andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Donnerstag, 04. Dezember 2008, 02:29
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globaler Sprit

Globales Denken ist eine schwierige Sache. Oft fehlen schon die Zusammenhänge einfacher Wirkungsketten, so dass wir eine Entwicklung recht fassungslos beobachten. Wie soll dann erst das Zusammenspiel vieler Wirkungsketten verstanden werden? Besonders dann, wenn nicht alle Fakten bekannt sind – oder sein dürfen.

Am Beispiel Biosprit sehe ich immer wieder meine eigene Unfähigkeit. Gerade noch der Umstand, dass da eine Konkurrenz zwischen Lebensmittelproduktion und Biosprit-Produktion besteht, ist mir verständlich. Die Verknüpfungen mit den Betrachtungsperspektiven “Transportkosten“ und “Urwaldrodung“ fällt mir dann aber schon schwer. Irgendwie will mir nicht in den Kopf, warum es sich in den so genannten Schwellenländern lohnen kann Biosprit-Pflanzen anzubauen, wenn sich andererseits der Export von Lebensmitteln nicht lohnt. Lebensmittel sind doch eindeutig lukrativer … oder?
Doch gerade diese Verknüpfung scheint zur Zeit recht wichtig zu sein, wo sich Sigmar Gabriel mit seinem eigenen Gelehrtengremium uneins ist. Der Minister will die Biosprit-Produktion fördern und das Gremium sieht die globale Gefahr, dass dadurch Bauern in Schwellenländern den Anreiz bekommen Regenwald zu roden, um Lebensmittel für Deutschland zu produzieren.
Im ersten Moment klingt das logisch. In den Schwellenländern (früher hieß das Entwicklungsländer …) sind die Kosten niedrig, wodurch sie eh preiswerter produzieren können als die Industrieländer. Als Schranken des Handels gelten die Transport- und Organisationskosten, die Einfuhrhürden (etwa: Zölle) und die Subventionen der Eigenprodukte in den Industrieländern. Wird nun die Waagschale einseitig gekippt, so lohnt sich plötzlich ein Handel, der vorher unmöglich war.
Gut, soweit klar. Senke ich also den Preis der Transportkosten und erhöhe gleichzeitig den Verkaufspreis selbst produzierter Güter durch Verknappung (hier: Lebensmittel), so senkt sich die besagte Waagschale. Soweit ist es noch im Lot – oder erscheint zumindest so. Aber auf dem zweiten Blick verschwimmt die Logik dahinter, denn die Transportkosten sollen ja gar nicht gesenkt werden und es wird noch immer eine Lebensmittelüberproduktion in den Industrieländern geben. Subventioniert, versteht sich.

Okay, ich kenne nicht alle Faktoren, die mit in die Rechnung einbezogen gehören. Sicherlich gibt es da noch Lobbyisten, die ihr eigenes Süppchen (oder das ihres Auftraggebers) kochen. Sicherlich spielen politische und wirtschaftliche Details eine Rolle und die wachsende Weltbevölkerung darf in ihrer Dynamik nicht unterschätzt werden. Und sicherlich gibt es Zwischenhändler, die die Situation für sich zu nutzen verstehen werden.
Aber, ganz ehrlich: gäbe es eine wirklich freie Globalisierung, so würden sich die Faktoren doch eh ausgleichen. Jeder könnte überall kaufen, müsste den Einkaufspreis mit den Transport- und Einfuhrkosten verrechnen und bekäme dann ein klares Bild vom Ganzen. Irgendwie funktioniert das aber selbst dann nicht, wenn noch Unbekannte als Faktoren mit eingeplant werden. Das spricht dafür, dass nicht die Rechnung, sondern die Eingangsvoraussetzung falsch ist: es ist keine freie Globalisierung.
Was aber ist es dann?

Wie schon gesagt: Globales Denken ist eine schwierige Sache.



Andreas Gahmann

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag

wupperzeit (58)
(04.12.08)
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