andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Mittwoch, 29. März 2006, 19:29
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Überqualifiziert?

Da hocken sie in der Teeküche zusammen, trinken Kaffee, quatschen und lachen, während auf der Station die Patienten leise vor sich hin leiden. So erlebt man es immer wieder in Pflegeheimen und Krankenhäusern.
Was für eine faule Bande, mag manch einer denken, unmotiviert, schroff, sich nie Zeit nehmend, ohne Feingefühl oder Mitleid und immer nur herbeischlurfend, wenn sie gerufen werden. Da scheint es verständlich zu sein, dass es eine Ausnahme ist, wenn jemand länger als zehn Jahre in diesem Beruf tätig ist. Nur eines wundert doch: die schmeißen den Job meist selber hin.
Was über den Nachwuchs zu hören ist, macht noch nachdenklicher. Kaum jemand möchte diese Arbeit machen und die Absprungquote bei denen, die es doch versuchen, ist auch nicht gerade niedrig. Woher kommt also der Pflegenotstand?
Schichtdienst ist natürlich unangenehm, klar. Überstunden sind auch lästig. Aber es gibt so viele Berufe, bei denen das funktioniert. Schichtdienst und Wochenendarbeit gleichzeitig? – Na ja, kann ja mal vorkommen ... Schlechte Bezahlung? Zeitdruck? Unflexible Arbeitspläne? Vorschriften, die nur auf dem Papier stehen, aber nicht umzusetzen sind? Zeitpläne, die nur durch stures Abarbeiten einzuhalten sind? Psychischer Druck, mit dem jeder alleine zurecht kommen muss?
Nun, das hört sich natürlich nicht so toll an.

Aber zum Glück gibt es ja kreative Köpfe!
Die Arbeitsbedingungen verbessern, um neue Leute zu bekommen? Etwa die Löhne erhöhen? – Oje, das kostet doch alles Geld! Da sucht man doch lieber nach Menschen, für die so ein Job eine Verbesserung darstellt. Anderswo funktioniert das doch auch: wem es richtig mies geht, für den ist “schlecht“ ein echter Weg nach oben.
Wurde nicht erst im letzten Jahr ein bestimmter Beruf anerkannt? Da könnte man doch Umschulungen anbieten. Erfahren genug sind sie ja in den wichtigsten Dingen: ihre Ekelgrenze ist niedrig genug, um alten Menschen den Arsch abwischen zu können, sie sind es gewohnt mit Menschen umzugehen, ihre Berührungsängste sind gering und ein bisschen gespart sollten sie auch haben. – Genau, das ist die richtige Wahl! – Bilden wir doch ehemalige Prostituierte zu Altenpflegerinnen aus. Die beschweren sich wenigstens nicht über miese Arbeitsbedingungen.

Glaubt jemand, dass ich scherze?
Das Projekt findet in NRW statt und wird vom Europäischen Sozialfond mit über einer Million Euro gefördert. Und Heinz Oberlach von der Bundesagentur für Arbeit meint dazu, dass endlich gezeigt werden muss, dass Prostitution eine echte Qualifikation sein kann!
Na, - da werden wohl Männerträume wahr ...

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 ViolaKunterbunt (30.03.06)
Das ist eine tolle Kolumne!
Das Thema ist ja wohl der hammer, und Du hast es total spitze rüber gebracht. Kompliment! Kunterbunte Grüße, Viola

 Marla (30.03.06)
Andersrum funktioniert es auch.
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