andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Mittwoch, 07. Juni 2006, 20:12
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Durchblick mit der Röttgen-Brille

Erinnert sich noch jemand an die Röntgen-Brille? – Nicht?
In den 60‘er und 70‘er Jahren wurde dieses besondere Teil stark beworben; besonders in so anspruchsvollen Literaturgattungen wie Superman- und Batman-Heftchen. Gleich neben dem Nasenhaarentferner und kleinen Instant-Wassermenschen.
Mit der Brille sollte man(n) in der Lage sein, durch bestimmte Dinge hindurch zu schauen (vorzugsweise: die Kleidung von Frauen), um die wahre Natur hinter versteckender Hülle zu erkennen. Ein wunderbares Werkzeug für den Hobby-Detektiv (sprich: Spanner).
Ich will jetzt nicht behaupten, dass diese Röntgen-Brille funktioniert oder nicht funktioniert hätte. Es wurde ja nicht versprochen, dass man(n) den Bauchnabel eines Menschen durch zwei Schichten Kleidung sehen könne, sondern den korrekten Körperumriss – und das schafft an sonnigen Tagen schon das Gegenlicht. Der Nasenhaarschneider funktionierte auch irgendwie und die Instant-Menschlein schwammen nach Wasserzugabe als Salz-Krebschen durchs Aquarium ...
Außerdem entsprachen all diese Produkte dem Zeitgeist. Technik sollte das Leben nicht nur leichter machen, sondern auch neue Möglichkeiten eröffnen, neue Sichtweisen bringen. Und wenn Röntgenstrahlen sogar Tumore an Organen fanden, was sprach da gegen einen weiteren Einsatz? Superman hatte ja auch diesen Röntgenblick!
Heute kann man das kaum noch nachvollziehen, weil heutzutage natürlich nichts mehr Zeitgeist ist. Die Menschen können wesentlich leichter das Machbare von dem Unmöglichen trennen. So auch Norbert Röttgen.
Norbert Röttgen ist Mitglied im Bundestag und CDU-Mitglied ist er auch. Da er diese zwei Sachen so gut geschafft bekommt, hat er sich gedacht, dass er dem Vorbild seiner Parteifreunde folgen und eine weitere Funktion übernehmen kann. Zufällig war gerade eine Stelle als Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie frei und da Röttgen den “Geist der sozialen Marktwirtschaft“ eh in seine Politik einfließen lassen will ...
Es ist eine gute alte Tradition in der CDU, dass es solche Querverbindungen gibt. Christdemokraten sind ja auch keine Sozis, die durch die Nähe zu Gewerkschaften korrumpiert werden, - Christdemokraten können Funktionen trennen – und niemand kann ihnen vorwerfen, dass sie sich im Mandat überarbeiten. So will auch Norbert Röttgen bis 2009 im Bundestag bleiben und gleichzeitig den Job für die BDI machen. Das macht ihn doch nicht zum Lobbyisten.
Ich denke, ich bestelle mir die Röntgen ... ähm ... Röttgen-Brille einfach mal. Ohne sie bekomme ich doch sonst vielleicht den falschen Eindruck.

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag

Ropa (33)
(01.07.06)
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