brief nr. 3

ich weiß: es wird niemanden interessieren,

euch nicht, meinen freunden nicht,

und wenn ich es so recht überdenke,

dann könnte ich mir vorstellen,

dass es kaum ein dutzend leute gibt, die das lesen wollen,

aber als vierzehnjähriger hatte ich

eine zwei jahre andauernde brieffreundschaft

mit einem mädchen aus seoul, südkorea,

zwischen dem schreiben des eigenen

und dem ankommen des darauf antwortenden briefes

lag, wenn man schnell war,

und das waren wir damals, im herbst 1978, ganz im anfang,

weil wohl verliebt,

so zirka ein satter monat,

es gab keine digitale welt neben unserer,

aber ich weiß noch genau,

wie das kaugummi schmeckte,

das sie mir mit brief nr.3 schickte,

pfefferminzig wie jedes kaugummi,

aber doch ganz anders, südkoreanisch, nach liebe,

nach eukalyptuswäldern, nach kwang aus seoul,

und noch heute, wenn ich den stapel

von einundzwanzig briefen in die hand nehme

und in brief nr.3 schnuppere,

kommt alles wieder und ich weiß,

dass das die eigentlich wichtigen dinge sind,

die, die zählen