andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Donnerstag, 28. Juni 2007, 04:20
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gendernder Pumuckl

Schon des Öfteren kamen in den letzten Jahren Proteste gegen die Benutzung von Fremdwörtern hoch. Mal ging es um Anglizismen, mal um lateinische oder griechische Fachbegriffe und mal um den Trend zum englisch/deutschen Kunstwort (wie: Handy). Die Proteste fruchteten nicht - und vielleicht ist das mit ihnen verbundene Desinteresse an der “wahren“ Bedeutung sogar Schuld daran, dass so manches falsch benutzte Wort in unseren Sprachgebrauch rutschte.
Stellen wir das doch mal zur Disposition … upps … schon passiert. Obwohl … es interessiert niemanden. In zwanzig Jahren steht eh im Lexikon:
Disposition (lat) w. 1. Ordnung, Gliederung, Einteilung; 2. Empfänglichkeit (für eine Krankheit); 3. Gespräch, Diskussion; zur Disposition stellen 1. in den einstweiligen Ruhestand versetzen; 2. zur Diskussion stellen …
Solch eine Mehrfachbedeutung hat ja auch ihre lustigen Seiten, nicht?

Das Problem mit Fremdwörtern ist, dass sie von der Mehrzahl der Menschen “aus dem Bauch heraus“ benutzt und verstanden werden. Genau erklären kann sie kaum jemand: „Es heißt … ähm … ach Du weißt schon …“

Ein ausgezeichnetes Beispiel hierfür ist “Gender“. – Keine Ahnung was das ist? – Irgend etwas mit … ähm … Frauen, nicht? – So … Emanzipation, Gleichberechtigung, Feminismus, Gleichstellung oder so.
Gender-Frage, Gender-Mainstream, Gender-Forschung … ja, ja … alles schon mal gehört. Da stecken bestimmt die Emanzen hinter, diese Männerhasser, die nur zu hässlich sind, um einen Mann ab zu bekommen. – Ach ja, wie schnell doch die Assoziationen sprudeln.
Mit etwas Glück kommt noch der Begriff “Geschlecht“ ins Spiel, aber dann hört es fast immer auf. Was sollen sich die Leute auch unter einem sozialen Geschlecht im Gegensatz zum biologischen Geschlecht vorstellen?
Gesellschaftlich, sozial und kulturell geprägte Geschlechtsrollen? – Oh Schreck.
Von Frauen und Männern? – Ach herrje!
Ein Geschlecht, dass erlernt ist und damit auch veränderbar? – Wie bitte?
(Quelle: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend  hier klicken )

Es geht natürlich um die Bilder in unseren Köpfen, um die Assoziationen, die nicht geschlechtsneutral abgerufen werden. Verkehrsschilder, zum Beispiel (nein, nicht das Vorfahrtachten-Schild). Etwa die Hinweisschilder für Bauarbeiten oder Fußgängerwege, bei denen sich an manchen Orten so manches gewandelt hat. Nicht immer glücklich gewählt, zugegeben … Ein Mann mit Hut und mit einem kleinen Mädchen an der Hand, eine Frau mit Pferdeschwanz, Rock und Gummistiefel, die ihre Schaufel in einen Sandhaufen sticht … nun, da mag leicht ein falsches Bild entstehen oder der Arbeitsschutz mit dem Kopf schütteln.
Zeitgemäß ist das sicher nicht. Auch nicht besonders sprechend – oder besser: es spricht in den falschen Bildern. Person mit Hut? – Höchstens noch ein Senior aus dem Altenheim!
Person mit Pferdeschwanz, Rock und Gummistiefeln? – Also bitte, da ist ja ein traditionsbewusster Schotte wahrscheinlicher als eine Frau.

So mag einiges grotesk anmuten. Und doch … es ist etwas dran.
Man schaue sich nur den Streit um die Freundin vom Pumuckl an. Da behauptet die Erfinderin Ellis Kaut steif und fest, dass “ihr“ Kobold ungeschlechtlich sei. Als Geistwesen hätte er keine Sexualität und kein Geschlecht. (Bayern 3, 11.4.2007, Telefoninterview mit Dominik Pöll)
Im Gegenzug sei die Frage erlaubt: wie wird DER Kobold denn von der Mehrheit gesehen? – Ein kleines rothaariges Etwas mit Latzhose und rotzfrechem Benehmen … für mich war das immer ein kleiner Junge, der sich (noch?) nicht für Mädchen interessierte.
Gut, ich hätte auch einen schwulen Jungen sehen können, der sich in einen seriösen älteren Herrn verkuckt hat – oder ein lesbisches Mädchen, das sich - vom Leben frustriert - einem außerhalb jeder sexuellen Aktivität stehenden alten Mann angeschlossen hat. Oder ein Mädchen, das sich … egal. – Klar … auch das hätte ich mit Pumuckl verbinden können, habe ich aber nie.
Haben Frauen etwas anderes gesehen? – Eine Zwerg-Pippi-Langstrumpf vielleicht? Wohl kaum.

Können wir überhaupt über die beiden Geschlechter hinaus sehen? – Ordnen wir nicht vielmehr sogar Gegenständen ein Männlich oder Weiblich zu?
Schauen wir uns weiter in der Kinderwelt um: Donald Duck, klar. Er trägt zwar keine Hose, aber dennoch ist das Geschlecht … ähm … nein, nicht zu sehen, aber bekannt. – Tom und Jerry? Beide männlich, nicht? – Asterix und Konsorten? Klar zugeordnet; selbst Idefix “wirkt“ männlich. – Die aktuellen Comic-Figuren? Auch sehr eindeutig. Sogar besonders eindeutig!
Und die Schlümpfe? – Na? – Wer würde behaupten: die sind geschlechtsneutral?
(Aber mal als Frage am Rande: wer weiß, wie sich die Schlümpfe vermehren? Hundert Schlümpfe und eine Schlumpfine werden doch wohl nicht … ihr wisst schon …)

Vielleicht sind Fremdwörter manchmal doch wichtig. Sie beschreiben komplizierte Zusammenhänge in einem Wort und werfen auch gleich die Fragen dahinter auf. Zumindest im Idealfall. - Jetzt hoffe ich nur, dass die Leser dieser Kolumne nicht “Gender“ mit Pumuckl verbinden – oder gar: mit der Vermehrungsfrage bei Schlümpfen …

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 AlmaMarieSchneider (28.06.07)
Da gab es doch in Polen die Diskussion um den Tele-Tappi der schwul sein soll. Eindeutig ist er ein ER, trägt aber ständig Handtäschchen.
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