andi(e)stirnschlag

Männerfrage

“Die schauen nicht richtig hin”, heißt es dann. Es geht mal wieder um Männer und Frauen, ihre unterschiedlichen Wahrnehmungen der Welt, ihre unterschiedlichen Lebenseinstellungen und dem ganzen anderen Kram, der die Geschlechter angeblich unterscheidet.
„Meinst Du die selektive Wahrnehmung?“ frage ich vorsichtig.
„Männer sehen den Schmutz einfach nicht“, mischt sich die 57-jährige ein, die gerade die schmutzigen Tassen spült, die praktisch ausnahmslos von Frauen stammen (den Männern ist es längst zu anstrengend immer angemault zu werden, sie waschen inzwischen sogar die Löffel ab).
„Männer können oder wollen das nicht sehen“, bestätigt die erste. „Die wollen nur bedient werden und machen die Augen zu, wenn es um Hausarbeit und Kinder geht.“
„Klar, nicht einmal die Butter finde ich im Kühlschrank.“ – Böse Blicke treffen mich.
„Du kannst das nicht verstehen, weil Du ein Mann bist“, geht es dann weiter. „Männer sehen die Realität nicht so, wie sie wirklich ist. Sie sehen nur, was sie sehen wollen.“
„Machen das nicht Männer und Frauen?“ versuche ich es diplomatisch und fülle währenddessen den Kaffee in die Thermoskanne.
„Nein.“
„Ich meine: so ist die Natur des Menschen. Wir nehmen nie die Realität wahr, sondern das, was wir gelernt haben wahrzunehmen.“
„Quatsch. Ich sehe alles so, wie es ist.“
„Echt? – Das ist beeindruckend.“
„Nein, das ist ganz einfach. Ich mache die Augen auf.“
„Und Du merkst Dir alles, was Du siehst?“
„Nein, nur das Wichtige.“
„Dann filterst Du also doch aus.“
„Ja. Und?“
„Und wer entscheidet, was wichtig ist?“
„Keiner. Frauen können das.“
„Und Männer können das nicht?“
„Genau. Sie fragen nicht, sie machen es einfach. Aber falsch.“
„Und die Frauen entscheiden richtig?“
„Ja.“
„Alle?“
„Frauen sehen das einfach. Das liegt wohl daran, dass sie die Kinder großziehen.“
„Und da dürfen sie den Kopf nicht in den Wolken tragen oder schmutzig sein?“
„Genau, Du hast es erfasst.“

Eine dritte Frau kommt herein. „Mensch Meier! – Habt Ihr Euch mal das Klo angesehen? Das sieht aus, als wäre da eine Bombe explodiert.“
„Das muss ein Mann gewesen sein“, nuschele ich und verziehe mich eilig.


Andreas Gahmann