andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Mittwoch, 22. November 2006, 18:43
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Bin ich schon drin?

„Guten Tag …” – eine Automatenstimme plappert los, weiblich, angenehmer Klang, völlig emotionslos – “… Bitte sagen Sie mir zuerst, um was es geht …“ – ich stocke das erste Mal, stolpere über die ich-Form des Telefon-Automaten, verpasse die nächste Ansage, lege auf und versuche es noch einmal.
„Guten Tag …“ – Alles von vorne. Eine lange Ansage, die aber die weitere Vorgehensweise nur streift. Als schon-lange-nicht-mehr-Telekomkunde rechne ich mit der Nummerneingabe, nicht aber mit einer Stimmerkennung.
„… Beratung … Nachfrage zu einem Auftrag … Rechnung oder Störung …“. – Ich stottere mir ein „Störung“ zusammen, da ich nicht weiß, was es sonst sein sollte.
„Ich habe sie nicht verstanden. Bitte wiederholen Sie …“. – Ich wiederhole.
„Ich habe sie nicht verstanden. Bitte wiederholen Sie …“. – Jetzt sage ich sehr klar und etwas lauter.
„Ich habe sie nicht verstanden. Bitte wiederholen Sie …“. – Noch einmal spreche ich das Wort aus; noch lauter, als würde es dadurch besser.
Es wird besser. Seltsam.
„Handelt es sich um den Anschluss, von dem Sie gerade sprechen …“. – Eine hoch intelligente Frage, wenn der Begriff Störung zur Auswahl steht. Aber es ist ja die ehemalige Störungsstelle der Telekom, die sich neuerdings Kunden-Hotline für Privatkunden nennt. Eine Art Weitervermittlungsstelle.
Mein „Nein“ wird kommentarlos entgegen genommen. Ein Indiz dafür, dass es verstanden wurde.
„Bitte geben sie Telefonnummer des Anschlusses an, bei dem eine Störung vorliegt …“
Ein lustiges Spiel beginnt: ich nenne die Telefonnumme, die Stimme nennt eine Fantasienummer. Es schaukelt sich langsam zum Besseren, rudimentär erinnert die Zahlenkolonne an die Nummer meiner Eltern.
Gut, es fehlt mal die eine oder andere Zahl oder es tauchen plötzlich drei Einsen hintereinander auf. Auch die fast zwanzigstellige Nummer zwischendurch macht einen soliden Eindruck: Pentagon, Durchwahl zur Kanzlerin, Zeitansage von Hawai … irgendetwas in dieser Richtung.
Nach dem vielleicht zehnten Fehlversuch gebe ich auf. Es reicht mir.
Also ins Internet … Datenabfragen, die ich nicht beantworten kann, nicht will oder die ich nur falsch angeben kann. Immerhin geht es nicht um meinen Anschluss und meine Eltern kennen das Internet nur als Buh-Gespenst.
… ähm …
Endlich die Texteingabe. Die Freundlichkeit ist mir inzwischen vergangen, zu Ironie bin ich auch nicht mehr fähig, ein wenig Sarkasmus ist noch übrig. So erkläre ich, dass meine Eltern von der Telekom eine Mail-Box bekommen haben, die nach dem fünften Klingelton anspringt. Ein freundliches Geschenk, möchte man meinen, doch leider kann die Mail-Box nicht abgerufen werden. Der Grund dafür ist sehr schnell erklärt: Meine Eltern wissen nichts davon.
Mehr noch: mein Vater erklärte mir klipp und klar, dass sie so etwas nicht hätten, nie geordert hätten und nie haben wollten: „Einen Anrufbeantworter brauchen wir nicht. Wir sind ja meistens zu Hause und nach dem dritten Klingeln dran …“ – Leider stimmt das zur Zeit nicht. Meine Mutter liegt im Krankenhaus und mein Vater besucht sie sehr häufig. Zumindest ihr Sohn hatte darum schon Dutzende Mal die Mail-Box an der Strippe.

Offenbar ist es bei der Telekom nicht üblich E-Mails zu beantworten, die von Nichtkunden geschickt werden. Einige Tage warte ich, doch es ist zu dringend für lange Fristen.
Also wieder die Automatenstimme … Kunden-Hotline …
Diesmal klappt alles beim ersten Anlauf. Spreche ich heute deutlicher? Hat jemand dem Automaten die Ohren durchgespült? Habe ich eine bessere Leitung erwischt? – Schon nach einer Minute bin ich mit einem Menschen verbunden. Hui. Das ich das noch erleben darf.
„Natürlich kann ich die Mail-Box abstellen. Oder soll ich sie auf eine Handy-Nummer umschalten?“ – Vor lauter Freundlichkeit bricht mein aufgestauter Zorn zusammen. Trotzdem bleibt ein wenig Zorn zurück. Zu oft habe ich mich in diesem Jahr über die Telekom ärgern müssen, denn ich habe festgestellt, dass ein Unternehmen, das “intelligente“ IT-Systeme vertreiben will, nicht einmal selbst darüber verfügt (was für eine Werbung!). Verstirbt ein Kunde, so wird diese Information nur an einer einzigen Stelle gespeichert. Niemand hält es für nötig, dass diese Information alle Abteilungen erreicht (das ist im Zeitalter vernetzter Computer auch ziemlich schwierig, nicht?). So gehen fleißig Werbungen raus, Nachfragen an den “ehemaligen“ Kunden, Einladungen an den “ehemaligen“ Kunden oder „Kommen Sie doch mal in einem unserer Service-Stellen vorbei …“-Briefe flattern ins Haus. Natürlich wird die entsprechende Leitung auch erst bei Nachfrage abgeschaltet, falsche Rechnungen folgen …
Wenn man einen Menschen erreicht, einen echten Menschen, also etwas, das bei der Telekom mehr und mehr abgebaut wird, so geht es oft besser. Manchmal kommt auch ein: „Da kann ich nichts machen, so funktioniert das halt.“. Es ist frustrierend, aber auch ein wenig tröstlich, wenn es von einem Menschen aus Fleisch und Blut gesagt wird.



"Wir müssen in vielen Bereichen schneller reagieren, freundlicher sein - und eine kundenorientiertere, einfachere Sprache finden", - O-Ton von René Obermann, dem neuen Vorstandschef der Telekom zur BILD-Zeitung.
Herr Obermann? – Ich wüsste da ’was …



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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag

Symphonie (73)
(23.11.06)
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wupperzeit (58)
(23.11.06)
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