andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Donnerstag, 25. September 2008, 13:55
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Blau gemacht

Fast hätte ich heute die Kolumne blau gemacht. Oder gebläut, wie manch einer sagen würde. Oder habe ich mir einen blauen Montag genommen? Einen Montag, der selbstverständlich kein Montag, sondern ein Donnerstag wäre. Oder besser: ein Mittwoch, - denn die Kolumne muss ja vor der Veröffentlichung geschrieben werden … und da ich ja jetzt schreibe, war der Mittwoch wohl der blaue Tag. Nicht?

Das ist schon eine interessante Formulierung, die Sache mit dem Blau. Warum nur diese Farbe? Warum nicht Grün oder Gelb? Und: Welche RAL-Nummer hat das Blau, das da gemacht wird?

Es ist schon interessant, was da alles mit einer Farbe an Sprachkunststücken angestellt wird: “Einbläuen“, “Blau machen“, “Blau sein“, “ein blaues Wunder erleben“, “grün und blau schlagen“, “ins Blaue reden“, “ins Blaue reisen“, “ins Blaue schießen“, “Blaustrümpfe“, “Blaubart“ … Da bietet sich natürlich die Vermutung an, dass hinter dieser Farbverwendung nur eine einzige Erklärung liegt: Irgend eine witzige Geschichte, die all diese Begriffe erklären kann.
Diese Vermutung ist leider sehr blauäugig.

Schon beim “Grün und Blau schlagen“ gehen die Geister sehr auseinander. Mag auch sofort an Prellungen gedacht werden, an die “blauen Flecken“ und “Veilchen“, so scheint das sprachwissenschaftlich wesentlich schwieriger zu sein.
Da ist zu lesen, dass sich eine Verschiebung vom Braun zum Grün ergeben hat (“Braun und Blau schlagen“), die noch in der regionalen Benennung von Grünkohl (im Norden: Braunkohl) weiterlebt. Andere weichen in die recht weit verbreitete Farbenblindheit aus, wobei sie natürlich die Farbenfehlsichtigkeit meinen, was oft verwechselt wird. Gut 8 – 10 % der Männer haben eine Störung der Farbwahrnehmung, was in früheren Zeiten (Stichwort “Patriarchat“) gleichbedeutend mit 8 – 10 % der Bevölkerung war.
So ließe sich die Begrifflichkeit über die Prellungen erklären. Aber auch über die Blaufärberei der Waid- und Indigofärber, die wohl schon mitverantwortlich für “das blaue Wunder“ sein könnten, da sich die gefärbten Stoffe durch einen gruseligen Braunton auszeichnen, wenn sie aus den Färberbottichen gezogen werden. Das Blau entsteht erst beim Trocknen der Stoffe in der Sonne (ein Oxydationsprozess), ein geradezu magischer Vorgang.

Es ist ein komplexes Gebiet, auf das ich mich da begeben habe. Für jeden der Blau-Begriffe gibt es mehrere unterschiedliche Erklärungsansätze: mal die religiösen Riten betreffend, mal die spirituelle Welt, mal die Handwerksgeschichte, mal die gesellschaftlichen Klassen (bzw. Klassenkämpfe  Gesellenrechte ), mal eine kleine Anekdote (etwa bei den Blaustrümpfen  Wikipedia ) … und immer: die sprachwissenschaftliche Seite.

Kommt “Blau machen“ aus dem jiddischen “lau“? Oder aus anderen Sprachwurzeln? Oder aus dem Färbevorgang, der ohne das Zutun der Färber auskommt, was somit ein Sprachwitz wäre ( [exturl=]Färben[/exturl]? Oder aus der historischen Verbindung des Blauen mit dem Begriff Freiheit? Oder aus der Handwerkertradition einen “Bummeltag“ einzulegen und blaue Kleidung zu tragen? Oder aus der technischen Notwendigkeit der Färber mit Urin und Alkohol zu arbeiten - und letzteres gerne über das Magen-Nieren-Leber-Blase-Verfahren in ersteres zu mischen? Oder aus der kirchlichen Tradition Feiertage mit ausgehängten blauen Tuchen zu kennzeichnen (Blau = nicht arbeiten!  Wiki )?

Mir wird das zu kompliziert. Ich habe also den Mittwoch blau gemacht und weiß nicht, was es ursprünglich bedeutet und über welche verschlungenen Wege es sich zur heutigen Form entwickelt hat. Das kann mir auch niemand einbläuen (Prügeln bis es blaue Flecken gibt? Häufiges Wiederholen der Färbevorgänge? Blaufärbung der Finger durch Tinte?).

Was habe ich also gemacht? Blau?
Ja. Und zwar: Dienstag und Mittwoch. Es war die Endarbeit eines längeren und aufwändigen Vorarbeit des Ausräumens und Wegschmeißens, hatte nichts mit spirituellen, kulturellen oder religiösen Aspekten zu tun und erst recht nicht mit Erholung. Es ließ mir vielmehr keine Zeit zum Schreiben und war ein Blaumachen im wörtlichen Sinn: blaue Farbe an Wände schmieren. Jetzt ist das Zimmer meines Patenkindes blau und einigermaßen ordentlich, was auch eine Art blaues Wunder ist …

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag

wupperzeit (58)
(25.09.08)
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