andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Mittwoch, 07. Dezember 2005, 17:21
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Traumpartner und andere Katastrophen

ACHTUNG! – Dieser Text könnte unempfindliche Gemüter verletzen, da in ihm unmoderne Begriffe wie Emanzipation, Gleichberechtigung und Rollenverhalten thematisiert werden. Wem so etwas sauer aufstößt, sollte schnell zu einem Ich-liebe-immer-nur-Dich-egal-wie-beschissen-Du-mich-auch-behandelst-Text wechseln. Das passt dann schon.


Den Grad der Gleichberechtigung in einer Gesellschaft kann am Spielzeug der Kinder abgelesen werden, heißt es. Am besten sind dafür Spielzeuggeschäfte geeignet, denn da gibt es einen schnellen Überblick.
Im letzten Urlaub in Spanien habe ich das auch ausprobiert. Interessant, ehrlich.
Zuerst die Jungenabteilung: gut 75 % der Verkaufsfläche. Die angebotenen Legosteine sind sehr technisch ausgelegt (Raumfahrt u.a.) oder beschäftigen sich mit anderer abenteuerlich ausgelegte Fantasie. Dann finde ich Seeräuber, Ritter, Monster, Autos, Superhelden (Star-Wars zähle ich mal dazu) und: Schluss. Überschneidungen mit “Mädchen-Sachen“ : Null. Frauen- oder Mädchenfiguren: Null.
Und die Mädchenabteilung? – Puppenstuben und –einrichtungen, Küchengeräte im Kleinformat, Barbie-Puppen und ihre verschiedenen Verwandten. Natürlich auch die Accessoires für die Puppen: Schuhe, Schmuck, Kleider, Kleinkram (Bürsten, Föns, Staubsauger... keine Pferde. Wunderte mich. – Keine Bohrmaschinen oder Computer. Wunderte mich nicht).
Größenmäßig passten die kleineren Puppenserien zu den Piraten und Rittern der Jungs, was sicherlich ein interessantes gemeinsames Spiel möglich macht. Hausfrauen überfallen mit ihren “High-Heels-des-Todes“ und in Minikleidchen gepanzert ein Seeräubernest, massakrieren die Gegner mit pinkfarbenen Handtäschchen oder fönen die Gefangenen so lange, bis sie verraten, wo sie den Schatz vergraben haben... – Ich schweife ab.
Bei der Barbie war es nicht besser. Die gleich großen Figuren in der Jungenabteilung bestanden aus Superhelden und Monstern (was mir sehr passend erscheint). Jedoch fand ich unter die Barbies gemischt auch männliche Figuren, sicherlich auch geeignet als Jungenspielzeug...
Nummer 1: ein Prinz mit edelsteinbesetzten Schlappen, goldbesticktem Mantel und Schmuck. Weiteres Zubehör: ein orientalisches Sitzkissen, eine Flöte und ein mehrarmiger Kerzenleuchter. – Hui. Das reißt Jungs echt vom Hocker, - Pardon, vom Sitzkissen.
Nummer 2: Ken im Abendanzug und Weste und so. Hauptzubehör: eine Pralinenschachtel und ein Strauß Blumen. – Da stehen Jungs total drauf.

Nun ist es natürlich unlogisch zu behaupten, dass eine Gesellschaft so schlicht gestrickt ist, wie ein Spielzeugladen.
Nur langhaarige Puppen, Stöckelschuhe und sexy Kleidchen? – Das spiegelt doch nicht die Realität wieder. Ich habe in den 14 Tagen bestimmt drei oder vier kurzhaarige Spanierinnen gesehen. Immerhin Zwei von Zwanzig trugen Schuhe mit Absätzen unter fünf Zentimetern. Und sexy Kleidchen? Nein, es herrschten eindeutig hautenge (oft hüftfreie) Hosen vor.
Bei den Männern war es noch eindeutiger: kein einziger Pirat lief mir über den Weg, kein Monster, kein Superheld (oder zählen grölende Macho-Jugendliche auf frisierten Mofas dazu?). Gut 80 % trugen Anzüge – und von goldbestickten Mänteln keine Spur.
Spielzeug scheint also nicht die gesellschaftlichen Verhältnisse wieder zu geben. Es zeigt nur eine Traumwelt und Träume beeinflussen uns ja bekanntlich nicht.
Außerdem lassen sich ethische Grundwerte nicht so gut in Plastik gießen. Vertrauenswürdigkeit, Verlässlichkeit oder andere innere Werte sind auch schlecht als Accessoires beizulegen. Aber Ausstattungsunterschiede muss es schon geben. Immerhin konkurrieren gut 30 fast gleich aussehende Barbies um einen Ken (den Prinz lasse ich mal außen vor), ganz wie im richtigen Leben. Es ist wichtig früh genug zu lernen, dass auch die Liebe ein Wettkampf ist.

Zum Glück ist Spanien weit weg und in deutschen Spielzeuggeschäften sieht es ja völlig anders aus.

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag

Sektfrühstück (41)
(08.12.05)
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wortverdreher (36)
(12.12.05)
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