andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Mittwoch, 29. November 2006, 16:36
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entwurzelt?

In der letzten Zeit hieß es wieder sehr häufig: „Zurück zu den Wurzeln!“. Gemeint ist damit die Entfremdung der deutschen Kultur und der Verlust der christlich geprägten Fundamente unserer Gesellschaft. Ziellos irren die Deutschen durch das Leben, haltlos, ohne Bewusstsein für die Geschichte und Zeit, ausgeliefert den aussagelosen Anglizismen (sie sind böse, böse, böse …). Ja, auch die deutsche Sprache ist in Gefahr!
Front wird gegen den Islam gemacht, gegen den Amerikanismus, gegen den Globalismus, gegen jede Beeinflussung von außerhalb. Die Deutschen: ein Inselvolk. Schon immer.
Natürlich ist es die christlich deutsche Kultur, die uns über die Jahrhunderte geprägt hat, das weiß doch jeder. Überall strömt es uns entgegen, an jedem Tag, in jedem Monat. So auch im Dezember.
Dezember, Dezember … hört sich nicht … Ach ja, das kommt noch von den Römern, die ihre Monate durchnummeriert hatten. Gregorianischer Kalender und so … Oder war es der julianische Kalender? Auf jeden Fall christlich geprägt und nicht …
Dumme Falle. Das Problem mit den Wurzeln kennen wir ja aus dem Garten: sie sind immer tiefer als man glaubt. Die alten Römer, - also die wirklich alten Römer, weit mehr als 2800 Jahre zurück, - hatten einen Kalender mit zehn Monaten (nicht zwölf) und nummerierten die Monate durch. Aber sie nahmen nicht 36 oder 37 Tage pro Monat an, wie es rechnerisch logisch gewesen wäre, sondern etwa 30 Tage. Warum? – Na, weil der Mond in etwa 29 ½ Tagen …
Das wirkt nicht sehr christlich, so ein Mondkalender. Ist es auch nicht.
Da das römische Zehnmonatejahr nur (vermutlich) 304 Tage lang war, mussten die restlichen 60 Tage irgendwie ergänzt werden (über das “wie?“ streiten die Experten). Das hört sich weder sehr praktisch, noch sehr einfach an und führte vor etwa 2700 Jahren zur Einführung des Zwölfmonatejahres.
(für die, die es genauer wissen wollen: Selbstverständlich hielten sich die Römer dabei weitgehend an den Mond und kamen jetzt auf eine Jahreslänge von 355 Tagen. Und dafür kennen wir den Rechentrick: den Vierjahresrhythmus: im ersten Jahr 355 Tage, im zweiten Jahr 377 Tage (nach dem 23. Februar wurden 22 Tage eingefügt), im dritten Jahr 355 Tage und im vierten Jahr 378 Tage (diesmal 23 Tage nach dem 24. Februar). So hatte der neue Monat gleich einen doppelten Zweck und wurde dieses “Ausgleichen“ auch nicht mehr los; bis in die heutige Zeit …)

Wurzeln und Traditionen stecken tief. Und dort (wo sie stecken) ist es dunkel.
So haben wir in unserem ach-so-deutschen und ach-so-christlichen Jahreslauf vier lateinisch gezählte und zwei nach römischen (und nicht christlichen) Kaisern benannte Monate (Juli und August). Der Rest hingegen …
Nun … Traditionen halt! – Mars, Juno und Janus waren für die Römer wichtige Götter. Bei Maia gehen die Meinungen auseinander, denn schon zu Cäsars Zeit (Namensgeber des Julianischen Kalenders) war das Wissen über die alte Muttergöttin in Vergessenheit geraten. So mutmaßten die alten Römer über dieses “Wurzelproblem“: Nannten sie ihren höchsten Gott nicht juppiter maius? Konnte der Monat Mai nicht daher seinen Namen haben? – Nicht erst wir schlagen uns mit der Herkunft von Worten herum.
Zumindest beim Februar war es klar. Der Februarius (Februum), ein bedeutendes Fest der Reinigung und Sühne (Wortsinn), dem Faun geweiht, fand traditionell im Februar statt. Nun gut, es gibt da auch noch die Fiebergöttin Februa … oder war es wieder Juno? … ähm …
Und der April? – Da herrscht besonders viel Dunkelheit im Wurzelbereich. Bedeutung und Herkunft sind ungeklärt. Etruskisch? Griechisch? Nach dem Fest Parilia (21. April) der Göttin Pales? Eine Buchstabenverschiebung also? – Egal was da auch vermutet wird: es bleibt eine abgebrochene Wurzel., hohl und inhaltsleer. Wir könnten den April auch Blubb nennen.

Ach je! – Zum Glück haben wir nicht die römische Woche übernommen, die hatte nämlich acht Tage und begann mit dem Nundinae. Obwohl … ein Nun-Tag würde mir gefallen.
Stattdessen wurde die orientalische Siebentagewoche übernommen (wieder andere Wurzeln, herrje) und die urdeutschen Namen nur für den Mittwoch (früher nach Wotan benannt) und Samstag (früher nach Saturn …) geändert. Thiu, Thor (Donar), Freya … Hoppla! Das sind ja wieder unchristliche Gottheiten. Mond und Sonne dazu, den Sabbat noch, - einmal umgerührt (oder geschüttelt), - in die Mitte ein deutsches Schirmchen gesteckt … Fertig ist der Wochen-Cocktail. Prost!
Die deutsch-christliche Kultur ist in Gefahr, seit vielen hundert Jahren. Wir müssen zurück zu den Wurzeln …

Aber nicht zu tief graben, bitte, wir könnten Antworten finden …

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