie keine Arbeitsperspektive anbieten können, irgendwie unterzubringen.

Um die angestrebten Niveaufeststellungsprüfungen zu bestehen, muss der Kandidat allerdings nicht nur die Sprache beherrschen, sondern auch die Prüfungsformate durchschauen und erübt haben, was nicht geschieht, wenn er sich dem regelmäßigen Kursbesuch entzieht.

Neben den bundeseinheitlichen Sprachkursen unter der Leitung der telc-Gesellschaft gibt es außerdem noch Kurse aus dem ESF (Europäischer Sozialfond) und lokale Initiativen.

Sträflich vernachlässigt werden dabei miteinwandernde Kinder und Jugendliche. Besonders schwierig stellt sich ein Immigrationsalter von etwa zwölf Jahren dar. Diese Kinder sollen binnen kurzer Zeit einen Schulabschluss ablegen, ohne die Sprache zu können. In Bayern erhalten sie dazu eine kostenlose Förderung von zehn Nachhilfestunden für alle Fächer, den Rest des Problems sollen die Eltern irgendwie lösen, die ja bis zu 2000 Unterrichtsstunden erhalten oder aber auch zum großen Teil versäumt haben.

Viel Steuergelder könnten eingespart werden, wenn Neuankömmlinge einer Arbeit nachgingen und nebenberuflich eine langsamere Sprachförderung mit weniger Wochenstunden, teilweise auf eigene Kosten, wahrnehmen könnten. Sinnvoll allerdings wäre es, Kinder und Jugendliche mehr als heute sprachlich zu fördern.






Anmerkung von Regina:

Die Autorin hat zwanzig Jahre in dieser Branche gearbeitet.

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Kommentare zu diesem Text


 Teo (15.12.23, 10:54)
Moin,
Ja, du hast die Situation schon treffend benannt.
Es gibt aber tatsächlich , wie aus genannten Staaten Syrien und der Türkei,
Kinder von Einwanderern, die hier erstaunliche Karrieren hinlegen.
Es sind die Ausnahmen, keine Frage.

 Regina meinte dazu am 15.12.23 um 11:16:

Ich habe an anderer Stelle schon den Ausspruch geprägt "Es gibt alles, was es eigentlich nicht gibt, und von allem das Gegenteil."
Für kleinere Kinder ist die Sprachintegration weniger problematisch. Es gibt aber sehr unterschiedliche Voraussetzungen: Manche Kinder sind die geborenen Dolmetscher, andere tun sich lebenslang schwer mit der Zweisprachigkeit.
Türken sind tw. schon in der vierten Generation im Land. Da sollten Karrieren nicht mehr "erstaunlich" sein.

Antwort geändert am 15.12.2023 um 11:28 Uhr

 Teo antwortete darauf am 15.12.23 um 11:52:
Moment. Es ging doch um den Zustand der aktuellen Migration.
Von den Zuständen in  einer 4. Generation war doch nicht die Rede, oder? Da ist natürlich der Begriff erstaunlich nicht angebracht.

 Regina schrieb daraufhin am 15.12.23 um 12:02:
Es ging mir vorrangig um die Sprachkurse für erwachsene Einwanderer, von denen der Großteil, außer den Russen, wenig bis gar nicht qualifiziert ist und die Vorgehensweise der deutschen Regierungen, die diesen Leuten einen Sprachkurs verpasst, der an ihr Bildungsniveau nicht angepasst ist. Da steigen auch viele in den unteren Modulen schon aus, werden aber bis zum Ende dieser Weiterbildung mitgeschleppt, weil daran verdient wird. Dann dürfen Sie Modul 4, 5 und 6 wiederholen, sind aber bei Modul 1 oder 2 schon ausgestiegen, so dass die Wiederholung nichts bringt. 
Manche Leute aber kümmern sich tatsächlich um ihre Kinder, so dass diese in der Schule erfolgreich sind, aber höre auch die Lehrer klagen.
Nein, um die Folgegenerationen ging es nicht. Das ist wieder ein anderer Film.
Taina (39)
(15.12.23, 11:10)
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 Regina äußerte darauf am 15.12.23 um 11:15:
Ich habe an anderer Stelle schon den Ausspruch geprägt "Es gibt alles, was es eigentlich nicht gibt, und von allem das Gegenteil."
Im Essay relativiere ich es aber nach deinem Einspruch.
Persönliche Probleme habe ich auch mit denen nicht, die nicht lernen. Warum aber pendeln sie?

Antwort geändert am 15.12.2023 um 11:17 Uhr

Antwort geändert am 15.12.2023 um 11:23 Uhr

 Regina ergänzte dazu am 15.12.23 um 11:55:
Öfter in die Heimat fahren, heißt nicht unbedingt Pendelmigration. Als Pendelmigrant bezeichne ich jmd., der sein Lebenszentrum nicht ins Zielland verlegt, sondern quasi nur als Gast hier agiert und in Wirklichkeit anderswo lebt und entsprechend interessiert ist, Vorteile zu genießen, ohne sich zu integrieren, etwa sich zu zweit in ein enges Zimmer drängeln und schwarz in Vollzeit arbeiten, so dass keine Zeit bleibt, zu lernen und man im Sprachunterricht übermüdet erscheint, freilich sind auch solche Strategien oft aus der Not geboren.

Antwort geändert am 15.12.2023 um 12:08 Uhr

 harzgebirgler (15.12.23, 12:22)
wer seines landes sprache seit je spricht
ist heimisch in ihm eher, sonst wohl nicht.

gruß vom harzer
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