andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Donnerstag, 08. März 2007, 06:25
(bisher 1.644x aufgerufen)

Alte kaufen

Vor dem Alter haben wir Respekt, - zumindest wird das immer behauptet. Viele Metaphern werden bemüht, um den Wert des Alters zu beschreiben, so etwa knorrige Eichen, alter Wein oder reifes Holz, manchmal auch Tiere, die sich durch das Erreichen eines hohen Alters auszeichnen und gleichzeitig “nett“ sind (niemand wird gerne mit einem Stör, einem Krokodil oder einem Wels verglichen, da sind Schildkröten sympathischer).
Die Faszination ist groß, scheint es. Ebenso unsere Bereitschaft das Alter zu erhalten. Bei alten Bäumen wird das besonders deutlich: So ab einem Alter von 500 Jahren werden sie gepflegt und umsorgt, ihr Alter gerne nach oben erflunkert (die 1000-jährige Linde) und sie stehen als Naturdenkmal sogar unter Schutz.
Den “alten“ Tieren geht das nicht anders. Fast alle zoologischen Gärten haben einen Methusalem im Angebot. Sie werben mit einem grauen Gorilla, einem humpelndem Esel oder einem besonders faltigen Nashorn; - natürlich werben sie nicht sehr laut, denn viel zu schnell kann es ausgehumpelt sein. Manch ein Park wirbt auch mit alten Bäumen, doch müssen es sehenswerte Einzelexemplare sein. Kein Mensch interessiert sich für einen 500 Jahre alten Weißdornbaum, der nicht einmal fünf Meter groß ist.

Vielleicht liegt das an unserem eigenen Alter. Immer mehr Mittel und Wege werden gesucht, um noch älter zu werden. Da mag ein anderes altes (und prächtiges) Wesen wie ein Hoffnungsschimmer sein: „siehst’e, was der kann, kann ich auch“.
Dabei vergessen wir allerdings gerne, dass wir nicht jedes Wesen gleich hoch bewerten. Auch ist es nicht eine alte Tradition der Menschen, dass sie Altes schätzen; - obwohl uns das ja immer wieder eingeredet wird. Nehmen wir etwa die Großfamilie, in der die Großeltern so sehr geachtet wurden …
Früher war es üblich, dass sie auf einem Altenteil lebten (soweit sich eine Familie das leisten konnte). Das hört sich toll und sehr sozial an, war aber im günstigsten Fall eine kleine Hütte mit etwas Land, das die alten Menschen selber bewirtschaften mussten … äh … durften. Wurden sie bettlägerig, kümmerte man sich um sie; sprich: sie bekamen Essen gebracht und wurden gepflegt, soweit Zeit und Mittel dafür über waren. In städtischen Gebieten gab es Spitäler, in denen alte Menschen untergebracht werden konnten, selbstverständlich nur, wenn genug Geld dafür da war. Der Rest fiel durchs Raster. – Halt wie in modernen Zeiten.
Zumindest wurden die sehr Alten geachtet, solange sie rüstig waren. Mensch, Tier und Baum. Nicht wahr? – Nein. Nur die Besonderen, die Außergewöhnlichen, die Produktiven oder die Geliebten. Niemand wollte (oder will) die Weisheiten eines neunzigjährigen Straßenkehrers hören, selbst die rüstigste Kuh wird geschlachtet, wenn sie keine Milch mehr gibt und Obstbäume, die keine Früchte mehr tragen … wenigstens brennt altes Holz gut. *räusper*
Die Mär vom früher-war-alles-besser wird trotzdem von den Dächern geträllert. Frauen zurück an den Herd, Kinder gediehen immer schon bei Hausfrauen (als Mütter) am besten, alte Menschen gehören einfach in die Familie, alte Tiere steht traditionell ein Gnadenbrot zu, alte Bäume wurden in allen Zeiten geachtet … Alles Quark. Früher hatte die Wirtschaftsgemeinschaft “Familie“ gar nicht die Möglichkeiten dazu. Jeder musste mit an packen, der Rest lief nebenher mit (Kinder und Gebrechliche etwa). Unser Bild von “früher“ ist ein sehr modernes Bild.
Vielleicht wurde von so manchem Bauern eine alte Kuh durchgefüttert, obwohl sie keine Milch mehr gab; häufig wohl die nahe stehenden Haustiere wie Hund und Katze. Auch alte Bäume wurden stehen gelassen (wenn sie nicht im Weg waren) und alte Menschen wurden versorgt. Aber immer stand der wirtschaftliche Aspekt im Vordergrund. Wenn es nicht mehr ging: Tschüss.

Altenheime sind moderne Erfindungen. Genauso die Gnadenhöfe, die fast jedes (Haus-) Tier aufnehmen. Gnadengärten stehen noch aus. Obwohl …
In Spanien setzt sich gerade eine neue Idee durch. Es geht um Olivenbäume, die zu alt (und/oder hoch) sind, um noch viel Ertrag zu bringen. Neuerdings werden sie nicht mehr abgeholzt, sondern ausgegraben, auf Tieflader gesetzt und in eine Baumschule gebracht. Dort kann sie dann ein Gartenbesitzer kaufen, um sie im eigenen Garten anzupflanzen. (Die Erfolgsquote ist groß, denn Olivenbäume sind ausnehmend robust … äh … rüstig).
So gibt es in St. Tropez einen Händler, der inzwischen schon 4000 Olivenbäume anbietet. Die jüngsten sind 80 bis 100 Jahre alt und kosten nur ein paar Hundert Euro, die teuersten liegen bei etwa 40000 €, sind dann aber auch über Tausend Jahre alt.
Der Besitzer meint zu seinen Kunden nur lapidar, dass sie nicht zu den reichen Leuten gehören: „Nein, reich sind sie nicht unbedingt, aber sie haben halt Geschmack.“

Ob diese Einstellung zu Tieren und Menschen noch wächst?


(Quelle: http://www3.ndr.de)
.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 BrigitteG (08.03.07)
Och - wieso sagt denn keiner was, Herzchen? Ich habe sie gerade zum ersten Mal gelesen (ich für meinen Teil pflege nachts zu schlafen, im Gegensatz zu gewissen anderen Personen...), und sie gefällt mir gut. Die Schlussgeschichte kannte ich ja, aber Du hast schön dahin geleitet, finde ich. Und ich schreibe nicht dauernd lobende Kommentare unter Deine Kolumnen *g*...
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram