andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Mittwoch, 01. Juni 2005, 17:23
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Von Menschen, Autos und Blutbuchen

Schon mal in einem Slalom-Wagen gesessen?
“Straßenzugelassen“ hört sich doch gut an, oder?
Ist Slalom-Fahren eigentlich ein richtiger Renn-Sport?
Ist doch nur ein alter VW-Polo, der als Zweitwagen dient...

Nun. Die Schreibwoche stand an und ich musste dafür ins Sauerland. Ans “Ende-der-Welt“, wie manche Leute sagen würden, die noch nicht an wirklich deprimierenden Orten waren (manch einer, der das sagt, sollte mal aus dem Fenster sehen). Mich jedenfalls stören ausgedehnte Fichtenwälder nicht. Mehr noch: ich mag sie, obwohl es ja nur “Forst“ ist.
Außerdem wusste ich, was mich noch erwartete. Ein etwas heruntergekommenes anthroposophisches Studienhaus, das schon lange in Geldnöten ist. Ein Rudel Schreibverrückter, mit denen ich im Jahr zuvor schon sehr gut ausgekommen bin. Eine Vollwertkost, die meistens lecker, immer aber interessant genannt werden kann. Ein wundervoller Park mit morbidem Charme unter alten Bäumen; Walderdbeeren, die in den Ritzen zerfallender Terrassenkonstruktionen aus Naturstein wachsen; Blutbuchen, in deren Laub die Sonne ihre Strahlen rot färbt; plätschernde Bächlein zwischen Farnen und Eiben... *träum*
Kein Fernsehen, kein Radio, kein Telefon (wenigstens für mich). Dafür die Aussicht auf Gespräche mit den Teilnehmern anderer Kurse. Kurse, die nicht unbedingt meine Gedankenwelt widerspiegeln oder mein Lebensgefühl ausdrücken. Kurse wie: “Die Inkorporation Ahrimans seit 2004“, “Energie wahrnehmen – die Dimensionen verbinden sich“, “Mit Klopfakupressur zum Wunschgewicht“, “Arbeiten mit Elementarwesen und Landschaftsheilung“, “Über die kosmische Stimmung a‘ = 432 Hz und Einführung in das Leierspiel“, “Baumwahrnehmung üben“ oder “Plastizieren von Wirbelschalen (Flowforms)“ (das sind nur einige ausgewählte Kursthemen von Januar bis April 2005).
Nun denn. Solange es sich nicht um Fanatiker handelt, rede ich mit jedem. Obwohl... bei dem Kurs “Beziehungspflege vor der Krise“ war ich froh, dass der schon vorbei war. Irgendwie glaube ich nicht daran, dass die Teilnehmer eines solchen Kurses wirklich “vor“ einer Krise stehen. Und ob da ein Wochenend-Kurs reicht?
Es wäre für mich sicherlich nicht so toll gewesen, wenn ich Freitags durchgeschüttelt angekommen wäre und sofort “negative Strömungen“ hätte spüren müssen (sprich: gereizte Paare). Die Fahrt war schon abenteuerlich genug; Polo mit Innenkäfig, Fenster, die sich nur bei geöffneter Tür herauf- oder herunterkurbeln lassen (wegen einem Stahlrohr), Rennlenkrad, kein Radio, Rennfahrersitz mit breiten Renngurten (erinnern an Hosenträger), Sicherheitsgurte auf der Beifahrerseite, die sich mühsam hinter einem Holm des Käfigs erkämpft werden müssen und natürlich das Slalom-Fahrwerk. Holla!
Hat sich schon mal jemand auf einem Kotflügel abgestützt – mit vollem Gewicht – und miterlebt, dass der sich daraufhin etwa 0,5 Zentimeter nach unten quält, um beim Loslassen ohne nachzufedern nach oben zu schnellen? Genauso fühlt sich eine Fahrt in so einem Auto an. Jede Unebenheit, jede Bodenwelle wird ertastbar – und zwar mit dem ganzen Körper. Die Wirbelsäule wird zum Stoßdetektor, der Hintern zur körpereigenen Federung und ja, das Gehirn schwimmt wirklich in einer Flüssigkeit. *schwapp*
Ist aber gar nicht so schlimm, wenn vorsichtig gefahren wird. – Hatte ich erwähnt, dass der Besitzer des Wagens früher Rennen gefahren ist?

Jetzt habe ich mich doch glatt verplappert. Sowas aber auch. Vom “Roadsway Re*treat“ erzähle ich dann nächste Woche (das war der Kurs, der parallel stattfand). Dann kann ich auch verraten, welche Bäume gut – und welche böse sind.

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag

Symphonie (73)
(02.06.05)
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 AndreasG (03.06.05)
Zur Erklärung: Ahriman (eigentlich die Verkörperung des bösen Prinzips bei den Parsen) wird bei den Steinerjüngern als Satan-Teufel-Bild gesehen. Hier zur Verdeutlichung noch der vollständige Text der Kursbeschreibung: > “1879 wurde laut Rudolf Steiner der Drache auf die Erde geworfen. Seine vorhergesagten Bedingungen für den Satan sind längst erfüllt. Seit 1933 öffnen sich die 9 Erdschichten im Jupiterrhythmus. Bis 1945 bereitete der Wolf durch Hitler den Weg des Drachens. 1962 werden 2 Träger geboren in New York und Tobruk/Lybien. 1986 einen sie sich (Barabas und der Schwarzmagier von Mexiko). Einfluss über die Lastwagenvernetzung in den USA. Erwachen 1998. Es entsteht ein Ent-Ichungszentrum für Reiche und Politiker 1999. 2004 bis 2016 (Öffnen der 7. Erdschicht) muss sich der große Täuscher offenbaren. Prophezeihungen zum Ende des 20. Jahrhunderts verschieben sich bis 2033. Die gefallenen Archai, die das Ich nicht achten, treiben das Böse an.“ < (Zitat aus: Studienhaus Rüspe, Jahres-Vorschau 2005, vermuteter Autor und Kursleiter: Wilhelm Floride) – Die meinen das wirklich ernst, also nicht zu laut lachen. – Liebe Grüße, Andreas

 BrigitteG (04.06.05)
Ist denn Ahriman nicht auch bei Karl May drin vorgekommen? Kann sich da jemand dran erinnern? (Will nicht alle 50 Bände noch mal lesen...)

 ViolaKunterbunt (04.06.05)
Also, bei den genannten Kursen hätte mich das irgendwie nicht so gereizt... Ich denke aber, Du hast Interessanteres für Dich gefunden. Wieder klasse geschrieben das Ganze. - Sorry, dass ich erst heute kommentiere, aber gestern war ich kaum im Netz. - Nun bin ich sehr gespannt auf gute und böse Bäume....
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