andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Donnerstag, 29. Juni 2006, 02:42
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vom streiten

Es ist nicht schön daneben zu stehen, wenn sich Freunde zerstreiten. Ein wenig ist es wie für ein Kind, dessen Eltern sich anbrüllen und/oder lautstark Vorwürfe machen. Lähmende Hilflosigkeit macht sich breit und es folgt ein Hin und Her in der Parteinahme. Mal scheint die eine Seite ungerecht behandelt zu werden, mal die Andere.
Als Kind findet sich keine befriedigende Umgehensweise damit. Was soll ein Kind auch machen? So versteckt es sich verschreckt und wartet ab, bis sich der Sturm gelegt hat. Oder es heult los und hofft insgeheim, dass die Eltern sich versöhnen – und sei es nur, um das Kind zu beruhigen.
Dummerweise funktioniert das scheinbar in den meisten Fällen, was erklärt, warum im Erwachsenenalter genauso reagiert wird: sich verstecken, den Kopf einziehen, selber verzweifelt sein, die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, abwarten, bloß nichts sagen ...
Neigen wir nicht alle dazu, dass wir die Partei für denjenigen ergreifen, den wir besser kennen oder mehr mögen? Bei mir funktioniert das automatisch und es muss schon gravierend sein, damit ich die Position wechsle. Übrigens etwas, das sehr unleidlich aufgenommen wird und Bekanntschaften sehr schnell beenden kann. Aber ich kenne es auch umgekehrt: „Du hättest mich zurück halten müssen. Das tun Freunde,“ kann auch der letzte vernünftige Satz zwischen zwei Menschen sein.
Aber bei zwei Menschen, die sich in den Haaren liegen und die ich ähnlich schätze (und/oder mag)? Meist lässt sich schon bald nicht mehr sagen, welche “Partei“ ungerechter oder “schuldiger“ ist. In der Regel sind sogar beide Seiten nachvollziehbar und als Außenstehender möchte ich brüllen: „Seht die Sache doch mal aus der anderen Perspektive!“
Leider funktioniert Brüllen gar nicht.
Aber das Parteiergreifen kostet wenigstens einen Kontakt und das Raushalten kann sehr abkühlend wirken.
Vor einigen Jahren versuchte ich es darum bei einem befreundeten Paar auf die leise Art, ohne mich raus zu halten und ohne mich auf eine Seite zu stellen. Ich hörte zu, erklärte den Beiden jeweils die Position des Anderen, vermittelte, machte und tat. Hat auch geklappt, fast könnte ich stolz darauf sein. Sie sind wieder zusammengekommen, toll. Sie sind zusammen geblieben, auch toll. Sie haben mich danach gemeinsam links liegen gelassen. Ganz toll.
Gibt es eine Pointe? – Ich fürchte: nein. Höchstens die Binsenweisheit, dass es niemals nur zwei Seiten gibt, bietet sich an. Oder der Spruch, dass zwischen den Stühlen oft mehr Platz ist als auf den Stühlen. Aber egal, ich bevorzuge eh Sofas.

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag

Sektfrühstück (41)
(29.06.06)
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