andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Mittwoch, 29. April 2009, 21:50
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garantiert

Garantiert kennt jeder das seltsame Gefühl festzustellen, dass etwas, das man als eine klare Tatsache zu wissen gemeint hat, sich als Irrmeinung herausstellt. Ein schwieriger Satz? – Ja, aber auch ein schwieriges Thema.

Wir leben in einer Zeit, in der oft nicht mehr vom Recht einer freien Meinung gesprochen werden kann, sondern von einer Pflicht. Zumindest denken viele Menschen so und schustern sich dementsprechend – zu praktisch jedem Thema – etwas zusammen, das sie dann mit dem Brustton der Überzeugung zum besten geben.
Was dafür an Hintergrundinformationen zusammengetragen wird, kann nicht mehr als gesunde Halbbildung, Vorurteil oder Menschenverstand bezeichnet werden. Oft ist es nichts als das Ergebnis gezielter Fehlinformationen, unlogischer Schlüsse und des Gehörten, das an allen Ecken und Kanten zu vernehmen ist (geglaubt wird das, was entweder ständig gesagt oder besonders laut und vehement verkündet wird).
Beispiele dafür gibt es in Massen. Alle wissenschaftliche Bereiche könnten Lieder darüber singen (wenn sie musikalisch wären), die Religionen leben davon, die Esoterik nutzt es in großem Umfang und die Boulevard-Presse verdient damit ihr Geld. Im Grunde kann sogar von einem “gesellschaftlichen Allgemeinwissen“ gesprochen werden, denn meist reichen Schlagwörter (oder Schlagzeilen) aus, um diese Meinungen kollektiv abzurufen. Denn: diese gerühmte eigene Meinung ist meist so individuell wie ein Salzkorn in einem Salzstreuer.
Was eigentlich gar nicht so schlecht ist … so im Prinzip … denn es könnte von einem gemeinschaftlichen Gerechtigkeitsempfinden gesprochen werden, von einer gemeinsamen sozialen Einstellung oder gar von einer gesellschaftlichen Bildung. Eigentlich.
Leider ist es aber oft so, dass dieses “Wissen“ komplett falsch ist, nichts mit Bildung zu tun hat, die soziale Tiefe eines Eierbechers besitzt und ein selbstzentriertes Rechtsverständnis offenbart. Das mag bei Religion, Esoterik und Boulevard-Presse noch in Ordnung sein, aber schon im medizinischen oder rechtlichen Bereich kann es fatal werden oder zumindest nachteilig.
Nehmen wir mal ein Beispiel aus dem alltäglichen Leben: die Garantie.

Nun? – Es ist doch gut eine Garantie zu erhalten, nicht wahr? – Jeder weiß das!
Wenn ich mir in einem Geschäft eine Gerät kaufe, so kann ich froh und dankbar darüber sein, dass die Hersteller eine Garantie anbieten. Geht das Gerät innerhalb der Garantiezeit kaputt, so kann ich es einschicken und “auf Garantie“ reparieren lassen. Vielleicht bekomme ich dann sogar ein neues Gerät zurück …
Oder ich bringe es zu dem Laden meines Vertrauens, in dem ich das Gerät gekauft habe. Dort sind die Leute dann so freundlich und schicken das Gerät für mich ein. Nur drei bis sechs Wochen später bekomme ich dann Bescheid und kann mir das Teil wieder abholen.
Gut … in dieser Zeit habe ich natürlich kein entsprechendes Gerät zu Hause, was bei einem Telefon oder Fön ziemlich lästig werden kann. Aber da muss man halt durch.
Immerhin habe ich auf so ein neues Gerät etwa ein Jahr lang Garantie (so im Schnitt. Die Garantie kann auch länger sein). Eine Herstellergarantie! Freiwillig! – Das ist doch toll.

Kaufe ich nun einen Fernseher und der geht nach drei Monaten kaputt, so schickt ihn der Laden für mich ein. Mit etwas Glück ist der Verkäufer sogar so freundlich und tauscht das Gerät um. Alles ganz freiwillig. Wenn das mal kein Service ist.
Was würden wir nur ohne die Garantie machen? – Nun … wir würden auf die Gewährleistung pochen müssen, die uns laut Gesetz zusteht (unabhängig von der freiwilligen Garantie). Aber zum Glück haben wir ja die Garantie, die so viel besser ist … Das wissen wir alle. Selbst die Verkäufer sind sich da einig.
Stellen wir uns vor: der Fernseher geht nach drei Monaten kaputt. Laut Garantie wird der nun eingeschickt und innerhalb einiger Wochen kostenlos repariert. Nach der Gewährleistung hätten wir hingegen nur das zweijährige Recht des Rücktritts (früher Wandlung). Sprich: wir könnten im Laden unseres Vertrauens darauf pochen, dass wir unser Geld zurück bekommen oder uns ein funktionierendes Fernsehgerät ausgehändigt wird, was dazu führen würde, dass wir am gleichen Abend unsere Lieblingsserie sehen könnten.

Noch nie von der Gewährleistung gehört? – Nun … das dürfte den meisten Verkäufern genauso gehen. Auch sie plappern nur nach, was ihnen “von oben“ erzählt wird. Wahlweise wird ihnen auch ein fachchinesisches Wirrwarr aus weiteren Regeln präsentiert, die “Latte der Ausnahmen“ aufgezählt oder darauf verwiesen, dass die Herstellergarantie viel besser sei. Da raucht der Kopf so stark, dass die Garantie garantiert als Rettung am Horizont winkt.
Natürlich gibt es Fälle, in denen die Garantie auch wirklich die bessere Lösung ist. Und natürlich stellt der “Rücktritt wegen Sachmangels“ eine Ausnahme dar. Aber das gilt auch für den Garantiefall! – Der häufigste Grund ist der Ausfall einer Funktion (und nicht ein versteckter kleiner Fehler, der erst nach einigen Monaten Benutzung auffällt). Und bei einem Komplettausfall kann der Käufer erst recht auf die Gewährleistung pochen: Bei den drei Monaten des Beispiels muss der Verkäufer nachweisen, dass der Schaden nicht schon beim Verkauf vorhanden war (das gilt bis sechs Monate nach Kauf; die restlichen eineinhalb Jahre muss der Käufer das nachweisen). Sprich: der Verkäufer muss nachbessern oder das Geld zurück geben. Die Wahl zwischen beiden Möglichkeiten hat der Kunde, nicht der Verkäufer. Im Normalfall müsste er also ein neues Gerät aus dem Regal nehmen.
(Das nennt sich sogar Nachbesserung, denn das Wort Gewährleistung gibt es in dem Sinne nicht mehr)

Wundert es einen, dass die Garantie so in Mode gekommen ist und alle Welt damit wirbt und darauf verweist? Sie ist für den Handel viel billiger und praktischer. Darum wird die Gewährleistung erfolgreich tot geschwiegen. Oft wissen nicht einmal die Verkäufer von ihr (zumindest die “einfachen“ Verkäufer) und denken selber, dass es ein Akt der Höflichkeit und Freundlichkeit wäre, dem Kunden die Garantie anzubieten. Dabei ist eigentlich die Annahme dieses Angebots der Akt der Höflich- und Freundlichkeit … vom Kunden!

Versucht jetzt jemand dieses Aussage über Gewährleistung und Garantie nachzuprüfen? – Viel Spaß im Dschungel der Formulierungen und Ausnahmeregelungen. Bitte die Machete nicht vergessen.
Als Test kann jeder ausprobieren, bei einem größeren Kauf nicht den Garantieschein auszufüllen. Durch den Garantieschein nimmt der Kunde das Angebot an, auf die Rechte gegenüber dem Händler zu verzichten (wie gesagt: in so manchem Fall ist das auch besser … immerhin kann das Geflecht der Rücktrittsregelung recht dicht sein, die spitzen Dornen der “Abnutzung“ können den Geldwert mindern, Verschleißteile pieksen vielleicht empfindlich und zwei Mal treffen die Peitschenschlingen des Nachbesserungsrechts). Kann sich jemand vorstellen, was es – etwa für Autohändler – für ein finanzielles Risiko wäre, wenn die Gewährleistung jedes Mal eingefordert würde?
Wohl gemerkt: es ist das Recht eines Kunden (also des normalen Kunden, um nicht in dieses Fachchinesisch der Sonderfälle zu verfallen) und das Recht gilt zwei Jahre. Das ist gesetzlich geregelt und nicht diskutierbar.

Aber das allgemeine Wissen lautet anders. Und wer jetzt versuchen möchte das Thema Gewährleistung auszuprobieren, der sollte sich besser gründlich in die Materie einlesen, sich auch noch über die AGB informieren (was darf ausgeschlossen werden, wann gelten die AGB nicht, wo müssen sie im Geschäft hängen …) und schon mal einen langen und gesprächsintensiven Nachmittag einplanen. Denn mit dem Unverständnis und der Dickköpfigkeit von Seiten des Fachpersonals mit gesellschaftlichem Allgemeinwissen ist zu rechnen.
Zumindest das ist garantiert.


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Andreas Gahmann

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag

wortverdreher (36)
(30.04.09)
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 AndreasG (02.05.09)
1. In 95 % der Garantiefälle ist das Gerät kaputt. All die schönen anderen Regeln gelten für beschädigte Ware, die jedoch funktioniert, für Ware, die deutlich anders ist als angepriesen (oder beschrieben) oder für andere "Mängel". Gerade diese Sonderfälle wollte ich nicht auch noch ausgraben. - Die Kolumne ist schon so viel zu lang geraten.

2. ist vielleicht an dieser Stelle missverständlich formuliert, zugegeben. Aber die Verkäufer sehen das wirklich so und vertreten diese Meinung vehement. Wer das nicht glaubt, hat nie versucht ein Gerät zu reklamieren ...
Ja, die Gewährleistung gilt immer und wird von der Garantie nicht aufgehoben. Allerdings kann der Kunde auf die Gewährleistung zugunsten der Garantie verzichten - und das wird gefördert.
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