andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Donnerstag, 11. Dezember 2008, 01:16
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menschlich

Wenn es um die Abgrenzung zu den Tieren geht, entwickeln Menschen sehr viel Erfindungsreichtum. Dutzende fundamentale Unterschiede sind im Umlauf, die ganz klar zeigen sollen, dass die Gesamtheit der Lebewesen in Pflanzenreich, Tierreich und Menschen aufzuteilen sind (ja, dabei werden Mikroorganismen und Pilze vergessen … praktisch immer).
Die wenigen Spötter, die sich gegen eine solche Einteilung zu Wort melden, merken recht ungehört an, dass da der Wunsch mächtiger ist als die Realität. Sie zerlegen immer wieder die Argumentationsketten, doch scheint das schlichtweg ignoriert zu werden.

Nachdem die körperlichen Unterschiede weitestgehend vom Tisch sind, da weder genetisch, noch physiologisch der überzeugende Baustein gefunden werden konnte, flüchten die meisten Menschen in die Religion oder Esoterik (die haben den Vorteil, dass sie keine Beweise vorweisen müssen).
Anspruchsvollere Gemüter versuchen sich hingegen mit der Psychologie, führen die Philosophie an oder innere Eigenschaften. So kommt es dann zu der Verwendung von Schlagwörtern, wie: Moral, Neid, Gewissen, Mitleid, Zukunftsplanung, Liebe, Träume, Bewusstsein, Selbstwahrnehmung, Nächstenliebe, Gerechtigkeit, Eifersucht, Formulierung von Menschenrechten, Nachdenken über den Tod oder: Kunst.
Leider machen solch schönen Gerüsten oft schon Bilder, Filme oder Berichte den Garaus, ohne dass sich dafür jemand extra Mühe machen müsste. Mal sind es Filme von Schimpansen, die sich selber im Spiegel erkennen, mal Berichte vom planerischen Vorgehen bei Erdmännchen, mal eigene Erfahrungen mit im Schlaf zuckenden und fiepsenden Haustieren, mal Elefanten im Zoo, die Bilder malen.
Am fatalsten sind aber zumeist die Menschen selber, die sich im großen Stil nicht an die Vorgaben halten.
- Gewissen? – In Zeiten einer Bankenkrise kein häufig gehörtes Kriterium.
- Moral? – Solange Einzelne immer wieder daran appellieren müssen, nicht sehr glaubhaft.
- Zukunftsplanung? – Man gehe in der Weihnachtszeit mal durch die Innenstädte und schaue sich die kurzfristigen Weihnachtseinkäufe an. Oder: ach je, wie überrascht die Bahn AG wieder einmal von den ersten Frösten war … war ja in unserer Klimazone nicht mit zu rechnen, nicht?
- Liebe? – Scheidungsquote 40 %, Verwahrlosung von Kindern, „Ulli ist jetzt das fünfte Mal verheiratet“ … schon Gänse sind da konsequenter.
- Bewusstsein? – Lieblingsbeschäftigung: Fernsehen. Ein Alltag voller Rituale, Nachlaufen von Vorbildern und Nachplappern vorgegebener Antworten. Bewusstsein sieht anders aus.
- Nächstenliebe? – Wie heißen denn Ihre Nachbarn?
- Gerechtigkeit? – Klar, da gibt es Beispiele in Massen.
- Nachdenken über den Tod? – In der heutigen Gesellschaft, die nicht erst ihre Sterbenden, sondern schon die Alten und Kranken abschiebt?
- Neid? – Nicht erst seit dem Bericht über Hunde (siehe:  Hunde können neidisch sein ) keine menscheneigene Verhaltensweise. Außerdem ist das nicht gerade ein positives Kriterium.
- Formulierung von Menschenrechten? – Wie viele gab es noch mal? Angeblich sollen über 40 % der Menschen nicht einmal ein Menschenrecht benennen können! – Ich halte diese Zahl für reichlich unterschätzt, bin aber mal gespannt, was der sechzigste Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte so bringen wird. Bisher zeigte sich ja nur, dass Ereignisse wie Olympiaden einen höheren Stellenwert haben und drei Viertel der Menschen Ausnahmen bei Menschenrechten befürworten.

Insgesamt bleibt mir darum selbst bei gutmütigem Umgang mit den Argumenten nur Fragen. Erfüllen eigentlich mehr als 5 % der Menschen die hochgestochenen Kriterien für diese Einteilung? Und: Können diese 5 % für alle Menschen gelten?

Und: Habe ich mich mit 5 % eigentlich sehr verschätzt?



A.G.

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag

wupperzeit (58)
(12.12.08)
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