andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Donnerstag, 07. Dezember 2006, 05:01
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Holy Billy

Es gibt bei uns einige Begriffe, die besonders gerne verwendet werden. Es sind recht schwammige Begriffe, voller Pathos und mit starker Wirkung. Begriffe mit so viel Schwung, dass allein schon ihre Nennung mitreißen kann – oder, was momentan Mode ist, die andere Seite zum Schweigen bringt. Dabei werden diese Begriffe oft von denen missbraucht, die sich im Grunde nicht darum scheren. Oder besser: sich nur darum scheren, wenn sie selber (angeblich) zum Opfer eines Verstoßes werden, nicht aber, wenn sie “Täter“ sind.
Nein, ich meine nicht “Liebe“, “Ehre“, “Stolz“, “Wirtschaftlichkeit“, “Ehrlichkeit“ oder “Kunst“ (bzw. Kultur). Ich meine noch weitaus hehrere Begriffe. Wörter mit Klang (so weit in den Wolken, dass zwar die Harfen zu hören sind, nicht aber die Engel zu sehen) und mit einer Begrifflichkeit, die für eine Definition mehrbändige Buchreihen bräuchte.
Gerechtigkeit, Toleranz, Freiheit, Würde … was für eine wunderbare Ansammlung von positiven Begriffen.
Und hier fällt besonders die Toleranz auf. Sie scheint einfach gestrickt zu sein, leicht zu erklären, leicht zu verstehen. Sie zu fordern oder ihr Fehlen zu beklagen … ja, das ist sehr einfach.
So dachten wohl auch Alfredo Mantovano und Gaetano Quagliariello, zwei italienische Senatoren, zwei katholische Senatoren, soweit das in Italien überhaupt gesagt werden muss. Vielleicht erinnerten sie sich an die Vorwürfe gegen den Papst, dass er den Islam beleidigt habe. Vielleicht sahen sie noch die Proteststürme in der Türkei und die internationale Wirkung. Vielleicht dachten sie auch nur an die Reaktionen aus dem Vatikan, die für viele gläubige Katholiken wie ein Zukreuzekriechen wirken.
Nun … wenn ein Land, in dem die Glaubensfreiheit massiv gegängelt wird, mit solchen Vorwürfen Erfolg hat und sich der zu Unrecht Beschuldigte auch noch entschuldigt … Wieso sollte so ein Verfahren nicht auch anders herum funktionieren?
Natürlich legen sich zwei kleine Politiker nicht mit dem Islam an. Das ist einige Nummern zu groß und unabsehbar. Aber warum soll man nicht auf ein Ziel schießen, das in diesem Jahr schon einmal getroffen wurde und sich nicht angemessen zur Wehr setzen konnte? Ein Ziel zudem, das vor einiger Zeit die Vorherrschaft des katholischen Glaubens beenden half. Nun gut, es ist schon etwas länger her, recht lange sogar, aber es ging blutig zu und die katholische Liga verlor mehr als nur Land: Sie verlor das Monopol für alle Christen im westlichen Europa sprechen zu dürfen. Ja, sie verlor auch das nördliche Amerika, das ansonsten sicherlich nicht von flüchtenden Sektierern besiedelt worden wäre.
Alfredo Mantovano und Gaetano Quagliariello konnten endlich einmal zurückschlagen. Schluss mit den Vorwürfen wegen fehlender Toleranz in der katholischen Kirche. Her mit den “antikatholischen Vorurteilen“, die so frisch entdeckt worden sind. Da sind sie, die Protestanten, die immer auf die Katholiken herumtreten (besonders in Italien sehr verbreitet – hehe). Sie achten die katholischen Traditionen nicht, weigern sich Rücksicht zu nehmen, fördern fremde Kulte durch den Verkauf von Zen-Gärtchen und afrikanischen Masken. Ihnen fehlt also eindeutig die Toleranz.
Eine Klage hat wenig Aussicht auf Erfolg, denn es geht um ein Wirtschaftsunternehmen, nicht um eine Einzelperson. Aber zum Boykott kann aufgerufen werden. Das italienische Volk, das katholisch-italienische Volk, kann seine Empörung über den Frevel Luft machen. – Und ganz ehrlich: sollte die Firma einlenken, dann ist das ein Sieg, der viel köstlicher schmeckt als jeder Richterspruch.
Also: Ihr untoleranten Protestanten, Ihr Beleidiger des katholischen Glaubens, Ihr vorurteilverseuchten Schweden. Wo bleiben die Krippen zur Weihnachtszeit? (mit Elch, Rentier und den Hirten mit traditionellen Wollmützen)
Ich finde, dass die Toleranz gebietet, dass Krippen verkauft werden müssen, sobald andere religiöse Symbole angeboten werden. Und Rosenkränze natürlich, Marienstatuen, Kruzifixe. Alle Artikel, die der katholische Haushalt so braucht. Dazu natürlich siebenarmige Leuchter, Buddha-Figuren, eine Auswahl von Hindugottheiten, chinesische Opferaltäre, Kopftücher und Bücher.
Bücher sind wichtig. Katholische Bibeln, evangelische Bibeln, freikirchliche Bibelfassungen, die Thora, den Koran, einige Lehren des Konfuzius, buddhistische Weisheiten, eine Auswahl von Rudolf Steiners Werken, ein Bisschen Erich von Däniken …
Die sollen sich bei IKEA nicht so anstellen. Wozu haben sie denn die schönen Bücherregale?


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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag

Ropa (33)
(08.12.06)
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