andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Mittwoch, 31. Mai 2006, 19:19
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Doch wieder scheibenförmig?

Als Kind wurde mir eingetrichtert, dass sich letztlich immer das “Richtige“ durchsetzt. Das Gute gewinnt, der/die Bessere triumphiert und die Wahrheit kommt ans Licht.
Eine schöne Lebensphilosophie, wie ich finde.
Falsches, Schlechtes und Lügen werden also scheitern ... Ein tröstlicher Gedanke in einer Welt, die so oft ungerecht und unlogisch abläuft, in der Eigennutz neben Desinteresse regiert und in der der Laute meist besser abschneidet als der Stille.
Wenn ich mir die technische Entwicklung anschaue, die technische Evolution sozusagen, dann scheint sich der Lehrsatz meiner Kindheit zu bestätigen. Die Geräte werden besser und bedienungsfreundlicher, immer mehr Plackerei des Alltags wird mir abgenommen und die Möglichkeiten überschlagen sich förmlich. Da stören zwischenzeitliche Murksereien auch gar nicht mehr so, Kabel, die nicht passen wollen, Kameras, die ihre Bilder nur in Verbindung mit bestimmter Hard- und Software preisgeben wollen, Autos, die nur von Spezialwerkstätten repariert werden können ... Bisher entwickelten sich für solche Probleme immer recht leichte Lösungen. Alles wird gut.
Mit der Wahrheit ist das allerdings so eine Sache. Auf die Perspektive kommt es an. “Echte“ und “reine“ Wahrheit will sich einfach nicht einstellen und schon kleine Puzzlesteinchen davon widersprechen dem Bild vom Guten und Besseren.
In den USA, zum Beispiel, streiten die Menschen schon lange darüber, ob die Menschwerdungslehre der Bibel neben der darwinistisch orientierten Lehre unterrichtet werden soll. Manch einer möchte die biologische Sicht sogar verbannen (ist sogar schon an einigen Schulen geschehen) und nur noch alttestamentarische Wahrheiten vorgestellt wissen.
In Deutschland hingegen ist es ja so viel besser (hust-hust). Bayrische Politiker fordern neuerdings eine Modifizierung der Gesetze zum Thema “Gotteslästerung“, weil irgend so ein unbedeutender Fernsehsender eine alberne Zeichentrickserie über eine kindische Papstfigur ausstrahlte. Bald wird es wohl auch wieder Hexenjagden geben und sich endlich der “wahre“ Glauben über das Böse erheben.
Apropos “wahrer“ Glauben ... auch da gibt es noch Diskussionen, denn die garantierte Religionsfreiheit in der Verfassung ist so unverschämt, einfach alle Religionen auf eine gemeinsame Stufe zu stellen. Zum Glück werden da nur “echte“ Religionen geschützt – und Unreligiöse bleiben außen vor. Immerhin kann sich ja nur verletzt fühlen, wer religiöse Gefühle hat.
So kommt es, dass “Fachleute“ noch heute davon reden, dass Menschen nicht aus Affen entstanden wären, sondern nur die gleichen Vorfahren hätten. “Nicht-die-Gefühle-verletzen“, heißt die Devise, die im Zuge der Streitereien um die ersten Veröffentlichungen von Darwin entstanden ist. Die daraus entstehenden Probleme werden ignoriert.
Zuletzt gelesen habe ich diesen Spruch im SPIEGEL (Nr. 21 / 2006) – und geärgert habe ich mich darüber auch. Mit “Affen“ waren nämlich Schimpansen gemeint, eine Menschenaffenart also. Sofort fielen mir so weichgespülte Zitate wie: „... Zu den Primaten werden Halbaffen, Affen und Menschenaffen gezählt, aber auch der Mensch ...“ aus den 70‘er-Jahren ein, die vor Krummheiten nur so strotzten. Jeder würde eine Aussage wie: „... Zu den Automobilen werden Lastkraftwagen, Personenkraftwagen und Mercedes-Benz-Fahrzeuge gezählt, aber auch der Mercedes 280 SLK ...“ (Beispiele aus anderen Bereichen können auf Wunsch nachgereicht werden) belächeln, - nur in der Biologie ist es gängige Praxis.
Fragen Sie sich jetzt: Sind die Menschen also doch aus Affen entstanden? – Nun ... wie soll man darauf antworten, ohne religiöse Gefühle zu verletzen? – Frauen wurden natürlich aus einer (männlichen) Rippe geschnitzt und Männer nach dem Vorbild Gottes geformt.
Primaten heißen im Deutschen Herrentiere und gliedern sich in zwei Unterordnungen – Halbaffen und Affen – auf, von der Letztere mehrere Familien besitzt, zu der auch Pongidae (= Menschenaffen) gehört. Somit sind natürlich alle Vorfahren dieser Familie auch immer Affen gewesen, nur halt aus einer (vielleicht) primitiveren Familie; davor mögen sie zu den Halbaffen gehört haben oder zu so etwas wie “Urspitzhörnchen“. – Nur der Mensch fällt selbstverständlich aus der Reihe heraus und betrat als göttliches Geschöpf unsere scheibenförmige Erde. In acht Tagen werden wir wieder die Beweise dafür sehen, in Deutschlands Fußball-Stadien (in Blatter-Deutsch: Fussball-Stadien) und auf den Straßen (Blatterisch: Strassen?).
So erklärt sich auch von selbst, warum am Ende immer das Gute gewinnen, der/die Bessere triumphieren und die Wahrheit ans Licht kommen muss: Weil wir einfach anders sind.

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag

Ropa (33)
(01.06.06)
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