andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Donnerstag, 19. April 2007, 05:56
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sprüchig

Es heißt, dass Geld die Welt regiert. Aber es wird auch gesagt, dass nicht Waffen töten, sondern Menschen. – Und schon sehen wir eines der typischen Probleme unserer vielgeliebten Kurzweisheiten: sie sind genauso unvollständig, wie sie kurz sind.
In den USA war mal wieder ein Schulmassaker, das durch die Schusswaffen erst möglich wurde. Niemand kann behaupten, dass ein Schüler mit einem Kaffeelöffel den gleichen Schaden hätte anrichten können. Der ganze Sinn eines Werkzeugs ist nun einmal die Erhöhung der Leistung. Darum wurden Mühlen konstruiert, Fließbänder erfunden und Waffen perfektioniert; jedes Werkzeug zu einen bestimmten Zweck (und der besteht bei Schusswaffen nicht darin Zielscheiben zu durchlöchern).
Allerdings bedeutet dies auch, dass Waffen das Töten nur erleichtern, im Menschen also das Potential dafür vorhanden ist. Sicherlich keine schöne Vorstellung. Viel angenehmer ist doch die Vorstellung, dass wir gut oder böse sind – und nicht beides gleichzeitig (oder abwechselnd?).

Egal … es verwirrt nur, wie es so viele andere Weisheiten und Alltagssprüche auch tun. Das älteste Gewerbe der Welt etwa. Sex für Geld, ja klar, das war bestimmt das erste Gewerbe. Und die Münzen – bzw. das Tauschgut – sind vom Himmel gefallen.
Mag jemand vielleicht mal darüber nachdenken, warum die Prostitution diese Umschreibung verpasst bekommen hat? Könnte es nicht eine Entschuldigung dafür sein, dass sie geduldet wird? – So nach dem Motto: “das hatten die schon gaaanz früh, das muss einen Grund haben“ oder kurz: “das erste Gewerbe können wir doch nicht verbieten …“. – Ähnlich funktioniert das auch mit modernen Alibis, wenn wir in Deutschland zum Beispiel die unmenschlichen Zustände durch die Anerkennung der Prostitution als Beruf in den Griff bekommen wollen. Frei nach der Devise: “der Markt regelt das schon“. Oder sollen es die Arbeitsgerichte richten?

Dagegen ist die Frage “was war zuerst da, das Huhn oder das Ei?“ keine schwere oder gar unlösbare Aufgabe, sie wird uns nur als solche vorgegaukelt. Schon vor tausenden von Jahren wussten die Bauersleute, dass aus einem Muttertier nicht nur Nachwuchs der eigenen Rasse kommen muss. Wolfshunde, Maultiere, Maulesel, Mischlinge aus Wild- und Hausschwein, gefangene Fische, die nicht genau einer Art zugeordnet werden konnten, sondern eine Mischung aus zweien waren. Die botanischen Beispiele erwähne ich nicht einmal.
Und dass Hühner kein Monopol aufs Eierlegen haben, war nicht nur Gänsezüchtern bekannt …

Doch viele Weisheiten halten sich aus Gründen in der Erinnerung, die wenig mit Weis- oder Wahrheit zu tun haben. Hoffnung ist einer dieser Gründe (oder glaubt jemand wirklich, dass die Feder mächtiger als das Schwert ist? Immerhin kann der mit dem Schwert leicht eigene Federn anstellen. Und in der direkten Konfrontation … ja, ja … Federn machen sehr hässliche Wunden …).
Erziehung ist ein weiterer Grund. Oder besser: Normierung (gerne mit der Verdammung der Außenseiter). Jeder ist seines Glückes Schmied, Müßiggang ist aller Laster Anfang … klar. Niemals hindern uns äußere Gründe am Glück, immer ist es der innere Schweinehund.
Dadurch wurde unseren Vorfahren mehrmals täglich der richtige Umgang mit dem eigenen Leben eingebläut (kontrolliert übrigens von Menschen, die gar nicht merkten, dass Müßiggang und Kulturfortschritt miteinander verknüpft sind und Glück oft durch die standesgemäße Geburt vorgeschmiedet wird). Heute funktioniert das natürlich nicht mehr, wir sind ja viel zu … ähm … geBILDet … ähm … klug dazu. Uns verkauft niemand fremde Weisheiten. Apropos “verkaufen“ … War da nicht noch ’was?

Ach ja, Geld regiert die Welt. – Verdammt, das ist so ungerecht! – Wenn da nur Menschen hinter stecken würden, dann könnten wir etwas ändern. Aber diese bösen Börsenkurse, die Firmenpolitik, der Kapitalmarkt … alles von Menschen unabhängige Größen, die nur nach sachlichen Mechanismen arbeiten.

Apropos “unabhängige Größe“. Schon gehört, dass Helmut Kohl den Nobelpreis anstrebt?
Nein, - nicht für die Erforschung der Krümmung des Schwarzgeld-Raumes oder für seine bahnbrechende Interpretation des Begriffs Amtseid. – Den Friedensnobelpreis will er.

Gut, er hat auch keinen Krieg geführt ...

Bekomme ich den Friedensnobelpreis dann auch?



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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 AlmaMarieSchneider (19.04.07)
Mit recht spitzer Feder geschrieben -gefällt mir.
Natürlich bekommst Du KEINEN Friedensnobelpreis. Gerade deswegen wieder einmal disqualifiziert.
Die Karawane zieht weiter, so ist das eben.

 Maya_Gähler (19.04.07)
Hier in der Schweiz muß man(n) sich noch nicht einmal eine Waffe kaufen oder auf irgendeinem Weg organisieren... Hier bekommt jeder Wehrpflichtige eine Waffe incl. Munition, die er zuhause aufbewahrt. In der letzten Zeit häufen sich hier Vorfälle, dass immer mehr Männer ihre Militärwaffe für Suizid oder Mord der Partnerin und/oder Kinder benutzen. Oder Jugendliche, welche die Waffe des Vaters benutzen um mal zu probieren, wie das so ist...
Nun ist eine Diskussion entbrannt, ob man es verbieten sollte, dass die Militärwaffen zuhause aufbewahrt werden. Andere sprechen sich dafür aus, Militärwaffe ja, Munition nein oder umgekehrt. Natürlich werden da auch Stimmen laut, wer töten will tut dies auch so, ob Waffe zuhause oder nicht. Und außerdem kann man doch der Schweiz nicht ihren Stolz nehmen, dass sie eine Armee hat, welche am schnellsten im Ernstfall gerüstet ist... ja ja... was soll man dazu noch sagen?
Schweigen bringt jedenfalls noch weniger...
Armee und Stolz hin oder her... ich wäre froh, ich hätte die Armeewaffe meines Sohnes nicht in der Wohnung... Nicht, weil ich meinem Sohn nicht traue... einfach nur das Gefühl, so was steht in meiner Wohnung, läßt mir immer wieder Schauer über den Rücken laufen und die sind alles andere als wohlig.....
dein Text hat mich sehr nachdenklich gestimmt... sind wir Menschen wirklich so oberflächlich?
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