andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Mittwoch, 18. Oktober 2006, 18:42
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Hündisch

„Hunde, die bellen, beißen nicht“ – kommt mir nach einer Textlektüre bei kV in den Sinn. Und wie das mit Sprichwörtern manchmal so ist: es geht mir nicht mehr aus dem Kopf.
„Beißen denn die Hunde, die nicht bellen?“ frage ich mich sofort. „Sind also stille Hunde gefährlicher als Kläffer?“
Mein Blick wandert zu Paul, der wieder einmal als einzige Lautäußerung ein gottergeben klingendes Schnaufen von sich gibt, eine Art Seufzen über die Ungerechtigkeit der Welt. „Keiner spielt mit mir,“ scheint er ausdrücken zu wollen, „bestimmt schon eine Stunde lang kümmert sich der Alte nicht um mich. Und ’nen zweiten Becher Trockenfutter verweigert er mir auch …“
„Paul? – Komm mal her,“ fordere ich und er kommt angedackelt – oder besser: angeboxert. Aber wie klingt das? So als würde er drohend wie der Türsteher einer Disko auf mich zu kommen! – Stattdessen ist es nur ein schlurfiges Antraben, interessiert, aber nicht voller Elan.
„Sag mal ’was, Paul,“ sage ich. „Schweigsame Hunde beißen nämlich.“
Braune Augen schauen mich voller Fragezeichen an. Nein, nicht voller Fragezeichen, denn Hunde nehmen die meisten Informationen nicht über die Augen auf, sondern über den Geruch. Ihre Kommunikation wird also nicht über Schrift-, sondern über Duftzeichen erfolgen. Oder? – Müsste ich dann nicht von Frageduftmarken sprechen, die in seiner Nase zu erriechen sind?
„Nun gib schon Laut,“ fordere ich erneut. Paul legt den Kopf schief und scheint zu denken: „Keine Ahnung, was der will. Ich mach’ mal einen auf niedlich …“
„Nun mach’ schon,“ versuche ich es noch einmal. Paul springt auf, lässt seine lange Zunge heraus hängen und dreht sich um sich selbst. Gut, das macht Geräusche auf unserem Holzboden, aber so hatte ich mir das nicht vorgestellt.
„Du tust doch keinem Menschen etwas. Warum bellst Du dann nicht?“ – Jetzt legt sich Paul auf die Seite und rudert niedlich mit den Vorderbeinen.
„Meinst Du, dass es ausreicht, wenn Du nur auf die Türklingel reagierst und vielleicht noch den Nachbarshund hinter dem Zaun anbellst?“ Ich hebe meine Stimme nicht, sondern spreche ganz normal weiter. Paul sackt in sich zusammen und hört mir jetzt mit geschlossenen Augen zu.
„Pfff …“ macht es wenig später. Eine Lautäußerung, die mit einer Duftantwort einhergeht. Leider verstehe ich die komplexe Geruchssprache meines Hundes nicht und kann nur die Nase rümpfen.
Ich stupse ihn an. „Schlafende Hunde sollst Du nicht wecken,“ geht mir kurz durch den Sinn, doch damit sind nicht MEINE Hunde gemeint, bestimmt nicht. Da könnte ich ja gleich behaupten, dass Hunde beim Fressen nicht gestört werden dürfen oder wenn sie den Briefträger beißen.
Wieder schnauft Paul. Wieder dieser Eindruck von: „ach, dieses Leben ist unsäglich schwer“.
Mir schießt durch den Sinn, dass er schon als Welpe eine gewisse Lautstärke nur durch seine Baseligkeit schaffte, wenn er wieder irgend etwas umwarf. Brigitte meinte damals, dass dieser Hund wohl stumm wäre. – Na, ja. Irgendwann hat er dann zum ersten Mal krächzend ge …. – Nein, Gebell war das nicht. Außerdem erschrak er selber darüber.
„Viele Hunde sind des Hasen Tod,“ – Paul reicht aus, wenn der Hase eine Hundespeichelallergie hat. Und „… zur Jagd tragen“ nutzt nichts, denn dadurch versteht er immer noch nicht. Während ich durch den Garten hetze und versuche einen Papagei anzulocken, damit ich ihn vor dem Winter retten kann, sitzt Paul hinter der Glastür und zeigt deutlich seine Spielbereitschaft. Als Jagdhund untauglich, würde ich sagen.
„Den Letzten beißen die Hunde“ – er wird wohl eher abgeschlabbert. „Etwas vor die Hunde werfen“ – kein Problem, wenn Du ein Stöckchen zum spielen dabei hast …
Der Papagei ist auch sehr ruhig, frisst einige Rosinen und Nüsse, als ich wieder in der Wohnung bin, aus dem Fenster schaue und mir vom Hund die Hand ablecken lasse. Aber dann krächzt er seltsam und fliegt einem anderen Vogel hinterher, von dem ich nur den kurzen Blick auf gelbgrünes Gefieder erhasche. Mist, war es ein Halsbandsittich? – Ich kenne mich da nicht so aus. – Dann gehört er zu den Arten, die den Winter ohne Hilfe überleben können. (Halsbandsittiche leben zum Beispiel im Kölner Stadtgebiet) Hoffentlich geht er nicht „vor die Hunde“.
„Hunde, die bellen, beißen nicht“ soll heißen, dass Menschen, die sich lautstark aufregen und drohen, in Wirklichkeit ungefährlich sind. Für Papageien gilt der nicht, aber der Spruch passt auch nicht erst seit Hitler schlecht auf Menschen und umdrehen lässt er sich auch nicht.
„Pfff …“ es stinkt wieder eine Botschaft durch den Raum. Blöde Sprichwörter! - Das ist ja zum junge Hunde kriegen!




wau-wau

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag

Sektfrühstück (41)
(19.10.06)
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