andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Donnerstag, 06. Juli 2006, 04:26
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9 + 1 = 8 ?

„Zehn kleine Negerlien ...“ heißt es in einem Kinderabzähllied – politisch zwar nicht korrekt, aber wie es weiter geht, strahlt auch nicht von humanitären Erziehungsidealen. Die zehn Ne ... ähm ... Schwarzafrikanerchen? Afro-Europäerlein? Dunkelhäutige Kinder? ... nun gut ... diese Zehn werden in dem Lied jedenfalls immer weniger (um das mal freundlich zu umschreiben). Das mag tragisch wirken oder spielerisch, nicht aber unnormal. Würden sie hingegen an Zahl zunehmen (und nicht neun Monate dafür brauchen), dann wäre es unnormal.
Anders sieht es bei den großen Dingen aus, Bergen zum Beispiel. Da ist eine “Zunahme“ normaler, als eine Abnahme. Niemand erwartet, dass ein Fluss verschwindet (wenigstens ein trockenes Flussbett bleibt doch immer) oder ein Vulkan plötzlich weg ist (na ja, auch da bleiben Spuren ...), aber neu entstehen können sie – oder entdeckt werden.
Bei ganz großen Dingen aber ...
Kann ein Gebirge heutzutage übersehen werden? Oder ein zweiter großer Mond, der um die Erde kreist? Oder ein weiterer Planet in unserem Sonnensystem?
Im Altertum kannten die Menschen nur fünf Planeten, zählten allerdings unseren Mond als Nr. 6 und unsere Sonne als Nr. 7 hinzu. Da sich alles um die Erde drehte, entwickelte sich daraus die Astrologie. Mit der besseren Technik (und Mathematik) kam 1781 zu den jetzt sechs Planeten der Uranus dazu, 1846 der Neptun und 1930 der Pluto. Nicht lange danach kam der pfiffige Merksatz: “Mein Vater erklärt mir jeden Samstag unsere neun Planeten“ auf. Ein schönes Verfahren, um sich sowohl die Anzahl, als auch die Reihenfolge anhand der Anfangsbuchstaben in Erinnerung rufen zu können.
Damit hatten die Astrologen meines Wissens nichts zu tun, aber auch sie passten ihr System den neun Planeten an. Spätestens nach den Mondflügen, der Eroberung des Weltalls, schien jede große Veränderung unmöglich.
Große Objekte, vielleicht. – Aber Planeten?
Orcus ist groß, Ceres und Sedna auch. Die Drei schafften noch ein Aufflackern der Diskussionen um einen zehnten Planeten, aber sie sind deutlich kleiner als Pluto und besitzen keine eigenen Monde.
Doch dann kam sie. Die große Fernsehheldin, die in ihrer knappen Bikinirüstung mit Eisen-BH in jeder Folge ihrer Serie das Böse platt macht. Jetzt plättete sie Vorstellungen: Xena. Und sie brachte gleich noch ihre tapfere Gefährtin Gabrielle mit.
Gut, gut ... Xena ist der Scherz- oder Arbeitsname von 2003-UB-313, aber sie ist wirklich groß. Mit etwa 3000 km Durchmesser sogar größer als Pluto (ca. 2300 km) – und sie hat einen eigenen Mond. So hat sie die gleichen Rechte Planet genannt zu werden.
Damit können sich Naturwissenschaftler gut abfinden, nicht aber mit den anderen Größen (wie: Umlaufbahn etc), die vielleicht auch zur Definition eines Planeten gehören müssen (man bedenke, dass unser Mond mit 3500 km Durchmesser auch größer als Pluto ist, der Jupitermond Ganymed ist sogar größer als Merkur!). Unumstritten als Planet ist Pluto nicht – und es mag da draußen gut und gerne mehrere Dutzend weitere Brocken seiner Größe geben.
Der arme Merksatz! – Schon jetzt fällt mir nichts schöneres als: “Mein Vater erklärt mir jeden Samstag unseren netten Planeten Xena“ ein. Was mag da erst noch kommen?
Die Astrologenriege darf schon mal Überstunden einplanen. All die neu zu erstellenden Horoskope. Die wichtigen Bedeutungen von Xena, die ausgedacht werden müssen: Bei der “Kriegerprinzessin“ der Fernsehserie drängt sich doch das kämpferisch-weibliche Prinzip geradezu auf. Da winken der Sterndeuterei sicherlich Millionen. Und sie ist es ja gewohnt, den neuesten Kenntnisstand zu verwursten: Uranus, Neptun und Pluto wurden voll integriert, ohne dass auf die jahrtausendealten “Wurzeln“ der Lehre verzichtet wurde.
... und wenn sich dann die Astronomen darauf einigen, dass Xena nicht ... und Pluto auch nicht mehr?
Singen dann die Kinder: „Zehn kleine Planetenlein ...“?

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 Nicht registrierter Nutzerentblaettert (06.07.06)
Das. Ist eine Kolumne. Endlich mal. Bestes, a.
Ropa (33)
(20.07.06)
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Ropa (33)
(25.08.06)
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