andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Donnerstag, 24. Mai 2007, 05:23
(bisher 1.596x aufgerufen)

vom Winde verweht

„In Borken soll ein Feld untergepflügt werden,“ geistert es durch die Medien. Dabei handelt es sich nicht um ein normales Feld (dafür bräuchten wir ansonsten ein 24-stündiges Radioprogramm alleine), sondern um ein Maisfeld. Genauer gesagt: um ein Feld mit transgenem Mais der Firma Monsanto, weil die Abstandsflächen nicht eingehalten wurden.
Nun kennen wir alle die leidigen Diskussionen zu diesem Thema, Abstandflächen aber eher aus dem Handbuch für Häuslebauer. Ist das nicht der Abstand zum Nachbargrundstück, der beim Bau des Hauses oder der Garage eingehalten werden muss; bzw. beim Pflanzen eines Baumes? – Genau darum geht es auch beim sogenannten Gen-Mais: der Abstand zu den Nachbarfeldern.
Wichtig ist das, weil es den Sortenschutz gibt (eine Art Urheberschutz für Zuchtpflanzen), der nur dem Käufer eines Saatguts erlaubt die entsprechende Maissorte zu vermarkten (ansonsten wär’s ein Plagiat) und gleichzeitig viele Käufer keinen Mais kaufen, der genveränderte Körner enthält (eine Art P18 für Nutzpflanzen).
Leider stören sich die Pollen einer Pflanze aber nicht an den Besitzverhältnissen der Menschen. Besonders die windbestäubten Arten vermehren sich nach dem Prinzip “viel hilft viel“ und können problemlos mehrere Tausend Pollen je Blüte abgeben – oder in den Wind schießen, wenn man so will.

Mais ist so eine windbestäubte Pflanze.

Stellt sich die Frage: wie weit fliegt denn der Pollen und wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit für eine Befruchtung? Und da scheiden sich die Geister.
Als sicher gilt, dass die Befruchtungsrate auf eine Entfernung bis 10 Metern am größten ist und dann bis 50 Metern stark abnimmt. Danach schwindet die Wahrscheinlichkeit einer Fremdbefruchtung so rapide, dass die Abstandsfläche auf 150 Meter festgesetzt wurde, obwohl Pollen auch in 100 Kilometern Entfernung von der Mutter(Vater-?)Pflanze gefunden wurden. Die Biologen nennen das Schrotschussdynamik (und ja: manchmal haben sogar Biologen Ansätze von Humor).
Bedenkt man jetzt noch, dass unterschiedliche Sorten nicht gleichzeitig blühen müssen (das Ziel für den Schrotschuss auf größere Distanz also gar nicht aufgestellt sein muss …), ergeben sich so geringe Wahrscheinlichkeiten, dass daraus recht sichere Abstände errechnet werden können. Zumindest auf dem Reißbrett und im Labor funktioniert das gut.
Nicht berücksichtigt wird eigentlich immer die Praxis, in der Bauern nicht mit hermetisch abgeschlossenen Erntemaschinen arbeiten und peinlich darauf achten keine Körner auf dem Weg zum Hof zu verlieren. Vögel und Nagetiere gibt es in diesen Gedankenmodellen auch nicht. Eine Verteilung von Saatgut auf fremde Felder findet also nicht statt (wer hat jemals an Feldrändern fremdes Getreide wachsen sehen?). Einzig die Windbestäubung zählt … vermutlich mit Winden nach EU-Norm und uniformierten Blühwächtern, die jeden Zufrüh- oder Zuspätblüher ausrupfen.

Ist es denn so schlimm, wenn sich ein paar Pflänzchen kreuzen? Im nächsten Jahr gibt es doch neues Saatgut und damit einen sauberen Bestand. Oder? – Wenn es nach Saatgutproduzenten wie Monsanto geht, dann passt das. Sie verdienen nicht daran, dass ein landwirtschaftlicher Betrieb sein eigenes Saatgut von der Ernte abzweigt. Darum ist die Keimfähigkeit moderner Pflanzensorten auch so gering.

Aber es geht ja um dieses Feld in Borken. Es soll umgepflügt werden, weil es gegen die Regeln verstößt. Zumindest sieht das Bundessortenamt das seit dem 18. Mai so und da es den Versuchsanbau selbst in Auftrag gegeben hat … ähm … ist noch gar nichts passiert.
Monsanto spricht davon, dass die 150 Meter Abstand nur ein Richtwert seien und keine verbindliche Größe. Die Politiker in Borken nicken dazu und setzen den Auftrag zum Umpflügen nicht um. Wenn das mal keine Zivilcourage gegen eine Bundesbehörde ist!

Oder sollte etwas anderes dahinter stecken? Immerhin ist es ja nur ein hochgradig umstrittenes Versuchsfeld, ein Projekt und keine wirtschaftliche Einrichtung. Da kann man doch erwarten, dass die Politiker geschlossen hinter ihren Bürgern stehen, die für den gentechnischen Fortschr … ähm … Mist, schon wieder falsch. Offenbar ist in Borken der Widerstand gegen den Genmais recht hoch.
Woran mag es dann liegen? An Korruption oder Bestechung zum Glück nicht, denn die gibt es bei deutschen Politikern ja nicht. Darum wurde von Deutschland auch nie die UNO-Konvention gegen Korruption ratifiziert oder der Sachbestand ins nationale Strafrecht aufgenommen.

Aber nehmen wir die Sache nicht so ernst. Es sind ja keine russischen Erdgasleitungen, die in Borken gebaut werden sollen, sondern harmloser Mais, wie er schon weltweit wächst.
Wir sollten nicht so viel Wind darum machen.


(Quellen:  http://www.agrarheute.com/?redid=151288 und “Beeinflusst, nicht bestochen“ von Petra Bornhöft und Wolfgang Reuter, SPIEGEL Nr. 21/21.5.07, S. 38)

.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram