andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Mittwoch, 14. November 2007, 16:04
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gefangen

Als ich heute endlich die Maus in der Falle fand (eine Lebendfalle, selbstverständlich) kam mir eine Metapher in den Sinn. Dieses flinke Biest hatte sich tagelang vor der Falle gedrückt, war auf ihr herumgeklettert, hatte aus dem Hundenapf getrunken und Hamsterfutter gefressen, aber letztlich war das Anködern doch erfolgreich. Ein Leckerbissen direkt vor der Falle, einer noch vor dem Auslösemechanismus und einer ganz hinten … und zugeschnappt.
Menschen werden oft mit Tieren verglichen, damit gewisse Charaktereigenschaften oder Situationen ohne lange Erklärungen beschrieben sind. Das passiert nicht nur im Streit oder Ärger („Petra ist eine Zicke“), sondern auch bei neutralen Beschreibungen („Rüdiger ist ein einsamer Wolf“) und Liebkosungen („meine süße Maus“), da solche Vergleiche sprechender erscheinen als Tausend Worte. Es liegt vielleicht in der menschlichen Natur in Bildern zu denken. „Wie eine Maus in der Falle“ ist ja auch sehr sprechend.
So ist es auch gar nicht seltsam, dass keine zoologischen Kenntnisse erforderlich sind. Wir lernen diese Bilder unser ganzes Leben lang und benötigen nicht einmal Fabeln oder Geschichten dazu. Unser Schubladendenken reicht völlig aus, um “Hundeaugen“ (siehe: Dackelblick) nicht mit “Rehaugen“ zu verwechseln. Dabei müssen wir gar nicht wissen, wie Rehaugen wirklich aussehen. Auch ein Verhaltensforscher, der das Sozialverhalten von Schweinen erforscht, versteht es sofort richtig, wenn ihm vorgeworfen wird, dass er sich wie ein Schwein benimmt. Er wird dann kaum an den hautpflegenden Effekt von Schlammbädern denken oder an den fürsorglichen Umgang der Tiere miteinander.

Trotzdem … mehr und mehr schleifen sich in diese Bilder Erklärungsnotstände. Längst heißt es “schlauer Fuchs“ und “dumme Gans“, weil der Vergleich selber nicht mehr eindeutig genug verstanden wird. Die Bilder verwischen und werden mehrdeutig. Manchmal verwandelt sich ein Bild und ändert seine Aussage, bei Mausefallen ist das zum Beispiel so (da war eine gefangene Maus eine tote Maus).
Zum Thema Mäusefangen könnte ich einige Anekdoten erzählen. Von Hausmäusen, die hervorragend mit leeren Pappkartons gefangen werden können, da sie immer nur an den Wänden entlang laufen und mit einem solchen Schwung gegen den Boden des Kartons krachen, dass er sich sogar aufrichten kann. Von Wühlmäusen, die sehr gut mit einem Nudelsieb gefangen werden können, da sie offenbar zu Tagträumen neigen und minutenlang mitten im Raum herumsitzen. Und von Gelbhalsmäusen, die so dreist sind, dass sie im Regal herumturnen und sich sehen lassen, obwohl man im Raum ist; die aber auch so flink und pfiffig sind, dass sie erst nach Tagen in eine Falle gehen. Es ist, als würden sie sich an die Falle gewöhnen müssen und sich neugierig herantasten.
Auch wieder Bilder, die für Umschreibungen von Menschen genutzt werden könnten … Allerdings stellt sich da die Frage: wofür steht die Falle? – Immerhin wollen nur die wenigsten Menschen die Mäuse behalten, die sie fangen. Und … na ja … die klassische Mausefalle ist die Schlagfalle, die den Tierchen das Genick bricht (ja, ja … auch das ist ein Bild).

Was also? – Ich habe die Maus tagelang angeködert und mit Leckereien gelockt, habe geduldig gewartet und darauf vertraut, dass die Falle irgendwann zuschnappt. Und dann habe ich die Gefangene am Komposthaufen frei gelassen und ihr hinterher geschaut, wie sie davon hüpfte. – Das ist nicht ganz das, was ich mit dem Bild “Falle“ verbinde. Oder kann ich daraus lernen, dass eine ausweglose Situation auch wieder endet, soweit sie einem nicht das Genick gebrochen hat?

Jetzt habe ich Nackenschmerzen …


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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 IngeWrobel (15.11.07)
"Von Menschen und Mäusen" fällt mir dazu ein.
Wiedermal gut beobachtet, studiert und rübergebracht.
Grüßle

 BrigitteG (15.11.07)
Hrrrmmpf. Verdammt noch mal, es waren doch zwei! Hoffentlich geht die zweite auch noch in die Falle - dann setzen wir sie zu der Anderen auf den Kompost. (Für zufällige Leser: nein, es ist nicht die Gleiche, die einfach in das Haus zurück gelaufen ist *g*)

 AlmaMarieSchneider (02.12.07)
Ein gelungener Artikel. Leider zeigt der Mensch auch ein Verhalten, das mit keinem Tier vergleichbar ist, ein unnötiges grausames Verhalten seinen Mitgeschöpfen gegenüber und seiner eigenen Rasse gegenüber.
Ich denke, das ist seine eigentliche Falle und seine Dramatik.
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