andi(e)stirnschlag

Reizend

Da waren wir nun in der Dortmunder Innenstadt. Eigentlich eine Gegend, die ich weitestgehend meide, sie ermüdet mich. Oder besser: die Menschenmengen tun es. Dieses ewige Hin und Her des Ausweichens in der Fußgängerzone, weil die Leute so gerne gruppenweise stehenbleiben oder Geschwindigkeit und Richtung ändern. – Und dann dieses langsame Schleichen in den Geschäften, die Augen, die immer abgelenkt werden von unnötigen aber bunten Sachen. Einfach lästig.

Aber ab und an brauche ich mal etwas aus der “Stadt“, wie man hier sagt, etwas, das man woanders nicht oder nur mit schlechter Auswahl bekommt. Diesmal waren es Hemden.
Brigitte kam auch mit. Sie suchte selber noch etwas bestimmtes (was natürlich nicht aufzutreiben war) und wollte zu ihrem Selbstfönfriseur... Na ja, gemeinsam einzukaufen kann ja auch ganz schön sein. Allerdings stieß ich diesmal in Gefilde vor, die ich schon lange nicht mehr besucht habe: die Damenabteilung von Karstadt.
Ohne große Bedenken ließ ich mich von der Rolltreppe in die zweite Etage hieven und erlag dabei fast einer für mich ungewohnten Reizüberflutung. Da standen gleich gegenüber der Rolltreppe drei Schaufensterpuppen in Unterwäsche. Aber was für eine. Hoppla.
“Bin ich im falschen Film?“ ging es mir durch den Kopf. Das war doch keine normale... das war doch... Spitze, Strapse, halterlose farbige Strümpfe, Korsagen... Das war Reizwäsche. So etwas kauften die Leute früher bei Beate Uhse.
Aber ich war ja in der Karstadt-Damenbekleidung.
Neugierig wie ich manchmal bin, maß ich im Kopf die benötigte Stellfläche ab und kam auf ein Drittel des gesamten Verkaufsraumes. Der Rest waren die üblichen Blusen, Kostüme, Kleider, Hosen und so.
Ein Drittel für Unterwäsche, man soll es nicht glauben. Wer kauft denn so viel davon? Das muss sich doch rentieren, sprich: es gibt Kundschaft dafür. Kundschaft für Spitzenwäsche: knapp und unpraktisch, dünn, kratzig, kneifig, nichts verdeckend oder wärmend und alles aus Kunstfaser. Nicht gerade tragefreundlich.
Und... sagte ich schon, dass das meiste Zeug aus fast durchsichtiger Spitze war?
Ein Kleiderständer mit rosafarbener Wäsche, einer für blau, dann für violett, für gelb und für türkis. Einige Farben kenne ich nicht einmal mit Namen. Es folgten mehrere Gondeln, Wühltische und Ständer mit schwarzen, weißen und roten Slips, Tangas, Büstenhalter, Mieder, Strumpfgürteln, Tanzgürteln (?) und wer weiß was.
Nun. Ich bin ratlos. Wird das neuerdings tagtäglich getragen? Warum sonst gibt es so eine Menge und Auswahl?
Meine eigene Erfahrung mit Frauen spricht nicht dafür. Brigitte kann auch nur mit den Schultern zucken und erstes Nachfragen im Bekanntenkreis findet keine vernünftige Antwort.

Wer also kauft das ganze Zeug?
Und was gibt es dann erst bei Beate Uhse?

Ach ja. Ich habe zum Glück drei Hemden für mich gefunden. Eine Etage tiefer, aber mehr sage ich dazu nicht, sonst rege ich mich noch auf.