andi(e)stirnschlag

Es gibt noch Pilze

„Das ist doch alles das Gleiche...“ – Da ist es wieder, ich liebe es. Jedesmal, wenn ich es höre oder lese, erfüllt mich ein Gefühl der Schwere.
„Stell‘ Dich doch nicht so an...“, „Ach Du wieder...“, „Es ist doch egal...“, „Als wenn es darauf an käme...“ oder nur ein vielsagendes Augenrollen. Immer wieder passiert es mir (hier bitte hämisch grinsen).
Diesmal kommt es von meiner Mutter. Sie erzählt mir, dass sie “in der Stadt“ (sprich : in der Fußgängerzone) einen Mann gesehen hätte, der einen Biber an der Leine führte – und der hätte total niedlich ausgesehen.
„Biber? So ein Quatsch. - Vielleicht ein Frettchen?“ (Ich behaupte nicht, dass ich mich für einen Preis in Diplomatie bewerbe)
„Frettchen stinken und sind gefährlich,“ kommt es prompt zurück. Der Zusatz “Ungeziefer“ fehlt seltsamerweise.
„Biber sind ziemlich groß, leben überwiegend im Wasser und haben einen langen platten Schwanz.“ Ich zeige mit den Armen die Größenunterschiede.
„Und wie heißen dann die Viecher, die die Kabel beim Auto anknabbern?“
„Marder?“ – Grundsätzlich bin ich nicht gegen Vereinfachung, solange sie nicht zu falsch wird.
„Dann eben ein Marder. Aber das ist doch eh das Gleiche...“ – Meine Mutter rollt zusätzlich mit den Augen.
Ich diesmal auch. Würde ich zu einer Rose “Tulpe“ sagen, wäre Muttern eingeschnappt. Wenn für mich zwei ihrer Blusen gleich aussehen, ist sie beleidigt. Und wenn ich einen Topf mit einer Pfanne verwechseln würde, wäre eine Belehrung unausweichlich...
„Nicht das Gleiche,“ bricht es aus mir heraus. „Du würdest doch auch nicht Katzen und Ratten verwechseln.“
„Katzen sind etwas ganz anderes. Die Anderen sehen doch alle gleich aus...“ kann meine Mutter nicht davon lassen und ich stelle mir einen Mann mit einem dreißig Kilogramm schweren Biber vor, der in der Gelsenkirchner Innenstadt herumläuft. Allein schon die zwei bedrohlich herausstehenden fingergroßen Nagezähne... Ob die Beiden wohl fünf oder zehn Meter leeren Platz um sich hätten?
Dann fällt mir mein vorletzter Besuch im Zoo ein und damit die Frau, die mit dem Finger auf ein Tapir zeigte und mit dem Brustton ihrer Überzeugung sagte : „Schau mal, ein Nasenbär.“
Mein amüsiertes Lächeln vergeht mir, als mir eine fruchtlose Diskussion in meiner Jugend in den Sinn kommt. „Es gibt Pflanzen, Tiere und den Menschen,“ hatte mir meine Mutter damals erklären wollen und ich hatte wahrhaftig widersprochen... Oha, da half kein Schulbuch und kein zoologisches Lehrbuch, kein „Es gibt noch Pilze“ und kein : „Menschen sind auch Tiere. Mit den Schimpansen sind wir zu 98,5 % identisch.“ Egal was ich ihr vorgelesen habe, egal welche Grafik oder welches Bild ich ihr zeigte, sie hatte das beste Argument von Allen: „Du gehst ohne Abendbrot ins Bett.“
„Du kennst Dich doch mit Tieren aus,“ werde ich jetzt einschmeichelnd aus meinen Erinnerungen gerissen und dabei unsanft am Arm gerüttelt. „Sag mal, bekommt man Biber denn stubenrein?“