andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Donnerstag, 01. März 2007, 04:51
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Sieger sein

Es ist offensichtlich, dass unsere Welt so komplex geworden ist, dass die meisten Menschen nicht nur den Überblick verloren haben, sondern sich auch gar nicht mehr um ihn bemühen. Auf eine kleine (und harmlos gemeinte) Frage stürzen Unmengen von Antworten auf einen ein. Jede davon mit dem Anspruch auf Wahrheit – und garantiert im Widerspruch mit den anderen.
Was sollen wir da nur machen? – Zumindest über den kleinen Raum um uns herum brauchen wir doch einen Überblick, damit wir nicht orientierungslos herumstolpern. Die Anerkennung von anderen Menschen brauchen wir auch, wahrgenommen wollen wir werden, Freunde finden, vielleicht auch den einen oder anderen Menschen nahe kommen. Schwierig, nicht?
Zuerst müssen wir filtern lernen: Unnötiges ausklammern und Wichtiges mitnehmen. Niemand erwartet, dass wir einen Computer genau erklären können oder die Bauteile eines Autos kennen (außer es ist unser Job). Wir müssen damit umgehen können.
Ähnlich funktioniert das mit anderen Fragen unseres Lebens, aber bei den nicht praktisch bezogenen Fragen helfen Filter nicht mehr weiter. Hier brauchen wir plausible, anerkannte und verbreitete Antworten, damit wir nicht alles selber herausfinden müssen, Gemeinschaft finden und Sicherheit empfinden. – Nein, ich spreche jetzt nicht auf Religion oder Moral an. Soweit will ich gar nicht gehen.
Es geht um Gesprächsthemen, Vergleiche und Wertungen im normalem Alltag. Um die Sachen, die uns auch dann umgeben, wenn wir uns nicht dafür interessieren und in der Einstufung auch dann schwierig bleiben, wenn wir uns intensiv dafür interessieren: Musik, Fernsehen, Essen, Sexualität …
Schaffen wir es noch, uns in jedes Thema selber einzuarbeiten? Können wir die Antworten durch lesen, suchen oder probieren finden? Und wenn ja: wollen wir uns beim Lesen, Suchen und Probieren nicht auf einige wenige Fragen konzentrieren? (ich meine natürlich das Essen)
Selbstverständlich müssen die Ergebnisse geeignet sein, dass wir mit ihnen nicht bei anderen Menschen gegen die Wand laufen. Solches Wissen hält uns ab Musik zu hören, zu fernsehen, zu essen und zu …

Also von den schönen Dingen.

Zum Glück denken unsere Mitmenschen mit und geben uns die fehlenden Ergebnisse, die in der heutigen Zeit besonders wichtig sind und die wir nur schwer finden können. Im Netz helfen Google und Wikipedia, doch ist das entscheidende Wissen unter lästigen Details verborgen. Wir verlieren Zeit dabei.
Nützlicher sind die Ranglisten. Hier wird geballt vermittelt, was wir wissen wollen. Die beste Musik? – Bitte schön: die 100 schönsten Melodien, die 100 meistverkauften Hits, die 100 erfolgreichsten Bands, die 100 besten Alternativen Alben, die 50 beliebtesten Weihnachtslieder … alles da. Auch für das Gegenteil: die 100 nervigsten Sommerhits, deutschen Lieder, Musiker …

Lebenshilfe leicht gemacht! Keine Sorge mehr, ob der eigene Geschmack in Ordnung ist. – Für fast jedes Thema findet sich eine Rangliste: die 100 nervigsten Deutschen, die 100 Top-Business-Blogs, die 100 besten Plakate, die 100 wichtigsten Jazz-Standards, die 100 Prinzipien für erfolgreiche Gestaltung, die 50 besten Kalorienkiller, die 100 besten Restaurants, die 100 härtesten Testfragen, die 100 besten Arbeitgeber im Mittelstand, die 100 besten Wildlife-Fotos, die 100 häufigsten Probleme bei windows …
Nun gut … nicht jede dieser Listen ist wirklich wichtig. Aber zumindest haben kluge Köpfe eine objektive Bewertung abgegeben. Müssen wir denn alles verstehen oder benutzen können? - Die 100 besten Franchise-Systeme? Die 100 besten Guerilla-Marketing-Ideen? Die 100 häßlichsten Plattencover aller Zeiten? Die 100 schönsten Bauwerke Norddeutschlands? Die 100 goldenen Hip-Hopper-Regeln? 50 Dinge, die man beim Sex NICHT sagen sollte?

Schöne neue Welt. Keine vagen Angaben aus einem 2000 Jahre alten Buch, das nicht einmal zum Internet etwas zu sagen hat. Keine Antworten von Erziehungsberechtigten, die Pink für eine Farbe halten. Kein Geschwafel von Lehrern oder “Fachleuten“, sondern konkrete Fakten, damit wir vorne mitschwimmen können.
Was macht einen Mann aus? – 100 Dinge, die jeder Mann beherrschen muss.
Wie sollte eine Frau sein? – Schönheits- und Verhaltenstipps für Frauen (beherrschen müssen die nichts).
Wie soll ich leben? – Die ultimativen Tipps für ein glückliches Leben.
Wie sollte mein Traumpartner sein? – Die 50 heißesten Sängerinnen, die 100 begehrtesten Männer, die 100 attraktivsten Frauen, die 50 idealsten Schwiegersöhne.

Über das “Wer?“ und “Was?“ müssen wir also nicht mehr selber nachdenken. Bleibt noch das “Wo?“ … aber auch dafür gibt es Antworten. Etwa: 50 Fragen und Antworten zu Wasserbetten

Mir reicht’s.



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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag

Ropa (33)
(01.03.07)
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 Owald (01.03.07)
Tja. Man sollte mal eine Liste der 100 wichtigsten Ranglisten erstellen, finde ich. Hehe.
Beste Grüße, Owald.
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