andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Donnerstag, 11. Mai 2006, 04:49
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sprich Wort

Letztens habe ich eine interessante neue Metapher gehört. Das Hauptaugenmerk liegt hier bei “neu“, denn in der Regel sind die Metaphern und “Bilder“ etwas angestaubt. Wobei ich nichts gegen Angestaubtes habe, solange es noch benutzbar und verständlich ist.
Aber ganz ehrlich: Was verstehen die Leute denn heutzutage unter so sinnigen Sprüchen wie: „der Krug geht so lange zum Brunnen bis er bricht“? Welches Bild baut sich da in den Köpfen auf? – Ist es mehr als ein kleines Kopffilmchen, in dem eine Art Weinkrug zu einem malerischen Ziehbrunnen getragen wird? Fassungsvermögen des Kruges: maximal drei Liter? Und der Ziehbrunnen besteht natürlich aus einem ringförmigen Mäuerchen (möglichst unverputzter Naturstein), besitzt ein kleines (und romantisches) Satteldach und hat eine Kurbel, mit deren Hilfe das Seil aufgewickelt wird (es ist also ein Haspel- und kein Ziehbrunnen!), oder?
Noch interessanter wäre sicherlich die Frage, was denn dieses Sprichwort genau bedeutet ...
Da müssten “neue“ Metaphern leichter zu verstehen sein. So auch der bildliche Vergleich, den ich hörte. Es geht darin um den Menschen und seinen Kontakt zur Seele:

Die Seele verhält sich zum Menschen, wie ein Computerbenutzer zum Computer. Das Gehirn wäre somit die Festplatte, das Leben nichts als eine virtuelle Bildschirmwelt, die eine “Sitzung“ lang geht (womit auch gleich die unterschiedlich langen Lebenszeiten der Menschen erklärt werden und die Frage umgangen wird, was es denn bedeutet, wenn sich jemand einen neuen Computer anschafft). Egal was dem Computer auch passiert, auch wenn der Kontakt zum User unterbrochen wird, die Seele nimmt keinen Schaden.

Sehe ich den Arbeitsspeicher jetzt als Kurzzeitgedächtnis (was erklären würde, warum nach einem heftigen Absturz keine Erinnerung mehr da ist), so bleibt doch die Frage, wo die Software herkommt? Wer hat sie geschrieben? Wäre es Microsoft, so hätten wir wenigstens auch den Grund für die vielen Abstürze mancher Menschen. Oder für das Hängenbleiben. Oder für die Virenanfälligkeit. Oder oder oder …
Die unterschiedlichen Fähigkeiten der Menschen ließen sich so auch erklären. Der Eine hat halt einen Pentium-1-Prozessor und der Andere schon einen Pentium 4. Oder eine leistungsfähigere Graphikkarte, eine höhere “Denkfrequenz“ (wie viel Her(t)z haben Sie denn?) oder was auch immer. Die Software könnte mit der (Aus-)Bildung verglichen werden. Mancher hat halt nur eine billige Raubkopie aufgespielt bekommen. Grundsätzlich gilt ja, dass der Seelen-User nur das auf den Bildschirm bekommt, was das Programm auch hergibt. Eine prima Entschuldigung.
Sogar die Zeiten lassen sich jetzt begreifen, in denen das Leben so gar nichts bietet, wo immer nur Einerlei herrscht und Langeweile: da ist der User wohl gerade einen Kaffee trinken gegangen oder einkaufen. Oder eine andere Seele ist zu Besuch gekommen …
Auch die unterschiedlichen Neigungen der Menschen … Surft die Seele manchmal nur bei e-bay oder auf irgendwelchen Sex-Seiten? Oder wurde der Computer nur eingeschaltet, um den Weg nach Artern auszudrucken?

Aber soweit will der Verfasser der Metapher gar nicht gehen. Er ist vielmehr religiös motiviert und versucht seine Sicht der Unverletzlichkeit der Seele zu beschreiben. Dabei spielt die Rolle des “Menschen“ natürlich auch noch mit hinein. Obwohl … was denn für eine Rolle? Er ist doch nur ein Werk- oder Spielzeug!
- eigene Entscheidungen? – Null.
- Selbstverantwortung? – Null.
- Menschenrechte? – Völlig unnötig.
- Kontakte zu anderen Menschen? – Einbild(schirm)ung.
- Leben? – Ein Marionettenspiel.
- Liebe? – Eine Tastenkombination.

Also doch nur ein Krug, der zum Brunnen geht! – Wo ist der Stecker zur Tastatur?

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 Owald (11.05.06)
Die Computermetapher ist so neu nicht, wenngleich das mal eine interessante Variante ist. Vor allem aber gefallen mir Deine Schlußfolgerungen. Ich denke, für meine kommenden Abstürze werde ich die Firma Microsoft verantwortlich machen. Die sind eh' an allem schuld.
Liebe Grüße, O.
Ropa (33)
(23.05.06)
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