Fräulein Lehrerin

Essay zum Thema Gesellschaft/ Soziales

von  Regina

1888 wurde das sogenannte Lehrerinnenzölibat als Gesetz festgelegt, das Lehrerinnen verbot, ihren Beruf weiterhin auszuführen, sobald sie heirateten. Diese Regel knüpfte an die Tradition der alten Klosterschulen an, in denen Nonnen die Kinder des Adels unterrichteten, sollte aber nach offizieller Lesart die Frau vor der Doppelbelastung durch Familie, Haushalt und Unterrichtserteilung schützen. In der Rückschau stellt sich dieses Gesetz eher als arbeitsmarktpolitisches Instrument dar, dass es dem Staat ermöglichte, die männliche Lehrerschaft vor der weiblichen Konkurrenz zu schützen. Bei Lehrerschwemme wurde es streng gehandhabt, bei Lehrermangel wieder gelockert. Eine Lehrerin, die heiratete, verlor damals nicht nur ihre Beamtenstelle, sondern auch alle Sozialbezüge einschließlich des Altersruhegeldes. Ihre Versorgung lag ab diesem Datum in den Händen des Ehemannes. Da es eine Ledigensteuer gab und Lehrerinnen ohnehin schlechter bezahlt waren als ihre männlichen Kollegen, brachte eine Heirat der Frau oft dennoch finanzielle Vorteile.

In der Weimarer Republik wurde das Gesetz 1919 annulliert, 1923 jedoch wieder eingeführt. Mit der Gründung der DDR 1949 wurde die Ungleichbehandlung in Ostdeutschland schließlich endgültig abgeschafft, in der Bonner Republik 1951, mit Ausnahme von Baden-Württemberg, das bis 1956 an der Regelung festhielt. In der Schweiz bestand eine solche Regelung noch bis 1965.

Heute ist die professionelle Pädagogik insgesamt von einem hohen Frauenanteil gekennzeichnet. In Grundschulen arbeiten laut Statistischem Bundesamt 89% weibliche Lehrkräfte, bei Haupt- Waldorf- und Realschulen zeigt sich ein Anteil von 65% Frauen, in den Gymnasien 60%, bei Einrichtungen, die am Abend unterrichten, immerhin noch 57%. Ein verschwindend geringer Anteil von Männern arbeitet in der Kindertagesbetreuung, hier 91% Frauen. 

Der aktuelle Vorschlag, wegen gravierenden Lehrermangels die Teilzeitbeschäftigung im Lehrerberuf gänzlich zu unterbinden, würde Mütter kleiner Kinder unter Umständen aus dem Lehrerinnenberuf verdrängen. Hier stellt sich dann doch wieder die Frage nach der Vereinbarkeit von Mutterschaft und Lehrberuf, auch wenn das Lehrerinnenzölibat schon lange kein Thema mehr ist. 

 



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Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (10.02.24, 01:20)
Eines dieser Fräuleins hat es sogar bis zur Kultusministerin von Nordrhein-Westfalen gebracht, gegen erheblichen Widerstand: Christine Teusch. In Anspielung auf ihren Stand hat Konrad Adenauer sie als Tristine Keusch tituliert.

 Regina meinte dazu am 10.02.24 um 02:11:
Interessant, die kannte ich nicht. aber da sieht man, wie damals noch gedacht wurde.

 Saira (10.02.24, 10:44)
Ich gebe zu, Gina, dass ich von einem Lehrerinnenzölibat nichts wusste. Danke für die Historie von 1888 bis heute.

Liebe Grüße
Sigrun

 Regina antwortete darauf am 10.02.24 um 10:53:
Schön, dann hat der Artikel schon sinn gemacht.

 Graeculus schrieb daraufhin am 10.02.24 um 11:04:
Solche historischen Informationen empfinde auch ich als verdienstvoll: unser Wissen bekommt durch die Kenntnis der Vergangenheit Tiefe, d.h. es wird drei- statt zweidimensional.

 Dieter Wal (13.02.24, 10:33)
Dieser Text der Serie gefällt mir bisher am besten, weil ich darüber so gut wie gar nichts wusste. Vielen Dank!
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