andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Donnerstag, 21. September 2006, 03:28
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das Fundstück

Mit der Ordnung ist das ja so eine Sache …
„Entweder man hat sie oder man hat sie nicht“, sagte mein Vater früher gerne und meine Mutter ergänzte dann in meine Richtung: „Du könntest ruhig mal ordentlicher werden.“
Leider konnte ich schon als Kind nichts damit anfangen, denn was meine Eltern da so einmütig predigten, war nie ein einmütiges Vorbild. Für meinen Vater muss alles seinen Platz haben, praktisch zu erreichen und gut zu finden sein. Ob da jetzt ein nussbraunes Schränkchen mit Bauernmalerei - neben einem quietschgelben Kleinteilkasten aus Plastik - in einem weißen Küchenschrank (gelsenkirchener Barock) hängt, ist ihm völlig schnurz. Für meine Mutter muss es unbedingt sauber und ordentlich aussehen; keine Kratzer, kein Staub und möglichst neuwertig. Wie es in den Schränken oder in den Abstellecken zugeht, ist ihr egal.
So ergänzen sich meine Eltern zwar vorzüglich, mein Vater kümmert sich um das Innere, meine Mutter um das Äußere, aber es ist schier unmöglich es beiden recht zu machen. Zudem habe ich wohl auch noch einen anderen Sinn für Ordnung abbekommen: ich will wissen, wo die Plörren sind.
Manche Leute nennen meine Ordnung “Durcheinander“ oder “Chaos“. Meist sind es die gleichen, die selber eine sehr ordentliche Wohnung haben und bei denen ein Suchvorgang schon mal über den halben Abend gehen kann. “Gut weg gepackt“ bedeutet hier: für immer verschwunden.
Doch selbst meine Lebenszeitmitbewohnerin (die Bewährung ist um und die Widerspruchfrist haben wir verstreichen lassen) mäkelt manchmal, räumt dann auf und schon …
Wie heißt der Zustand, wenn nichts mehr zu finden ist?
Ach ja: Ordnung.

Bei mir ist das natürlich völlig anders. Vor einigen Tagen wurde das wieder bestätigt, als ich mein Bücherregal leer geräumt habe, weil wir ein neues Regal an seiner Stelle aufbauen wollten. Als drittletztes Buch (linke Seite, zweites Fach von unten, hintere Reihe – so eine Art Friedhof für Bücher) fischte ich ein altes Geburtstagsgeschenk meiner Eltern aus dem Regal, das ich schon fast vergessen hatte. Erfreut zeigte ich es Brigitte, doch sie lachte einfach los, was wohl daran lag, dass ich neben dem Gästebett stand, das mit Stapeln von Büchern bedeckt war. Oder es lag an den neuen Regalbrettern, die kreuz und quer im Raum verstreut standen und lagen. Oder an dem anderen noch nicht aufgebauten Regal, das in der Zimmerecke herumdümpelte. An dem Titel des Buches kann es jedenfalls nicht gelegen haben. Er lautet: “Ordnung zu Hause.“



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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 BrigitteG (21.09.06)
Gut, dass unsere Wände relativ dick sind - ich habe dermaßen losgebrüllt vor Lachen, als Andreas dieses Buch in diesem chaotischen Zimmer in der hintersten Ecke gefunden hat... Einen Tag später habe ich ihn gefragt, wo das Buch jetzt eigentlich ist. Er hat mit dem Schultern gezuckt, und auf den Riesenberg Bücher gewiesen, der ausgeräumt auf der Gästecouch liegt. *g*

 ViolaKunterbunt (21.09.06)
Sehr schön, diese Situation. Sehr passend. Aber so ist es halt mit der Ordnung und den individuellen Toleranzschwellen. Ich kann mir Euch beide gut vorstellen in der Szene. - Schöne Kolumne! Ein scheinbar banales Thema witzig verpackt. Liebe Grüße, Viola
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