andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Mittwoch, 27. April 2005, 23:44
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Wie Glauben funktioniert

Das kennt jeder: ausgerechnet an der Kasse, an der man gerade ansteht, staut es sich. Es kommt einem wie eine Strafe vor, da es gerne passiert, wenn man es eilig hat. Ist es etwa Fügung?
Vor einiger Zeit hatte ich einen ganz besonderen “Lauf“ in dieser Hinsicht, der mir zu denken gab. Das große Programm stand an: Getränkemarkt, Tierfutterladen, ALDI und REWE; alles hintereinander. Und das um 18 Uhr (eine gute Zeit, wenn man das Gefühl hat, dass man zu wenig Aufregung im Leben hat).

Im Getränkemarkt geht es los. Zwei Kunden vor mir und die Kasse gibt auf. Der Klassiker, die Papierrolle muss gewechselt werden. Danach kann die Kassiererin das Gehäuse nicht schließen und ruft nach der Chefin. Die ist natürlich gerade im Lager beschäftigt...
Ich schaue auf die Uhr. Fünf Minuten dauert es, bis der Kunde zahlen kann und - den hingehaltenen Kassenbon ignorierend - das Geschäft verlässt. Vor mir die junge Frau ist sichtlich genervt und will es schnell machen. Hastig reißt sie eine Flasche Traubensaft aus dem Getränkekasten.
Auch die Kassiererin beeilt sich. Mit der Scanner-Pistole in der Hand beugt sie sich zum Kasten herunter, um den ISDN-Code abzulesen. Doch es macht nicht “Piep“, sondern “Ping“. Kunststoff trifft auf Glas. Ein leiser Aufschrei.
Ich sehe, wie die Flasche auf die Theke prallt, sich einmal um die eigene Achse dreht, fällt und auf dem Boden zerplatzt. Traubensaftspritzer überall, aber wie durch ein Wunder nicht bei mir. Sogar mein Einkaufswagen ist verschont geblieben. Dafür sieht es vor mir aus, als wäre hier gerade das “Kettensägenmassaker Teil 7“ gedreht worden. Drei aufgeregte Angestellte versuchen möglichst schnell für Ordnung zu sorgen. Ich werde derweil zur zweiten Kasse gewunken. Ist aber auch Zeit, inzwischen ist es 18.15 Uhr und die ersten Geschäfte schließen um halb sieben. Als sich die Tür hinter mir schließt, höre ich noch, wie nach einem Pflaster gerufen wird...
Bei den Hundefutterdosen macht der Scanner “Öhk“, anstatt “Piep“. Nicht “gelistet“, nennt die Kassiererin das. – Viermal muss die arme Frau zu den Regalen laufen. Ihr Tribut dafür, dass ich für unseren Hund sehr abwechslungsreich einkaufe.
Um 18.45 Uhr stehe ich bei ALDI an der Kasse. Ich bin schon ziemlich weit vorne. Glück gehabt, denke ich, - da passiert es: der Kunde möchte umtauschen, hat aber keinen Kassenzettel dabei. Preis und Artikelnummer sind natürlich nicht mehr bekannt. Angebotsware halt.
Na klasse. Das Pärchen vor mir hat noch einen Umtausch...
Ich schenke der Kassiererin ein Lächeln, sie kann ja nichts dafür. Sie lächelt müde zurück und raunt mir zu: „Das sind immer die gleichen Typen. Haben den ganzen Tag Zeit und kommen kurz vor Ladenschluss.“
Etwas erschöpft reihe ich mich um 19.15 Uhr bei REWE in die Schlange ein. Ich habe nicht viel im Einkaufswagen und die beiden Frauen hinter mir haben es sichtlich eilig. Die hintere schließt sogar die Augen, legt den Kopf in den Nacken und bewegt die Lippen, als würde sie beten. Gerne würde ich sie vorlassen, damit sie das Gefühl hat, dass sie voran kommt.
Doch die Schlange rückt zügig vor und fünf Kassen sind geöffnet, da scherze ich lieber.
„Nehmen Sie lieber eine andere Kasse. Ich habe heute kein Glück, das dauert hier bestimmt noch.“
Die erste Frau grinst breit, aber die hinter ihr Stehende reagiert und wechselt zu einer anderen Warteschlange, obwohl sie dadurch weiter hinten steht. Darüber lacht die Erste und schüttelt belustigt mit dem Kopf. In diesem Moment passiert es: dem älteren Mann, der gerade bezahlen will, fällt die geöffnete Geldbörse aus der Hand. Er hat viel Kleingeld, das sich über Boden, Laufband und Kassenraum verbreitet...

Ich würde den Blick der Frau hinter mir gerne als ungläubig bezeichnen, aber eigentlich traf eher das Gegenteil zu.
Auch der Blick der Anderen, die längst bezahlt hatte und fast auf mich wartend an der Ausgangstür stand. Es hatte etwas von... ich weiß nicht. Fragend, als wüsste sie nicht genau: Kanzel oder Scheiterhaufen.

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 ViolaKunterbunt (28.04.05)
Tja, da hat Murphys Gesetz mal wieder voll zugeschlagen. "Alles, was schief gehen kann, das geht auch schief!"
Sehr schön geschrieben. Macht Spaß !
Kunterbunte Grüße, Viola

 Nicht registrierter NutzerASchwissLeugnar (02.05.05)
sehr sauber geschrieben und gut formuliert . die situation kenne ich auch , obwohl ich selten einkaufen gehen . aber du bist ja das kassen orakel ;)

schreib weiter so


viele grüße kiki
Symphonie (73)
(02.05.05)
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