andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Mittwoch, 21. Juni 2006, 18:13
(bisher 1.564x aufgerufen)

Himmelherrgottkruzifixsakrament!

Ist es eigentlich vernünftig, wenn wir auf provozierende Äußerungen unserer Politiker reagieren, wo wir doch wissen, dass sie sich so schnell wenden wie das Wetter über Island?
Nehmen wir etwa Edmund von Bayern, König des Bergvölkchens. Wie ein Fähnchen hält er seine Meinungen in die Strömungen, solange er meint, dass sie stark sind. Dabei benutzt er Schlagwörter, die im Gedächtnis haften bleiben, die ein unbestimmbares Bauchgefühl kratzen und die den Menschen so tief eingeimpft sind, dass niemand sich gegen eine emotionale Berührung wehren kann.
Aber zuerst das komplette Zitat:

" Stoiber sagte: „Es darf nicht alles mit Füßen getreten werden, was anderen heilig ist.“ Der bisherige Paragraph 166 des Strafgesetzbuches sei „völlig stumpf und wirkungslos, weil er eine Bestrafung nur dann vorsieht, wenn der öffentliche Frieden gefährdet ist und Aufruhr droht“.
Wer bewusst auf den religiösen Empfindungen anderer Menschen herumtrampele, müsse mit Konsequenzen rechnen – in schweren Fällen mit bis zu drei Jahren Gefängnis. Der CSU-Chef mahnte: Wohin die Verletzung religiöser Gefühle führen könne, „hat der Streit um die Mohammed-Karikaturen in diesem Jahr auf alarmierende Weise gezeigt.“ "
(it/ddp/"Bild")

und:

§ 166
Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen

(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.
Strafgesetzbuch, besonderer Teil (§§ 80 – 358)

Ist eigentlich jemandem im Bewusstsein gewesen, dass wir noch so einen Paragraphen besitzen? Dass also auch heute schon jemand für drei Jahre weggesperrt werden kann? – Stoiber wörtlich genommen heißt: Die Schöpfer der Mohammed-Karrikaturen gehören in den Knast.
Weltanschauungsvereinigungen? Religionsgemeinschaften? Bestehende Kirchen? – Interessante Prozesse sind zu erwarten, wo doch die Lehre des Einen die Lehre des Anderen verunglimpfen kann ... Von Darwin und der Evolutionstheorie können wir uns schon mal verabschieden. CD- und DVD-Technik, PC und der ganze Rest an elektronischem Teufelswerk werden verboten, da die Quantentheorie als Grundlage dieser Technologie ganz eindeutig den göttlichen Gesetzen aller Religionen zuwider läuft (und ohne die Berücksichtigung der Quantentheorie laufen die Kisten einfach nicht). Die Biologie, die Physik, die Astronomie und große Teile der Naturwissenschaften müssen neu geschrieben werden; bei der Psychologie, der Pädagogik und der Medizin sieht es nicht anders aus. Das schafft Arbeitsplätze und füllt die Gefängnisse.
Wie sagte Stoiber so schön:

"Sozial ist, was Arbeit schafft."
SZ, 10.7.2004, S. 9

Ja, ja ... So können wir die Zahl der Arbeitslosen wirklich senken. Aber König Edmund geht es um mehr, das zeigt er durch sein Wissen historischer Fakten, durch seine Rechtsstaatsgläubigkeit und durch seine profunden Kenntnisse der Bibel:

"»Die Würde des Menschen ist unantastbar«, das fließt aus der Christianisierung unseres Landes heraus."
"Zwischenbilanz für Bayern. Edmund Stoiber im Gespräch mit Sigmund Gottlieb", Bayerisches Fernsehen, 1.12.2004

"Wir wollen, dass die christlich abendländische Kultur die Leitkultur bleibt, und nicht aufgeht in einem Mischmasch."
Passau, Politischer Aschermittwoch 2000. Süddeutsche Zeitung, 23.10.2000, S.17

Zum Kruzifix-Urteil des Bundesverfassungsgerichts: “Wir respektieren das Urteil, aber wir werden es inhaltlich nicht akzeptieren.“
Süddeutsche Zeitung, 21.Mai 1999, Seite 4

"Muslime betrachten uns auch deshalb als Ungläubige, weil wir unsere religiösen Symbole nicht genug schützen."

Welche der zehn Gebote sind Ihnen für den Aufbau der Gesellschaft besonders bedeutsam?
Stoiber: "Für den Aufbau der Gesellschaft sicherlich die Nächstenliebe."
SZ, 14. August 2002, Interview Bayern Seite 5

“Wenn ich im Menschen das Ebenbild Gottes sehe, muss ich seine Würde schützen, dann muss ich für ein solidarisches Miteinander in unserer Gesellschaft eintreten, muss Ehe und Familie fördern.“
Homepage von Edmund Stoiber: http://www.stoiber.de/meineziele/32/cont_324

Um das noch einmal herauszuarbeiten: die Christianisierung unseres Landes (Deutschland? Bayern?) ist ein Beispiel dafür, wie sehr die christliche Kirche die Würde des Menschen achtet. – Na toll. – Mischmasch und Christentum gehören nicht zusammen. – Herzlich willkommen in der uniformen Kirche. Etwas anderes als den bayrischen Katholizismus gibt es einfach nicht ... – Der Islam erkennt dann eine Religion an, wenn sie ihre religiösen Symbole schützt. – Na sowas ... – Nächstenliebe steht in den zehn Geboten. – Das muss Nummer 11 sein ...
Noch zwei Zitate zum Abschluss, die für sich selbst stehen:

"Wir müssen den Kindern mehr Deutsch lernen."
Zitat von Edmund Stoiber, CSU, politischer Aschermittwoch 2002

"Wer glaubt, ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich. Man wird ja auch kein Auto, wenn man in einer Garage steht."
Albert Schweitzer

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag

wortverdreher (36)
(22.06.06)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 AndreasG (22.06.06)
Nichts für Ungut, Wortverdreher, aber Du zitierst aus dem neuen Testament die Antwort auf die Pharisäerfrage (da ich nicht sehr Bibelfest bin musste ich erst nachschlagen: Matthäus 22: 37-40). Die Textstelle mit der Nächstenliebe (was nach dem damaligen Verständnis nicht einmal ansatzweise unserer heutigen Sicht entsprach) stammt ursprünglich aus dem Levitikus und ist eine Ergänzung zum Racheverbot gegen "Söhne" des eigenen Volkes (3. Mose 19: 18). - Mit den zehn Geboten hat nichts davon viel zu tun.
Liebe Grüße, Andreas
wortverdreher (36)
(22.06.06)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram