andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Donnerstag, 20. April 2006, 16:28
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Geldrechnerei

Manchmal hilft die Mathematik und das logische Denken nicht weiter, das ist mir klar. Zum Verständnis eines komplexen Zusammenhangs muss der “Rattenschwanz“ bekannt sein, der hinten dran hängt. All die Dinge und Bereiche, an die nicht sofort gedacht wird, die aber trotzdem wichtig sind.
Trotzdem ... es fällt mir nicht immer leicht mit Unbekannten zu leben; besonders wenn sie mir groß vorkommen. In diesem Fall sogar besonders groß: Gestern las ich in der Zeitung, dass Nordrheinwestfalen das Schlusslicht in der finanziellen Unterstützung der Schulen ist. Leider versagte sofort mein gesunder Menschenverstand, als ich die angegebenen Zahlen im Gehirn spielen ließ.

Nun ist es nicht so, dass ich nicht mit gewissen Lücken leben könnte. Mein Anspruch alles ganz genau zu wissen ist schon lange geschwunden – und in vielen Fällen habe ich das Verstehenwollen längst aufgegeben. Besonders wenn es um menschliches Verhalten geht ... da herrschen Regeln und eine Eigendynamik, die, sagen wir mal: sehr individualistisch sind.
Nehmen wir etwa die Liebe. Wie schnell fallen da manchmal die magischen drei Wörter und wie schnell glauben wir das, wollen das glauben. Dann aber “verhält“ sich der Andere nicht so, dass es zu der Aussage passen kann, macht Dinge, die eher für ein Desinteresse sprechen oder verletzt sogar. Da merken wir dann irgendwann, dass nicht jeder das Gleiche mit den gleichen Worten meint. – Aber in der Mathematik ist es anders. Da gibt es feste Definitionen, Regeln und Bezugspunkte. Mit NRW und dem Geld für die Schulausbildung sollte es ähnlich sein. Es ist “kaufmännisch“, ein Spiel von Einnahmen und Ausgaben. Feste Größen!
Zuerst ließ ich mich noch verwirren von den Zahlen. NRW gibt also jährlich nur 4600 € pro Schüler aus, Hamburg hingegen 6200 €. Da sehe ich doch gleich ... ja, was sehe ich eigentlich?
4600 € pro Schüler? – Kann ich 4600 € vielleicht falsch definieren? Könnte ich einfach von der falschen Annahme ausgehen, dass dies ein verdammt großer Haufen Geld ist? Meinen die mit EURO vielleicht etwas anderes als ich? Oder definiere ich die Begrifflichkeit “pro Schüler“ falsch?
Ich stelle mir eine normale Schule vor. Fünfundzwanzig Schülerinnen und Schüler pro Klasse (mit glatten Zahlen rechnet es sich gut), ein Schulgebäude, Lehrerinnen und Lehrer, eine Hausmeisterstelle, elektrisches Licht, eine Heizung, Schulbücher ... und eine Verwaltung natürlich. Nun ...
Wie viele Lehrkräfte darf ich pro Klasse rechnen? Was kosten sie? Wie hoch sind die Unkosten? – Alles unbekannte Größen, doch wenn ich mir die Zahlen durch den Kopf gehen lasse, komme ich nach einer leichten Rundung auf ein Jahresbudget von gut 115.000 € pro Klasse. Das sollte doch wohl für einen anständigen Unterricht reichen, oder?

Nun kann ich mir gut vorstellen, dass jetzt die Mahner vorpreschen und mir meine “Milchjungenrechnung“ zerpflücken wollen. Die Rede ist bestimmt schnell auf die Punkte “Sonderförderung“ gebracht, auf besondere Belastungen, auf die Lehrkräfte, die in Pension sind und dennoch bezahlt werden müssen, auf die Schulbuchgremien, die Schulverwaltung, die Lehrerausbildung und und und ...
Trotzdem verstehe ich das nicht. Pro Schüler heißt, dass es egal ist, ob es Grundschule oder Gymnasium ist. Die Klassengröße habe ich sehr freundlich mit 25 gerechnet und über Wirtschaftlichkeit im Sinne eines gewinnorientierten Betriebes habe ich gar nicht nachgedacht. Ich sehe 10.000 € pro Klasse und Monat – und bin verwirrt.
10 % Verwaltung? – Das bedeutet, dass ein Nichtlehrer nichts anderes tut, als neun Andere zu verwalten (und dafür dann ziemlich viel Geld zur Verfügung hat).
10 % Unkosten? – Miete, Strom und so. Für 1000 € bekommt man schon eine hübsche Wohnung ...
10 % Sonderunterstüzunug? – Wenn ich davon ausgehe, dass eins von zehn Schulkindern besonders gefördert werden muss ... Hui.
10 % Sonstiges? – Schulbücher, Sportgeräte und so ein Kram ... Sollte eigentlich reichen.
Da bleiben dann noch gut 6000 € im Monat für die Lehrkräfte, also für diejenigen, die die eigentliche Arbeit tun.

Tja. – Wo ist mein Denkfehler, wenn ich meine, dass das reichen müsste? Vermutlich vergesse ich wieder ganz wichtige Sachen oder schaue zu sehr aus meiner Perspektive auf die Dinge. Bestimmt ist es wie mit der Liebe, wo ich auch immer dachte, dass es doch ganz einfach sei ...

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