Utopie Integration

Essay zum Thema Gesellschaft/ Soziales

von  Regina

Dieser Text gehört zum Projekt    Politische und Haltungstexte

Gesellschaft muss sich in dieser Zeit neu definieren und ordnen. Migration heißt das Thema in einer entgrenzten Welt. Ein sinnvoller Umgang damit erfordert neue Projekte und Lösungen, die weit über die Strategien der althergebrachten Politikströmungen hinausgehen. Groß ist die Zahl derer, die Einwanderung in eines der Wohlstandsländer Mitteleuropas wünschen, zu langwierig und bürokratisch überfrachtet die Aufnahme und vollkommen ineffizient die staatlichen Bemühungen um Sprach- und Arbeitsintegration. In einer Krisensituation, die lange schon vorhersehbar gewesen ist, verlangt nun ein Teil der Deutschen nach einer totalitären Lösung. Hier aber werden aller Aussichtslosigkeit zum Trotz Vorschläge unterbreitet, die zu einer Lösung beitragen und den Staatshaushalt finanziell entlasten würden, jenseits von Multi-Kulti-Euphorie oder rassistisch motivierten Deportationsfantasien.

Da in Deutschland vor allem auf Arbeitsintegration Wert gelegt wird, soll es der Arbeitgeber in die Hand nehmen, einen Migranten aufzunehmen, wenn die angebotene Position nicht von einer Person im Inland ausgefüllt werden kann. Der Firma obliegt dann auch weitgehend die Verantwortung für eine sinnvolle Integration dieses Kandidaten. Eine Festanstellung ist anzubieten, die dem Einwanderer die Möglichkeit bietet, eine bürgerliche Existenz auf Augenhöhe mit dem bereits Ansässigen aufzubauen und unter Beweis zu stellen, dass er sich ernsthaft in Arbeit integrieren will. 

Die Sprachintegration ist dem Staat ganz und gar aus der Hand zu nehmen und in die Verantwortung des Einwanderers selber und seines Arbeitgebers zu legen. Der Staat hat mit seinem bundeseinheitlichen Sprachkursprojekt unter dem Monopol der telc-Gesellschaft vor allem für den Steuerzahler teure Misserfolge produziert und daneben Tausende unzumutbarer Arbeitsverhältnisse für hochmotivierte Lehrkräfte geschaffen, weil Situation, kultureller Hintergrund und Fähigkeiten der Teilnehmer in keiner Weise analysiert wurden und die Organisation dilettantisch operierenden Führungskräften der freien Wirtschaft überlassen wurde. Ähnliches gilt für Qualifizierung und Berufsausbildung der Migranten und ihrer Kinder. Einer rein profitorientierten Immigrationsindustrie ist der Kampf anzusagen, im Sinne eines Strebens nach höherer Qualität. Wenn der einzugliedernde Arbeitnehmer der deutschen Sprache noch nicht mächtig ist, muss der Arbeitgeber in Zukunft anfangs wieder auf Dolmetscherdienste zugreifen. Dann soll eine nebenberufliche Sprachschulung vereinbart werden, die sich der Ausgangssituation des Immigranten anpasst und ihn nicht mit einem hohen Progressionstempo konfrontiert, dem in der Vergangenheit fast ausschließlich die russischsprechenden Einwanderer gewachsen waren. Nach Möglichkeit soll der Arbeitnehmer seine Weiterbildung in Bezug auf Umfang und Lerntempo selber mitgestalten und finanzieren, mit Unterstützung des Arbeitgebers unter Beratung zugelassener Lehrkräfte, die vor Arbeitgeberwillkür zu schützen sind. So kann eine höhere Qualität und Bereitschaft erreicht werden, die angebotene Schulung auch zu nutzen. 

Die Forderung nach einem Mitspracherecht der Kommunen zeigt sich aktuell als ganz dringliche Angelegenheit. Jeder Einwanderer braucht Wohnraum auf Dauer. Leben im Container und in überfüllten, provisorisch mit Trennwänden versehenen Produktions- oder Verkaufshallen muss der Vergangenheit angehören, weil solche Zustände menschenunwürdig und doch auch wieder kostspielig ausfallen. Auch hier hat der Arbeitgeber für seinen Mitarbeiter zu sorgen, indem er Wohnraum baut, kauft oder anmietet. Auch diese Aktivitäten dürfen sich nicht zum Schaden der bereits ansässigen Bevölkerung auswirken, um Unmut und fremdenfeindlichen Tendenzen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Des Weiteren überprüft die Kommune, ob geeignete Schulsituationen und Freizeitangebote für die mit einwandernde zweite Generation vorhanden sind. Letztere bekommt erfahrungsgemäß die volle Breitseite kultureller Konflikte mehr zu spüren als die erste Einwanderergeneration. Vor allem für Jugendliche muss hier mehr Präventions- und Sprachlehrarbeit geleistet werden, damit sie mit der Generation der Gleichaltrigen mitziehen können. 

Eine Integrationsprognose ist von einer Kommission zu erstellen, die aus Fachkräften mit interkultureller Erfahrung besteht. Partner aus binationalen Ehen, Auslandsjournalisten, Globetrotter, Botschaftsmitarbeiter, bereits integrierte Migranten, Lehrer und weitere auslandserfahrene Personen sollen ihre Kenntnisse einbringen, um die Wahrscheinlichkeit einer positiv verlaufenden Integration zu erstellen, nicht nur für den Einwanderungsbewerber selber, sondern vor allem für seine Kinder. Integration ist ein Unterfangen, das sich über mehrere Generationen hinzieht und nicht immer konfliktfrei stattfindet. Erfahrungen der klassischen Einwanderungsländer sind in Betracht zu ziehen. Auch die Erwartungshaltung und die Wünsche des Immigrationsbewerbers sind zu berücksichtigen und die Frage, ob die Gesellschaft des Ziellandes diese erfüllt.  

Es können auch Migranten aus humanitären oder sozialen Gründen aufgenommen werden. Insgesamt ist auch diese Entscheidung zu dezentralisieren und auf Spendenbasis umzustellen. Dann hat der Sponsor für Wohnraum, Lebensunterhalt und kulturelle Integration zu sorgen wie der oben beschriebene Arbeitgeber. Die Anzahl nicht arbeitsfähiger Immigranten aber ist zu begrenzen, wenn man das Merkmal einer Arbeitsgesellschaft aufrecht erhalten will. Junge Männer sollten darauf hingewiesen werden, dass wegen der niedrigen Geburtenraten ihre Aussicht auf Beziehungen zu Frauen evtl. vermindert ist. Eine Unausgeglichenheit zwischen der Anzahl an Frauen und Männern in jüngeren Altersstufen sollte möglichst vermieden werden, da dies zu sozialen Spannungen führen kann. 

Schlussendlich hat der Staat für den rechtlichen Rahmen zu sorgen. Es muss klargestellt werden, dass schwerkriminelle Handlungen zum Verlust des Aufenthaltsrechts führen, aber auch Ordnungswidrigkeiten, Fahren ohne Führerschein, Steuerhinterziehung, Prostitution oder gar Mitwirkung im Drogenhandel sowie die Selbstverteidigung mit dem Messer nicht erwünscht sind. Der Einwanderer soll eine Kaution zahlen, die für eine evtl. notwendige Rückführung benötigt wird und ähnlich einer Mietkaution verzinst und bei Verlassen der Bundesrepublik oder Erlangen der Einbürgerung zurückerstattet wird. Das wäre jedenfalls sinnvoller als Tausende Euro in unsichere und gefährliche Schlepperdienste zu investieren. Der Einwanderungsantrag soll bei einer Auslandsbotschaft der BRD gestellt werden, Bootsmigration zur negativen Auslese führen. Gesetze, die der aktuellen Situation nicht gerecht werden, sind abzuschaffen.  

Ohne Illusion, die immensen Probleme der Menschen in der südlichen Hemisphäre lösen zu können und auch ohne Hoffnung, dass vernünftige Vorschläge die Ohren der verantwortlichen Politiker erreichen werden, die in der Vergangenheit eine Fehlentscheidung nach der anderen getroffen haben, weil sie in interkulturellen Fragen keine Erfahrung besitzen, seien diese Gedanken hier dennoch zur Diskussion gestellt. 

 

 




Anmerkung von Regina:

Die Autorin kennt die Praxis. Sie hat etwa zwanzig Jahre lang Integrationssprachkurse erteilt und lebt heute von einer mageren Rente mit Aufzahlung durch Grundsicherung.

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Kommentare zu diesem Text


 TassoTuwas (21.01.24, 11:06)
Hallo Regina,
es dürfte dir klar sein, dass das, was du vorschlägst, nur mit einem Millionenheer von neuen Beamten zu bewältigen ist, denn ohne neue Verordnungen, Gesetze und Kontrollmechanismen geht in Deutschland nichts. Denn eines wissen wir, der Staat und auch die Parteien misstrauen jeder, nicht vom ihnen selbst ausgebrüteten Initiative.
Außerdem würde die Idee die Kosten für die Unternehmen, bezüglich Auswahl, Ausbildung, Sprachschulung, Unterbringung etc., der Zugewanderten, derart in die Höhe treiben, dass es zu einer Preissteigerung ungeahnten Ausmaßes, also Inflation kommen würde, bedeutet Abwanderung in Billigländer.
Was du dir überlegt hast ist schön zu lesen, wenn auch nur eine Utopie.
LG TT

 Regina meinte dazu am 21.01.24 um 11:24:
Diese Kosten für die Unternehmen, die sie im Übrigen in den sechziger Jahren getragen haben (Übersetzer, Industriesprachkurse, behelfsmäßige Unterbringung (war auch nicht toll)), könnten über Steuererleichterungen ausgeglichen werden. In Erlangen gibt es noch heute Siemens-Werkswohnungen. Dass es Utopie ist, war mir klar. Aber was derzeit passiert, ist Unfug.

Antwort geändert am 21.01.2024 um 11:29 Uhr

 AZU20 (21.01.24, 12:11)
Interessante Aspekte. Mit Interesse gelesen. LG

 Regina antwortete darauf am 21.01.24 um 14:38:
Danke, AZU.

 Graeculus (21.01.24, 15:39)
Dieser Vorschlag läßt außer acht den Umstand, daß ein erheblicher Teil der Migranten sich auf das Asylrecht (GG Art. 16a) beruft. Wenn, wie es dort heißt, "politisch Verfolgte das Recht auf Asyl genießen", dann muß ja jeder Antrag auf dem Rechtsweg geprüft werden. Wie soll das nach Deiner Meinung geschehen? Von einer Integrationsbereitschaft als Bedingung ist in Art. 16a nicht die Rede.

 Regina schrieb daraufhin am 21.01.24 um 16:56:
Das Asylrecht und dessen Prüfung führen sich ad absurdum, wenn jeder es beantragen kann. In der aktuellen Situation muss die Einwanderquote Null sein, weil die Aufnahmeeinrichtungen überlastet sind. Man könnte sich , wenn es wieder Kapazitäten gibt, überlegen, gewisse Kontingente an Asylsuchenden aufzunehmen, wenn in einem Land Verfolgung herrscht, und das individuelle Asylrecht abschaffen. Aber die Frage, wie man die eigene Gesellschaft gestalten will, darf nicht unter den Tisch gekehrt werden und die Antwort nicht der extremen Rechten überlassen werden. Aufnehmen und wieder abschieben ist Humbug. Man soll sich vorher überlegen, wer einreisen darf.

 Graeculus äußerte darauf am 21.01.24 um 17:12:
Beantragen kann das jeder, das ist klar; es muß dann geprüft werden.
Der Versuch, das auf das erste EU-Land abzuwälzen, das die Flüchtlinge betreten, ist gescheitert - was eigentlich abzusehen war, weil dann sämtliche Probleme an Griechenland, Italien und Spanien hängenbleiben.

Die Abschaffung des individuellen Asylrechts erfordert 1. eine Änderung des Grundgesetzes (2/3-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat erforderlich) und tangiert 2. EU- sowie Völkerrecht (Art. 14 Abs. 1 der UN-Menschenrechtserklärung: "Jeder Mensch hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgungen Asyl zu suchen und zu genießen.")

Meines Wissens steht auch im GG, daß internationales Recht Vorrang vor nationalem Recht hat.
Wünschen kann man sich ja viel, aber Deutschland soll doch ein Rechtsstaat bleiben, oder?
Großbritannien bastelt ja an einer Ruanda-Lösung ... und hat einen Haufen Rechtsprobleme damit, inkl. dem eigenen Supreme Court.

Antwort geändert am 21.01.2024 um 18:11 Uhr

 Regina ergänzte dazu am 21.01.24 um 17:22:
Naja, Graeculus, dann bleibt alles so wie es ist. Ich schrieb ja, dass ich mir keine Illusionen mache.

 Graeculus meinte dazu am 21.01.24 um 17:35:
Politik ist die Kunst des Möglichen. Das muß man ausloten. Eine schwierige Angelegenheit, die ich jedenfalls ungern Populisten überlasse, die dem Volk suggerieren, alles sei ganz einfach, wenn man nur wolle.

 AchterZwerg (22.01.24, 06:26)
Hallo Regina,

auch ich habe nach meiner Verrentung zahlreiche Seminare auf diesem Gebiet gegeben ("Deutsch als Fremdsprache") und kann nur bestätigen, dass hier unglaublich viel Geld nutzlos verpulvert wird.
Aber nun gleich alle Schwierigkeiten den Arbeitgebern aufhalsen? Wie sollte das ein mitttelständischer Betrieb mit 5 - 10 Arbeitnehmern leisten?

Ich denke oft, dass man den Begriff der Integration neu überdenken sollte (oft ist diese nicht erwünscht) und aus Deutschland endlich ein stinknormales Einwanderungsland machen sollte!

 Regina meinte dazu am 22.01.24 um 08:14:
So ein kleiner Betrieb bräuchte ja dann maximal einen Migranten. Indem der Staat bei meinem Vorschlag Steuern spart, könnte das über Steuererleichterungen ausgeglichen werden. 
Zu Zeiten der türkischen Arbeitsmigration gab es übrigens arbeitgeberfinanziertes Dolmetschen und Industriesprachkurse, sowie auch Gemeinschaftsunterkünfte für Männer (war nicht toll), aber die AG brauchten diese Leute, deshalb haben sie es sich das kosten lassen.
Integrieren sollte man vor allem die Kinder und da wird zu wenig getan, während den Eltern 2000 Unterrichtsstunden aufgebrummt werden, die sie nicht wollen oder nicht können.

 eiskimo (22.01.24, 10:34)
Sehr gut die Probleme benannt, die viel zu wenig auf ihre langfristigen Folgen hin durchdacht werden.
Es war, glaube ich, Max Frisch, der zur Anwerbung der sog. Gastarbeiter kommentierte: Sie schrien nach Arbeitskräften, aber es kamen Menschen...
Wenn Einwanderung nur nach der Interessenlage der Arbeitgeber läuft, ist es folgerichtig, die auch an den ganzen sozial-integrativen Maßnahmen zu beteiligen, und zwar unmittelbar und konkret.

 Regina meinte dazu am 22.01.24 um 13:40:
Ja, nur bekomme ich auf solche Vorschläge hin mit steter Regelmäßigkeit die Antwort, dass es nicht geht (hier Graeculus). Ja, dann....weiter so. Danke für deinen Kommentar LG Gina
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