andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Donnerstag, 11. Juni 2009, 04:21
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virtuelle Welt

“Der Ton macht die Musik“ heißt es und meint damit nicht die hinlänglich bekannte Musik. Ja, nicht einmal speziellere Musik ist gemeint, sondern der Ton oder Umgangston, der im Kontakt zwischen Menschen herrscht.
Selbstverständlich kann mit diesem Ton nicht nur die gesprochene Sprache oder ein Geräusch verbunden werden, sondern jede Form der Kommunikation. Denn: in der Natur der Kommunikation ist die Interpretation fest verankert. Dabei ist es egal, ob es Worte sind, Formulierungen, die Stimmlage, die Benutzung von Phrasen, Gesten, mimische Signale, Metaphern oder Zeichen zwischen den Zeilen.
Alles wird verglichen mit Bekanntem und Erfahrenem, abgeglichen mit den eigenen Vorurteilen und gemutmaßt aus Indizien, die auch wieder in Fantasie und Interpretation fußen. – Im Grunde ist das eine ziemlich unsichere und vage Angelegenheit. So funktioniert die Kommunikation halt.

In der Kommunikationswissenschaft ist dieses Phänomen bekannt. Bekannt ist auch, dass es vielfach auf die Nähe – oder auf die vermeintliche Nähe – ankommt, um ein Zeichen, eine Formulierung oder eine Stimmfärbung einschätzen zu können (wobei die vermeintliche Nähe zu heftigen Missverständnissen führen kann). Ein Beispiel?

Nehmen wir ein klassisches Beispiel:

„Meine Waschmaschine ist kaputt.“

Wie kann das verstanden werden?
Natürlich als reine Info: “So ein Mist, meine Waschmaschine ist hin.“
Oder als Entschuldigung: “Verzeih mir mein schmutziges Hemd …“
Oder als Smalltalk: “Mir fällt gerade nichts Spannendes ein …“
Oder als Aufforderung: “Darf ich Deine Waschmaschine benutzen?“
Oder als Vorwurf: “Du hast mir diese Waschmaschine empfohlen …“
Oder leidend: “Bedauere mich, ich habe ja so ein Pech …“
Oder miesmuschig: “Ich wusste doch gleich, dass diese Firma …“
Oder ironisch: “Übrigens, nach dem Anrufbeantworter, dem Fernseher und … “
Oder sarkastisch: “War doch klar, dass .,.“
Oder traurig: “Denk mal, die alte Maschine meiner Oma …“
Oder lustig: “Kaum habe ich eine Neue, schon …“
Oder diente es nur der Füllung einer Gesprächslücke?
Oder …

Das sind schon ziemlich viele Möglichkeiten. Nicht?
Und jetzt sollte man/frau bedenken, dass es in diesem Beispiel eher um den persönlichen, den realen, Kontakt geht. Was mag da erst ein rein virtueller Kontakt an Möglichkeiten bieten. Ein: “Komm vorbei und helfe mir …“ vielleicht? Oder: “Meine Libido …“. Oder ein: “Du verstehst die Metapher Waschmaschine doch sicherlich richtig … als …“?

Ehrlich gesagt: da ist es mir lieber, wenn mir mehr zur Verfügung steht, als nur ein paar virtuelle Indizien. Denn: auch wenn es nicht vor Missverständnissen und Fehlinterpretationen schützt, so erdet es zumindest die Erfahrungen. Aus dem normalen Leben kennen wir Enttäuschungen und Relativierungen. Da fällt die Angleichung an die Wirklichkeit (des Selbstbetrugs?) nicht mehr ganz so schwer. Oder?

Verzeiht mir bitte den etwas melancholisch/harschen Unterton. Mir fehlt Friedhelm/zackenbarsch schon jetzt und so bin ich zwar froh, dass ich ihn noch persönlich kennen lernen durfte, aber das hätte ich auch vielen anderen gegönnt. – Nicht jedem, zugegeben …
Und: ich hoffe auf das Kennenlernen ganz vieler weiterer virtueller Charaktere (und auf das Wiedertreffen der schon bekannten). Von daher:

Ja, an diesem Wochenende ist das diesjährige kV-Treffen in Minden. Keine Panik: es wird von normalen Menschen nur so wimmeln und das Zerplatzen von Fantasieblasen ist wirklich kein großes Problem. Echte Gefühle sollten das nicht scheuen müssen.

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 IngeWrobel (11.06.09)
Ausgezeichnet! Kommunikation ist wirklich eine schwierige Sache. Auch hier wäre es manchmal hilfreich, sich ein Beispiel an den Kindern zu nehmen. Eine grade, offene Sprache machte vieles leichter - gerade auch im Miteinander von Schreibenden.
Ich hatte beim Lesen nicht an Friedhelm gedacht. Aber nun, da Du ihn nennst, wird mir erneut klar, warum ich ihn so vermisse: Wir sprachen dieselbe Sprache, mussten nie erklären oder relativieren, empfanden gleich. Er war ein Mensch, der durch sein Hiersein kV für mich liebenswert/wichtig machte.
Ich wünsche Dir gute Begegnungen/Gespräche in Minden, lieber Andreas, denn auch Du bist für mich Säule.
Liebe Grüße, Inge
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