andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Mittwoch, 08. Februar 2006, 19:20
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Was für Widersprüche?

Da ist sie mal wieder, diese Parallele zwischen dem Zwischenmenschlichen und der weiten Welt. Kennen wir längst ... ist ganz normal ... fast haben wir uns daran gewöhnt. Und doch ...
Da ist der Ehemann, der in heftige Eifersuchtattacken verfällt, wenn seine Frau auch nur ein nettes Wort mit einem anderen Mann wechselt. Schon seit Jahren kennen wir nichts anderes von ihm und dann, in bierseliger Laune, erzählt er plötzlich von den “geilen Weibern“, die er regelmäßig im Puff besucht. Erschreckt dürfen wir da nicht sein, denn es ist ja “ganz-was-anderes“, wie uns erklärt wird.
Oder die Frau, die so herrlich über die Ungerechtigkeit der Welt jammern kann, dass sie ja sooo schlecht behandelt würde und jeder nur auf ihr herumtrampelt. Ja, denken wir, wer so etwas erlebt hat, der wird doch ... Nein, wird er oder sie nicht! Es ist nur eine Frage der Zeit, bis zurück gezahlt wird, mit Heller und Pfennig, einer kalten Rache gleich. Leider aber nicht gegenüber denen, denen die Vorwürfe galten. – Aber auch das ist ja “gaaanz-etwas-anderes“. – Klar.
Wir kennen auch genügend Leute, die großartig von ihren Zielen und Ideen reden, die sich so viel vorgenommen haben, sich ändern wollen. Und dann? Heiße Luft. Was stört mich das Gesülze vom Vortag! – Ich wollte es Dir erklären? Echt? – Damit habe ich ‘was and’res gemeint ...

Erinnert irgendwie an die Politik, nicht? – Wir müssen das Bildungssystem verbessern, kinderfreundlicher werden, ethisch-moralische Prinzipien in den Köpfen verankern, die Gewalt und die Intoleranz bekämpfen ... Oh ja! Aber zuerst müssen wir realistisch sein. Gelder für die Frauenhäuser sparen, die Binnennachfrage stärken, die Kosten für die Universitäten und Schulen senken (und die philosophischen Fakultäten erwirtschaften ja eh nichts), auf Kindertagesstätten verzichten und so weiter. – Aber da verrenne ich mich natürlich wieder, denn es ist nicht miteinander vergleichbar, etwas anderes halt.
Regen wir uns noch auf, wenn ein Politiker, der von den Arbeitnehmern Verzicht einforderte, nach Ablauf seiner Amtszeit auf einen hochdotierten Wirtschaftsposten wechselt? Stört sich jemand noch daran, dass die christlichen Kirchen von Verzicht predigen, von sozialer Kälte reden und eine neue Sexualmoral einfordern – und dann den Verzicht bei den Gehältern ihrer Angestellten üben und den sexuellen Übergriffen ein deutliches: „Du, das machst Du jetzt aber nicht mehr wieder. Versprochen?“ entgegenschleudern.? Das ist jetzt bestimmt auch wieder etwas ganz anderes.
Christliche Fundamentalisten fordern die Akzeptanz ihrer Glaubensfreiheit und ihrer Ansichten und fordern gleichzeitig das Verbot der “Irrlehren“ der Darwingläubigen. Manch einer wird darüber den Kopf schütteln, dass diese “Rechtgläubigen“ die Evolution als Glaubenssache bezeichnen. Aber verstoßen sie dadurch nicht schon selber gegen die Forderung der Glaubensfreiheit? – Auch wieder etwas ganz anderes?

Warum tun wir dann eigentlich so überrascht von den Ausschreitungen gewisser Islamisten, die lautstark nach Akzeptanz und Toleranz ihrer Religion schreien und im gleichen Atemzug “Ungläubige“ steinigen wollen? Gibt es in unseren Bekanntenkreis nicht genügend Menschen, die uns zeigen, wie zutiefst menschlich so eine Denkweise ist?
Freiheit ist doch zuallererst immer die eigene Freiheit. (Habe ich dieses Zitat jetzt falsch im Kopf oder ist das jetzt wieder etwas ganz anderes?)

Am besten nehme ich mir jetzt auch vor, einfach nur noch an mich und meinen eigenen Vorteil zu denken. Ich könnte eine Glaubensgemeinschaft begründen, die ... Nein. Zärtlichkeit, Sex, Vertrauen und Offenheit dürfen da nicht rein. Das wäre ja noch schöner. Ich kenne die Regeln doch jetzt... Es ist immer ganz anders!

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 KopfEB (10.02.06)
Ja, das ist wohl eine grausame Wahrheit, dass der Mensch in seinem individualistisch eingerichtetem Leben feststeckt.
Das Problem ist der Hass, die Schwäche aus Schwierigkeiten nicht zu lernen, sondern sich vor ihnen zu verstecken. Ansonsten müsste man die Unzufriedenheit nicht an Anderen auslassen, sondern könnte dankbar sein für die Möglichkeit der persönlichen Entwicklung.
Ein guter Weg zur Toleranz.
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