andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Mittwoch, 20. Juli 2005, 16:17
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heißer Tag

Am letzten Montag war es warm, sehr warm. Zu warm für mich, denn bei Hitze schwindet mein Denkvermögen (Spötter werden fragen: „Dein was?“). Schade ist das, wirklich schade, - es gibt so viel zu erleben und zu sehen, wenn den Menschen die furchige Masse zwischen den Ohren weich gedünstet wird.
Dabei war ich nur einkaufen, die klassische Liste abarbeiten. Joghurt, Milch, Brot und so; - ‘was zum Kochen noch... Mein Blick fiel auf eine “Pizzakombi“, Fertigteig mit beiliegender Sauce. Interessante Idee. Sofort begann ich nach dem passenden Belag zu suchen.
Vielleicht war es ja auch gut, dass meine Aufmerksamkeit recht niedrig war. Gesprächsfetzen wie: „Hasse dat Wurst für zum Grillen?“ – „Wat? Ich?“ – „Na meintse ich? Ich tu schon dat Grillen.“ – finden normalerweise immer mein wohlwollendes Ohr. Am Montag nicht.
Meine Augen hingegen funktionierten leidlich. Da war etwa die Frau mittleren Alters (schwer zu schätzen), die für den Supermarkt viel zu chic gekleidet war. Schwarze Hose mit Bügelfalte, weiße Bluse mit schwarzen Punkten, blond gefärbte Kurzhaarfrisur im Strubbel-Look, teuer aussehender Goldschmuck (dieses betont dezente Zeug), braun ge(ver)brannt, nicht geschminkt, sondern gespachtelt und natürlich: Sling-Pumps mit Pfennigabsatz. - Arztfrau, Chefsekretärin oder Geschäftsfrau, nicht genau zu sagen.
Als ich bei den Radieschen ein Bund suchte, das nicht verschrumpelt war, schaute sie sich gegenüber den Feldsalat an. Dafür beugte sie sich vor... Sonnenbank, tippe ich. So nahtlos braun wird frau nicht im Freibad (muss da nicht wenigstens ein Bikini-Oberteil getragen werden?).
Später beim Joghurtaussuchen (Brigitte ist da wählerisch) trat die Frau mit der gepunkteten Bluse neben mich und suchte in der unteren Reihe nach Käse. Hui. Ein Bauchnabel-Piercing trug sie jedenfalls nicht...
Mann sieht so etwas, Mann ist darauf trainiert in unserer Gesellschaft (und ein wenig Instinkt gehört wohl auch dazu). Doch starren ist nicht mein Ding. Etwas peinlich berührt schaute ich intensiv auf die Diät-Joghurts und dann zur Seite. Auch nicht besser.
Ein Pärchen wie Pitt und Klärchen, wie hier früher gesagt wurde, kam mir in den Blick. Er um die 50 und... sagen wir mal: unattraktiv. Etwas schwabbelig, schmierige Haare, braune Sandalen über schwarzen Socken mit (mir) unbekanntem Markenemblem, ein Trägerhemdchen wie reingeschossen und eine grüne Turnhose (ungelogen). Neben ihm dann “Klärchen“ auf mindestens 10 cm Hacken, Schläppchen nur, die bei jedem Schritt gefährlich schwankten. Ein knirschkurzer weißer Rock, hauteng. Ihre Bluse eher ein feinmaschiges Netz, der weiße Spitzen-BH leuchtet durch. Ah, denke ich, da ist ja endlich eine, die diese Reizwäsche kauft, von der es letztens im Kaufhaus so viel Auswahl gab...
Ihr Alter? So um die 40, würde ich schätzen. Aber unter der Schminkschicht könnte auch etwas anderes lauern. So genau habe ich nicht hin gesehen, denn sie ging dann in die Hocke um im Regal etwas zu suchen und meine Aufmerksamkeit wurde von zwei jungen Männern abgelenkt, die plötzlich hinter mir standen. Braungebrannt, durchtrainiert, einer mit nacktem Oberkörper. Alle Frauenaugen im Supermarkt richteten sich auf Brustmuskeln aus. Wer sagt eigentlich, dass nur Männer auf’s Äußere springen?
Nun, - die beiden Herren waren recht nah. Ich bekam auch Gespräch mit...
„Hey,“ zischte der Bekleidetere. „Sieße die Alte da?“
Mein Blick schweifte nach links (zum Käse) und erfasste die Situation aus dem Augenwinkel. Der schwabbelige “Pitt“ stand beim Bier und konnte sich nicht entscheiden, sein “Klärchen“ hockte noch immer und wirkte bei ihrer Suche im Regal etwas fahrig. Ihre Knie waren jetzt gut 50 Zentimeter auseinander, sich genau in die Richtung der beiden jungen Männer öffnend... Gelbe Spitze übrigens.
Der junge Herr mit dem nackten Oberkörper grunzte leise: „Und? Is auch nur ne Ische.“

Ich machte mich davon, fand noch Milch und dann die Kasse. Vor mir eine junge Frau mit Arschgeweih und einem Spaghettiträger-Top, das mindestens drei Nummer zu groß war. Wenigstens war sie keine Kundin für Unterwäsche... *rotwerd*
Als ich nach Hause lief, fuhr ein silbernes Mercedes SLK Cabrio an mir vorbei. Eine weiße Bluse mit schwarzen Punkten am Steuer. Passt ja, dachte ich. Dann ging ich im Geiste noch einmal meine Einkaufsliste durch. Der Belag für die Pizza? Käse, grüne Paprika, Champignons, - Zwiebeln und Speck im Kühlschrank, gut. Doch dann das Problem: vergessen die “Pizzakombi“ zu kaufen. Diese blöde Hitze aber auch. Macht mich ganz durcheinander...

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 ViolaKunterbunt (21.07.05)
Oh Andreas !!!!
Und dann alles auf die Hitze schieben. Ist schon erstaunlich, wie gut die Augen noch funktionieren, auch wenn das Hirn geschmolzen ist.
- Tja....die Sonne bringt es an den Tag! - Sehr schön geschrieben! Liebe Grüße, Viola
Sally (55)
(21.07.05)
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 Nicht registrierter NutzerImmergrün (22.07.05)
welcher mann, andreas lässt sich an heißen Tagen
nicht mal gern "ablenken" ?
Gruß Ig
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