andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Samstag, 12. Februar 2005, 16:44
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Das Mitbringsel

„Wollt Ihr nicht Samstag vorbeikommen? Einfach mal quatschen...“ – Da war sie wieder, die alte Frage: Was bringe ich jemandem mit, der gerade verlassen wurde? - Ist Trost, Ablenkung oder Motivation angesagt?
Na ja. Er hört sich gut an, am Telefon. Seine Lebensgeister erwachen offenbar wieder aus der Apathie, die sich durch die langjährige Beziehung eingeschlichen hatte. Unglücklich scheint er auch nicht zu sein, aber der Antrieb fehlt ihm wohl noch.
Es war aber auch eine total kaputte Beziehung. Seit langer Zeit. Ohne Liebe. In jeder Hinsicht.

Was also kann ich zum Treffen mitbringen? Eine Flasche Rotwein. Gut. Aber da fehlt doch noch etwas...
Ich entscheide mich für Kondome. Ein Augenzwinker-Geschenk halt.
Nun habe ich schon seit Jahren keine Kondome mehr gekauft und denke mir nichts Böses. Ab nach Edeka, wo ich sowieso noch Milch brauche... Doch ich finde nichts und wandele durch die Gänge wie jemand, der das erste Mal in einem Supermarkt ist. Die Nassrasierer, normalerweise immer in der Nähe des Gesuchten, entdecke ich in einer abgeschlossenen Glasvitrine. Von Kondomen keine Spur.
Fragen. Genau. Einfach einen Mitarbeiter fragen... Aber ich sehe nur Mitarbeiterinnen, sehr junge zudem. Das schaffe ich nicht. Unmöglich. Ein 41-jähriger, der eine junge Frau anspricht, wo er Kondome finden kann? Eine Auszubildende vielleicht, die gerade 16 Jahre zählen mag? Wo sind nur die älteren Frauen oder der Geschäftsführer?
Selbst an der Kasse sitzt eine etwa 20-Jährige. Soll ich etwa die resolute Frau an der Wurst-Theke fragen?
Peinlich berührt bezahle ich die Milch und mache mich davon. Auf zum Drogerie-Markt.
Dort kommt der nächste Hammer. Kondome? Klar, die gibt es. Reichlich sogar... Gegenüber von den Nassrasierern, auf etwa 100 cm Höhe, so dass ich in die Hocke gehen muss. Kein Problem soweit, wenn es denn Kondome wären, mit denen ich etwas anfangen kann. Es soll doch ein freundliches Geschenk sein, ein sanfter mentaler Rippenstoß und keine Veralberung.
Blausiegel? Zu sehr auf “edel“ getrimmt. Sieht ja aus, als wenn es nur für Ehepaare mit Kindern gemacht wird und im Arzneischrank nicht auffallen soll.
Die erste Packung von durex hat ein Teufelchen als Bild. “...mit Kontur“, steht da, “vier unterschiedliche und freche...“. Danke. Nein.
Billy Boy. Diese schwarze Packung hat mir früher schon nicht gefallen. Oh Heerscha. Der grinst ja sogar...
Und was ist das: “Für Extremsportler – mit beiliegendem Schweißband“. Wie bitte? Darf man in einem Drogeriemarkt laut los lachen? Die kucken doch jetzt schon komisch, weil ich mich so lange aufhalte.
“Für den längeren Verkehr“ steht auf einer anderen Packung. Ähm. “Extra dünn – nur für den vaginalen Gebrauch“ auf der Nächsten. Daneben vom gleichen Hersteller “Extra stark“. Da braucht es wohl keine Erklärung.
Dann gibt es noch welche mit Ausbuchtung im oberen Bereich, für bessere Passform sozusagen.
Was heißt eigentlich “naturfarben“? Durchsichtig wohl kaum. Oder doch, wo sich Hautfarben unterscheiden können? Und wer kauft “zartrosa“?
“Mit Fruchtaroma“ passt zum Drogeriemarkt, ist ja Schlecker. Aber vier verschiedene Aromen? Was machen die Leute denn damit? Ich fühle mich plötzlich sehr alt.
Aber dann finde ich doch noch, was ich suche. “Gefühlsecht“ steht da, und “easy-on-passform: leicht abgerollt – gut drauf“ und “20 % mehr Inhalt“. Wenn das mal kein Versprechen ist.

Übrigens soll ihm das Mitbringsel gepasst haben. Wie ich hörte - mehr als einmal.

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag

Symphonie (73)
(17.02.05)
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 ViolaKunterbunt (17.02.05)
Klasse, Andreas!
Die story ist einfach gefühlsecht geschrieben, hat Geschmack, ist von der Thematik her leicht abgerollt und man ist nach dem Lesen sofort gut drauf!
Kunterbunte Grüße, Viola
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