andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Mittwoch, 21. September 2005, 18:57
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Horror Skope

Na, da haben wir es mal wieder. Kaum nach Hause gekommen, werde ich einmal mehr mit der alt bekannten Frage konfrontiert: „Kennst Du eigentlich Deinen Aszendenten?“
Was soll ich dazu sagen? – Natürlich kenne ich meinen Aszendenten (und wenn ich etwas nachdenke fallen mir vielleicht sogar meine anderen “Häuser“ ein...), genauso wie mein Sternzeichen und mein Horoskop. Viel zu genau habe ich mich früher mit diesem Kram auseinandergesetzt, um es jemals vergessen zu können (bietet mir Altersdemenz etwa die Aussicht darauf? Dann wäre sie ja doch nicht so schlecht...).
„Ja mein Schatz. Ich kenne ihn,“ versuche ich das Thema abzubiegen. So pragmatisch, selbstbewusst und sachlich meine Frau auch immer ist, bei Horoskopen kommt bei ihr die Mentalität “kann-ja-was-dransein“ durch (wobei sie die sehr gesunde Angewohnheit hat nur das anzunehmen, das ihr gefällt; - eine sehr eigene Form der Gläubigkeit).
„Das prüfen wir jetzt nach,“ Brigitte ist manchmal unbeirrbar. „Um welche Uhrzeit bist Du geboren?“ – Sie hat da etwas in der Hand, das wohl als Schnelltest bezeichnet werden kann.
Da komme ich jetzt nicht mehr dran vorbei...
„Eine Arbeitskollegin hat mir das aus der BRIGITTE kopiert...“ – Brigitte schaut mich amüsiert an. Wenigstens ist diese Zeitschrift seriöser und anspruchsvoller als die sonstigen Ratgeber für Spachtel- und Malarbeiten; – es könnte also ganz lustig werden.
Wenig später schon bekomme ich mein “wirkliches“ Wesen präsentiert, wie immer mit unfassbaren Übereinstimmungen, die auf niemanden sonst zutreffen. So lerne ich, dass ich Freiheit und großzügige Lebensbedingungen brauche (braucht ja sonst keiner), damit genügend Platz für meinen Stolz, meine Würde und für den Glanz, der mich umgibt, da ist (Brigitte gönnt mir nach diesem Satz großzügig den Platz für einen glänzenden Lachanfall).
Als ich mich ein wenig zusammengerissen habe erfahre ich, dass ich immer die Pole-Position besetzen, immer Erster und Bester sein will. Selbstständigkeit oder eine leitender Position strebe ich darum an... Nun ja. Das ist mir nicht neu (und es stimmt ja auch: ich koche sehr selbstständig und beim Staubsaugen habe ich eine leitende Position).
Neu ist mir auch nicht meine hohe Führungsqualität (ich lasse mich von meinen Hund sehr qualitätsvoll an der Leine führen), mein Machtinstinkt (knie nieder Du Wurm) und mein leidenschaftliches Engagement für große Ziele (Schlümpfe zählen doch zu den großen Zielen, oder?). – Neu ist mir dann aber, dass ich “auch äußerlich eine Ausnahmeerscheinung“ bin: “aufrechte Körperhaltung (klar!), majestischer Gesichtsausdruck (wenn die Krone nicht drückt) sowie teurer Kleidungsstil (schöne bunte Hemden gibt’s nicht auf dem Grabbeltisch...)“.
Ach ja: Ich mag in der Liebe keine Zweifel, sagt die BRIGITTE (also nicht wie die anderen Menschen, die es ja alle zweifelhaft mögen – oder habe ich da was falsch verstanden?). – Und mein Partner darf ruhig spannend und kompliziert sein (da habe ich ja die Richtige geheiratet), mir aber niemals überlegen. Die Führung wird immer in meinen Händen liegen, die werde ich mir nicht “aus der Hand nehmen lassen“ (deswegen fahren wir ja auch dieses Jahr nach Spanien in den Urlaub, weil ich heißes Wetter so liebe - *jammer*).
Das passt ja alles dazu, dass ich “autoritär, dominant, keinen Widerspruch duldend und selbstverliebt“ bin (Horoskopgläubige die mich kennen flüchten sich in den Begriff “Polarität“, blubbern dann noch von “Mischformen“ und schon passt es wieder – auf etwa 100 % der Menschheit).
Richtig interessant sind übrigens die Ausblicke für dieses Jahr.
- Verantwortung werde ich für Dinge übernehmen, die ich bisher als zu groß empfunden habe (ich werde wohl wirklich noch auf die Leiter klettern und die Dachrinne sauber machen) und daraus werde ich Selbstwertgefühl ziehen (wohl eher Erleichterung, wenn ich von der Leiter wieder runter bin).
- Viel Arbeit werde ich haben (da freue ich mich aber, - oje), Freunde verlieren, weil ich ihnen nichts mehr zu sagen habe (hehe – Die gehen doch eher, weil sie es nicht mehr hören können).
- Ich werde merken, dass ich der Liebe nicht genügend Aufmerksamkeit schenke (na, - da wird sich Brigitte aber bedanken, wenn ich ihr nicht mehr von der Pelle gehe. – Oder meinen die das jetzt anders? *rotwerd*).
- Trotz aller Anstrengung blicke ich am Ende auf ein neu geordnetes Leben (...öhm... interessante Formulierung, schön schwammig).

Veränderungen stehen an, heißt es, Neuordnungen. – Nun... Brigitte möchte, dass wir unsere Wohnung renovieren. Küche, Diele, Wohnzimmer... Sie denkt an Spachtelcreme für eine Art Strukturputz, farbige Wände, Coloreffekte, Effektschablonen, neuen PVC-Boden...
Warum sagen die das nicht gleich! – Neue Struktur wird mein Leben bekommen; es wird farbiger, bunter – und neue Grundlagen werden geschaffen. Und neu geordnet wird es nach dem ganzen Aus- und Einräumen auch sein.

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 ViolaKunterbunt (22.09.05)
Mein erster Gedanke war: Ohje... die ist aber lang heute! Aber es hat sich gelohnt. Das trifft total mein Komikzentrum. Köstlich! Das Thema ist super gewählt und ich kann mir das Gespräch zwischen Euch beiden so richtig gut vorstellen. Diese Schlussfolgerung, dass Dein Leben nun Struktur und Veränderung bekommt durch eine Wohnungs- Renovierung, ist super! (Und wie ich weiß, nicht mal frei erfunden.) Klasse! Wenn es möglich wäre, würde ich dem Text eine Empfehlung mitgeben. Liebe Grüße, Viola
Sally (55)
(22.09.05)
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Symphonie (73)
(22.09.05)
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 Traumreisende (22.09.05)
ich schaffe es langsam, nach den neuerungen und lese kolumnen und es lohnt sich gewaltig, ein echter genuß. alle achtung! lg silvi
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