andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Mittwoch, 26. April 2006, 17:12
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schwule Piraten

Da bekam ich gestern aus den Augenwinkeln einen Zeitungsartikel mit, den Stefan Raab in seiner Sendung ausgeschlachtet hat. Interessanter Stoff für eine Kolumne, dachte ich sofort ...
Leider versagte meine Recherche, die sich mal wieder auf google stützte. Unter den Stichwörtern “Homosexualität“ und “Pirat“ waren keine zitierfähigen Artikel zu finden; ehrlich gesagt: nur Schrott.
Nun gut, in einem Artikel wurde auf das Buch “Sodomy and the Pirate Tradition“ von B. R. Burg verwiesen (das natürlich jeder im Schrank stehen hat), in dem eine Studie von 1978 bearbeitet wird. Das Buch selber ist (angeblich) von 1983, also im besten Alter für eine aktuelle Meldung.
Die Grundidee ist einfach und bedient die üblichen Vorurteile: in einer reinen Männergesellschaft boomt die Homosexualität, es sind ja keine Frauen da. Super! Das passt prima zu den Bildern, die uns seit Jahrhunderten zum Thema “Männer-und-Sexualität“ in die Köpfe geprügelt wird. Männer brauchen einfach den Sex – oder besser: etwas, wo sie IHN reinstecken können.
Andere logische Zusammenhänge werden nicht erwähnt. Wieso sollten sich auch Menschen, die eine Neigung haben, für die sie verfolgt, gefoltert und massakriert werden, einer Gruppe von Schwerverbrechern anschließen, denen der Strick droht, wenn sie erwischt werden? So ein Risiko für ein Bisschen Freiheit?

Nein, nein! – Die Homosexualität bei den Piraten war natürlich nur eine Übersprunghandlung. Reiner Mangel an Frauen, genau wie in den Gefängnissen oder in anderen “Männergruppen“ (nicht falsch verstehen, bitte). So sind die Herren der Schöpfung: handamputiert, penetrationsfixiert und unfähig sich zu beherrschen. Triebgesteuerte Höhlenmenschen halt... – Damit ließen sich Vergewaltigungen und sexuelle Übergriffe ja schon immer rechtfertigen: so ist die Natur des Mannes!
Kurz hinter die Geschichte geschaut, offenbart sich also wieder einmal mehr über die Einstellung der Meldungsmacher, als über die eigentliche Meldung. Es wird von jungen Schiffsjungen gesprochen, die den Piraten als Lustknaben (gemeint ist natürlich: Sexobjekte) dienten, selbstverständlich wird nur der Analverkehr benannt und immer geht es um Macht und Ohnmacht. Anders ausgedrückt: Thema ist die Rettung des macho-man.
Kein Wort über Beziehungen oder Liebe, dafür ist in den Köpfen dieser Leute kein Platz. Homosexualität ist ja nur eine sexuelle Betätigung, ein Triebaustoben, ein Mittel der Unterdrückung. – Ob sie es mit ihrer eigenen Heterosexualität anders sehen?

Eigentlich bin ich ganz froh, dass ich bei google nicht mehr zu diesem Thema gefunden habe.

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 BrigitteG (27.04.06)
Warum schreibt denn keiner was? Na gut, ich habe bisher auch noch nicht über die sexuelle Orientierung von Piraten nachgedacht. Aber welche Stelle mir gut gefällt an Deiner Kolumne, das sind die drei Zeilen am Ende vor dem "Eigentlich"-Satz. Das hast Du sehr schön geschrieben. Es grüßt ganz ohne literarisches knuddelduddel - ich.
C.S.Steinberg (43)
(27.04.06)
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Ropa (33)
(23.05.06)
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