andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Donnerstag, 18. Mai 2006, 02:22
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Nasensex

Bald ist es so weit. Endlich wird der Mensch eine weitere Stufe zum selbstbestimmten Leben gehen, weg von den auferlegten Zwängen der Natur. Endlich werden die entscheidenden Fesseln gesprengt werden. Die Fesseln, die uns alle unfrei machen: Die Sexualität wird bald frei sein. – Freut Euch!
Viagra war nur der erste Schritt, ein rein mechanischer zudem, der bei vorhandener Lust so man(n)che Hürde bei Seite räumen kann. Doch leider passiert bei den meisten Frauen und bei unlustigen Kerlen nicht viel. Jetzt aber steht die Revolution bevor, denn jetzt sind erste positive Ergebnisse bei den lusterzeugenden Mitteln erzielt worden.
Das Problem ist verzwickt: Allein im Gehirn entsteht die sexuelle Lust. Die Sinnesorgane sind nichts als Zulieferer von Reizen, die die Nervenzentrale aber auch als Reiz annehmen muss. Tut sie es nicht, dann werden keine Botenstoffe ausgeschüttet, die dem Körper beibringen, dass er gefälligst Lust haben muss.
Ein lästiger Filter also, der bis jetzt nicht umgangen werden kann, so dass kein Pornofilm, keine Droge (nicht einmal Kokain), kein romantischer Kerzenlichtabend, kein knisternder Kamin und kein Sellerie einen Erfolg garantieren kann. Wer gestresst vom Tag keine Lust in sich findet– oder andere “Gründe“ vorschiebt – bleibt einfach uninteressiert.
So kann das natürlich nicht weiter gehen. Und da sich die Forscher heutzutage so gut mit der Gehirnchemie auskennen (bei vielen Krankheiten, Wahnvorstellungen etwa, klappt das doch auch!), liegt es doch nahe, dieses Wissen zu nutzen und den Filter einfach zu umgehen. Rein mit den Botenstoffen ins Gehirn, auf dass die Menschen zueinander finden.
Schon im Versuchsstadium sind Nasensprays und Pillen. Nasensprays deswegen, weil das menschliche Geruchsvermögen seine “Messdaten“ direkt ins limbische System feuert. Also direkt in die Gefühlsabteilung im Kellergeschoss, vorbei an den Zensoren wie Erziehung, Prägung, Logik oder Verstand in den anderen Etagen. Sozusagen: voll in die Zwölf.
Außerdem liegen die Nasenschleimhäute sehr nahe am Gehirn (kurze Wege suchen ...) und die Blut-Hirn-Schranke ist dort etwas löchrig. So können einige Botenstoffe auch direkt durchmarschieren.
Schön, nicht? – Bald können die Menschen (die es sich leisten können) aus freiem Willen entscheiden, dass sie in wenigen Minuten oder Stunden Lust haben wollen (vielleicht sogar mit Orgasmusgarantie!). Keine plötzlichen Migräneattacken mehr, keine lästige Erschöpfung nach einem zehnstündigem Arbeitstag: Nasenspray rein und los geht’s.
Zum Glück können wir ja immer vom freien Willen ausgehen. Niemals würde sich jemand zum Sex drängen oder überreden lassen und darum werden diese Mittel auch niemals missbraucht werden. Kommt ja auch so nicht vor, oder?
Wir sind so frei wie wir uns fühlen – und Gefühle sind eine definierbare Ausschüttung von Botenstoffen. Also ist Freiheit endlich definierbar.
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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 Traumreisende (18.05.06)
irgendwie gruselt es mich... die vorstellung... brrrrrr... also wenn wirklich, so werd ich mal lieber für wochen unter die decke kriechen... nicht allein.... aber um vorzuholen, was nachzuholen nicht mehr gehen wird.
lg silvi
Sektfrühstück (41)
(18.05.06)
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 Owald (18.05.06)
Funktioniert das auch bei Heuschnupfen? *Eimer unter Nase stell*
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